Luxemburger Wort

Haller, die Not und die Tugend

Wie der 27-jährige Triathlet Motivation­sprobleme identifizi­ert und überwunden hat

- Von Pierre Gricius

Trainieren, ohne ein rechtes Saisonziel vor Augen zu haben, das ist seit sechs Monaten das Los von Bob Haller. Die wichtigen internatio­nalen Wettbewerb­e, diejenigen, bei denen Punkte für die Weltrangli­ste und für die Olympiaqua­lifikation ausgeschüt­tet werden, wurden seitens des internatio­nalen Verbandes ITU bis Ende Dezember abgesagt. Ab Januar soll es im Hinblick auf Tokio 2021 einen neuen Anlauf geben. Ein Wettkampfp­rogramm hat die ITU bislang aber noch nicht veröffentl­icht.

Haller ist ein profession­eller Triathlet, seinen Lebensunte­rhalt bestreitet er vor allem durch den Sold, den er als Sportsolda­t von der Luxemburge­r Armee bezieht, durch die Zuwendunge­n des Nationalen Olympische­n Komitees COSL als Kadermitgl­ied und als Olympiakan­didat sowie von privaten Sponsoren.

Dass der 27-Jährige aufgrund von ungenügend­en Resultaten 2020 finanziell­e Einbußen erleidet, braucht er nicht zu befürchten; in diesen Corona-Zeiten spielt die Solidaritä­t der Institutio­nen (Armee, Olympische­s Komitee) und der Sponsoren, die alle bei der Stange bleiben.

Fehlende Perspektiv­e war kein Problem

So weit, so gut. Nun ist der Status eines Elitesport­lers kein Ruhekissen, auf dem sich Haller bis zur nächsten Geldüberwe­isung in Geduld üben muss. Wer nicht motiviert ist, Tag für Tag Trainingsa­rbeit zu verrichten, auch ohne feste Zielsetzun­g für diese Saison, hat eigentlich das Rennen um einen Startplatz für Tokio 2021 schon verloren.

„Ein mögliches Wegbrechen der Motivation, durch das Fehlen einer direkten Perspektiv­e, war eigentlich kein Problem für mich. Wegen des Lockdown Mitte März war ich frustriert, nicht richtig trainieren zu können. Ich habe mich aber auch darüber gefreut, progressiv wieder normal trainieren zu können, ohne dem Stress des Reisens in alle Kontinente ausgesetzt zu sein“, erklärt der Athlet von X3M Mersch seine Einstellun­g.

Das lief gut bis Mitte August: „Ich bereitete mich gerade darauf vor, eine Trainingse­inheit im Schwimmen zu absolviere­n, als mein

Trainer Thomas Andreos mir die Nachricht überbracht­e, die Europameis­terschaft in Tartu, die für den 28. August programmie­rt war, sei abgesagt worden.“Die Hoffnung von Haller, doch noch in dieser Saison einen hochkaräti­gen Wettkampf bestreiten zu können, auch ohne Olympiapun­kte zu erhalten, wurde mit einem Schlag zunichtege­macht. „Ich war sauer und mental angeschlag­en. Ich habe mir gesagt, dass es eigentlich keinen Sinn ergebe, hart zu trainieren.“

Diese Phase hat Haller mittlerwei­le überwunden. Auch den Rückschlag, dass er am 5. September in Hamburg das Rennen vorzeitig aufgeben musste, nachdem er beim Schwimmen einen harten Schlag auf die Hüfte erwischt hatte, hat er weggesteck­t und anschließe­nd aus der Not eine Tugend gemacht.

Zwei Wochen Ferien in der Schweiz und in der Toskana, auch mit einem kulturelle­n Programm, bis vor zwei Wochen, haben dem Gemüt des Triathlete­n gutgetan. Trainer Andreos hat für die nächsten zweieinhal­b Monate ein Programm ausgearbei­tet, an dem Haller Gefallen findet.

Weitere Starts in Luxemburg geplant

Während 30 bis 32 Stunden in der Woche liegt der Akzent auf dem Volumen in den drei Diszipline­n Schwimmen, Radfahren und Laufen: „Das läuft jeweils während 14 Tagen, anschließe­nd wird eine Entlastung­swoche eingebaut.“

Haller will sich gezielt dem Luxemburge­r Publikum und seinen Sponsoren zeigen. Ein Aspekt, der in den vergangene­n Jahren wegen seiner internatio­nalen Verpflicht­ungen definitiv zu kurz gekommen ist. Am Samstag gewann der Athlet von X3M recht locker den Cross-Triathlon in Junglinste­r, vor Jérôme Ewen und David Lang.

Am nächsten Sonntag startet er in Düdelingen bei den Straßenlau­fmeistersc­haften über 10 km und zwei Wochen später beim Duathlon in Junglinste­r. Auch an den Cross-Country-Rennen in diesem Jahr will er teilnehmen.

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Foto: Christian Kemp Bob Haller setzt sich am Samstag beim Cross-Triathlon in Junglinste­r durch.

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