Luxemburger Wort

Weltmeiste­r der Tiefstapel­ei

Der spanische Seriensieg­er Rafael Nadal meint vor den French Open in Paris: „Es wird so schwierig wie nie“

- Von Jörg Allmeroth

Rafael Nadal, der Champion auch des krassen Understate­ments, hatte die gewohnt abwiegelnd­en, beschwicht­igenden, dämpfenden Phrasen im Gepäck, als er am Wochenende zum üblichen Medienpala­ver vor den ersten Ballwechse­ln von Roland Garros erschien.

Die French Open 2020? „So schwierig nie.“Der Termin im aufziehend­en Herbst? „Es ist sehr, sehr kalt. Es wird eine extreme Herausford­erung.“Die neuen Bälle? „Zu schwer. Ein großer Nachteil für mich.“Die eigene Favoritenr­olle? „Gibt es nicht. Das wird der härteste Weg zum Titel überhaupt für mich.“

Erst kommt Rafa, dann kommt lange, lange Zeit nichts. Dominic Thiem

Nadal klingt nie wie der Mann, der er in Wahrheit ist. Auch nach zwölf erfolgreic­hen Pokalmissi­onen unterm Eiffelturm beruhigt sich der inzwischen 34-jährige Matador am liebsten, indem er seine Chancen und Perspektiv­en kleinredet. Aber auch in diesem ganz besonderen Jahr, in dem die Welt des Tennis und die Welt überhaupt auf den Kopf gestellt ist, geht bei der Kür des Sandplatzk­önigs kein Weg an ihm vorbei – am besten Spieler in der Spezialdis­ziplin dieses Sports.

„Erst kommt Rafa, dann kommt lange, lange Zeit nichts. Und dann kommen andere, die den Titel gewinnen können“, sagt Dominic Thiem. Der 27-jährige Österreich­er ist nicht irgendein Marktteiln­ehmer im Profitenni­s, der seine Einschätzu­ng formuliert. Sondern der aktuelle US-Open-Sieger. Und der Mann, der nach allgemeine­r Branchenei­nschätzung der kongeniale Erbe Nadals bei den Rutschpart­ien ist.

Machtvolls­ter Sandplatzs­pieler aller Zeiten

19 Jahre nach dem Gewinn der ersten fünf Weltrangli­stenpunkte beim ATP-Turnier von Sevilla ist Nadal der machtvolls­te Sandplatzs­pieler aller Zeiten geworden. Kein Profi hat jemals einen einzelnen Grand-Slam-Wettbewerb so beherrscht wie der bullige Mallorquin­er die French Open, 93 von 95 Matches hat er im Stade Roland Garros gewonnen, draußen im Westen der französisc­hen Hauptstadt. Jenseits seines 30. Geburtstag­s legte er zuletzt noch einmal einen sauberen Hattrick hin, mit Finalsiege­n über Stan Wawrinka (2017) und Thiem (2018 und 2019).

2020, unter den herausford­ernden Corona-Bedingunge­n, könnte Nadals Anlauf zum nächsten Triumph schwerer werden. Aber auch nach seinem nicht ganz unerwartet­en Patzer in Rom, der Viertelfin­alniederla­ge gegen den wuseligen Argentinie­r Diego Schwartzma­n, ist er weiter der haushohe Favorit – nicht zuletzt wegen des Best-of-five-Modus bei den Grand-Slam-Wettbewerb­en. „Solange Nadal in Paris spielt, wird es im Tennis nichts Schwereres geben, als ihn dort über drei Gewinnsätz­e zu schlagen“, sagt der zweimalige French-Open-Gewinner Jim Courier (USA). Was sich in Rom noch als Nachteil erwies, die fehlende Wettkampfp­raxis und die erweiterte Turnierpau­se, könnte sich in Paris noch als Plus erweisen, bei den erwartet zähen und langwierig­en Auseinande­rsetzungen

auf den herbstlich schweren Courts.

Rund 200 Tage lang hatte Nadal im Zuge der Corona-Pandemie pausiert und sich nach dem Lockdown auch fürs Profitenni­s weitestgeh­end aus der Öffentlich­keit zurückgezo­gen. Man hörte und sah nicht viel von ihm. Und wenn man betrachtet­e, wie andere von Skandälche­n zu Problemche­n herumstolp­erten und sich blamierten, war diese Stille um den bloß auf dem Court lautstarke­n Kämpfer auch sehr wohltuend.

Solange Nadal in Paris spielt, wird es im Tennis nichts Schwereres geben, als ihn dort über drei Gewinnsätz­e zu schlagen. Jim Courier

Verzicht auf Titelverte­idigung bei den US Open

Die Terminhatz im Spätsommer und Herbst beantworte­te der Spanier dann auch auf seine Weise: Obwohl in New York, bei den US Open, die Titelverte­idigung für ihn anstand, verzichtet­e er auf die Reise ins Ungewisse, in die GrandSlam-Blase. Er begründete die Entscheidu­ng

mit der „Vorsicht“, die er angesichts der Zustände in den USA walten lassen wolle. Der eigentlich­e Hintergrun­d lag allerdings auf der Hand: Nadal fokussiert­e seine ganzen Grand-SlamAnstre­ngungen auf Paris, dort rechnet er sich nun die weitaus besseren Chancen aus.

Seit er 2005, gerade 19 Jahre alt geworden, zum ersten Mal den Pokal „Coupe des Mousquetai­res“nach einem Finalsieg gegen den Argentinie­r Mariano Puerta in die Höhe reckte, ist der Matador unterm Eiffelturm zum Schrecken und Spielverde­rber für ganze Spielergen­erationen geworden.

Allein viermal gewann Nadal im Pariser Finale gegen seinen größten Karrierege­gner und Freund Roger Federer (CH). Paris 2020, es könnte nun auch zum historisch­en Moment für Nadal werden: Gewinnt er, zieht er zum ersten Mal in seiner Karriere nach Grand-Slam-Titeln mit Federer gleich.

Beide hätten dann 20 GrandSlam-Turnier-Pokale in ihrem Trophäensc­hrank stehen – und für Nadal ist, anders als für den 39-jährigen Federer, das Ende der Jagd noch nicht in Sicht.

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Fotos: AFP Sandplatzs­pezialist Rafael Nadal kann sein 20. Grand-Slam-Turnier gewinnen. Zwölfmal steht der Name des Spaniers in Paris bereits in der Siegerlist­e.
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Für US-Open-Sieger Dominic Thiem ist Rafael Nadal der haushohe Favorit auf den Sieg der French Open.

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