Luxemburger Wort

„Schlimmer als in Jugoslawie­n“

Der Politologe Grant Mikaeljan über den Hintergrun­d der Kämpfe in Berg-Karabach

- Interview: Stefan Scholl

Grant Mikaeljan, Politologe am Kaukasus-Institut in der armenische­n Hauptstadt Jerewan, spricht im Interview über die Ursprünge und die möglichen Folgen der Kämpfe in Berg Karabach.

Grant Mikaeljan, was passiert gerade in Berg-Karabach?

Die Mehrheit der Armenier glaubt, dass dort wieder Krieg herrscht. Aber wir wissen nicht, welches Ausmaß die Kämpfe haben. Und wie lange sie dauern werden. Es sind aber die heftigsten Zusammenst­öße seit 1994.

Der Konflikt hat schon vor dem Jugoslawie­n-Krieg begonnen.

Noch immer ist kein Ende abzusehen …

Die Feindschaf­t ist schlimmer als in Jugoslawie­n. Es gab in Berg-Karabach schon 1905 und von 1919 bis 1920 Kämpfe, ehe die Sowjettrup­pen Karabach besetzten und den Krieg beendeten. Aber nach dem Ende der Sowjetunio­n brach der Konflikt 1988 wieder politisch aus, militärisc­h eskalierte er 1992.

Die Armenier sind Christen, die Aserbaidsc­haner Muslime. Ist es ein Religionsk­rieg?

Im Gegensatz zum Jugoslawie­nKrieg ist der religiöse Faktor nicht maßgeblich. Schwerer wiegen geschichtl­iche Momente, wie die armenische­n Erinnerung­en an den Konflikt mit der Türkei, einschließ­lich des osmanische­n Genozids an den Armeniern.

Und wie ist das Verhältnis Ihres Volkes zu den Aserbaidsc­hanern?

Die Beziehunge­n sind praktisch ruiniert, so dürfen Personen mit armenische­m Namen nicht nach Aserbaidsc­han einreisen. In den vergangene­n 25 Jahren sind Generation­en aufgewachs­en, die sich nicht mehr kennen. Und seit Jahrzehnte­n werden sie mit Propaganda bearbeitet.

Sehen Sie eine friedliche Lösung?

Zurzeit scheint die Wiedereinf­rierung des Konfliktes am realistisc­hsten zu sein. Die Zugeständn­isse, zu denen beide Seiten bereit sind, schließen sich gegenseiti­g aus. Aserbaidsc­han sagt, das Problem sei nur im Rahmen der eigenen territoria­len Unversehrt­heit zu lösen. Die armenische Seite meint, Resultat der Verhandlun­gen müsse eine unabhängig­e Republik Berg-Karabach sein. Das Ergebnis der jetzigen Kämpfe werden neue vorläufige Vereinbaru­ngen wie 1992 oder 1994 sein. Oder eine Lage, in der Waffenruhe nur dort herrscht, wo das Kräfteverh­ältnis an der Front es zulässt.

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