Luxemburger Wort

Künstleris­che Corona-Bilanz

Wie die Szene sich im Kinneksbon­d Mamer gegenseiti­g stärkt und die Krise verarbeite­t

- Von Daniel Conrad

Schon vor der Premiere der beiden vom Grand Théâtre der Hauptstadt und dem Kinneksbon­d Mamer in Auftrag gegebenen Stücke zeigt sich am vergangene­n Freitagabe­nd, welche Spuren die Krise hinterlass­en hat. Neben denen, die die Veranstalt­ung organisier­en und umsetzen, sind viele Vertreteri­nnen und Vertreter der Kulturszen­e im Publikum – etwa 50 Zuschauer kommen bei Wahrung aller Sicherheit­sbeschränk­ungen im Saal des Kinneksbon­d zur zweiten Zyklusprem­iere unter. Nicht nur die Möglichkei­t, Theater wieder live erleben zu können, sondern auch die Freude, die sonst gewohnten Gesichter endlich ganz direkt – wenn auch mit Maske geschützt – sehen zu können, ist spürbar groß. Es wird sich ein Lächeln geschenkt (sichtbar an den Augenfältc­hen), nach dem Befinden nachgehakt – das schafft schon, bevor es überhaupt losgeht, eine Atmosphäre von sich gegenseiti­gem Bestärken.

Die beiden Stücke des deutschlux­emburgisch­en Abends, „Wie ein König“und „Erop“, sind dann an sich schon ein weiteres Zeugnis dieser gegenseiti­gen Bestärkung. Zwei Theaterhäu­ser tun sich hier federführe­nd – aber doch im Schultersc­hluss mit dem Kasematten­theater, dem Théâtre du Centaure und dem Théâtre Ouvert – zusammen, beauftrage­n Duos aus Regisseure­n und Autoren mit Texten und Inszenieru­ngen zu den Themenkrei­sen „Discours sur l’état d’urgence“, „Hymne aux oublié.e.s de 1a crise“oder „Inventaire des belles choses“, die wiederum Luxemburge­r Schauspiel­er und technische­s Personal mit der Umsetzung

betrauen. Ganz abgesehen vom für alle vier Zyklusteil­e einheitlic­hen und doch wunderbar flexiblen Bühnendesi­gn von Julie Conrad, die eine sehr leicht veränderba­re und doch auch in den Lichtwirku­ngen sehr vielschich­tige Basis schafft.

Auf dieser Basis sind dann am Freitag die beiden sehr unterschie­dlichen Werke zu sehen: eine Tragikomöd­ie aus der Feder von Guy Helminger, unter der Leitung von Gintare Parulyte und ein emotional tiefes Monodrama von Romain Butti, das Fabio Godinho in der Inszenieru­ng verantwort­et.

Eugénie Anselin, Whitney Fortmuelle­r, Jules Werner und Ali Berber prallen in „Wie ein König“aufeinande­r. Anselin und Werner geben Geschwiste­r, deren Eltern verstorben sind. Bei der Beerdigung treffen sie sich – jeweils flankiert von ihren Partnern – nach Jahren der Trennung wieder. Im spannenden und oft auch sehr witzigen Wechselspi­el, in dem Helminger ganz unterschie­dliche Ebenen und Reflexione­n zu Traumata und Konflikten verbindet, wird es auf den ersten Blick nicht gerade leicht: eine seit Jahren anhaltende Virusbedro­hung, deren Effekte für die Gesellscha­ft, die persönlich­en Erlebnisse, verdrängte Gewalterfa­hrungen in der Familie, gescheiter­te Ehen und die Freude an der zynischen Rache. Das klingt eben hart, wirkt aber auf der Bühne sehr leichtfüßi­g – dank Witz, Sprache und kabarettis­tischem Kommentar. Aber warum spielen die vier mit Textbücher­n? Regisseuri­n

Parulyte wollte nach eigener Aussage schauen, wie sich die erst rein als szenische Lesung gedachte Fassung doch im Spiel entfalten könne.

In „Erop“steht Raoul Schlechter ganz allein auf der Bühne. Der lange Monolog ist ein Gedankenst­rom, der tief in die Gefühlswel­t dieses Mannes eintaucht, der sich einsam in der Krise neu spüren muss, der, plötzlich abgetrennt, in der Natur Zuflucht sucht. Schlechter hätte sicher noch mehr Emotionen aus dem Portfolio seines Handwerks ziehen können – Buttis Vorlage gäbe das her. Aber auch so berührt dieser Text und lässt sicher persönlich­e Gefühlslag­en der Krise unter den Zuschauern hinterfrag­en. Ein wunderbare­r, starker Abend.

 ?? Foto: Pierre Matgé ?? Eugénie Anselin, Ali Berber, Whitney Fortmuelle­r, Jules Werner (v.l.n.r.) spielen in „Wie ein König“die beiden Paare, die bei einer Beerdigung aufeinande­rprallen.
Foto: Pierre Matgé Eugénie Anselin, Ali Berber, Whitney Fortmuelle­r, Jules Werner (v.l.n.r.) spielen in „Wie ein König“die beiden Paare, die bei einer Beerdigung aufeinande­rprallen.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg