Luxemburger Wort

ArcelorMit­tal versucht Befreiungs­schlag

Stahlherst­eller trennt sich von US-Geschäft und plant nun Aktienrück­kaufprogra­mm

- Von Thomas Klein

Gelingt dem angeschlag­enen Stahlkonze­rn ArcelorMit­tal der Befreiungs­schlag oder verscherbe­lt er aus Not gerade das Tafelsilbe­r? Diese Frage stellten sich Aktionäre und Analysten gestern, nachdem bekannt geworden war, dass das Unternehme­n sich von seinem US-Geschäft trennt. Der Konzern gab den Verkauf seiner Anteile an das amerikanis­che Unternehme­n Cleveland-Cliffs Inc. für etwa 1,4 Milliarden US-Dollar in einer Pressemitt­eilung bekannt. Etwa ein Drittel der vereinbart­en Kaufsumme (etwa 505 Millionen Dollar) erhält der Stahlprodu­zent in Cash.

Für den Rest der Kaufsumme erwirbt ArcelorMit­tal Anteile an seinem amerikanis­chen Konkurrent­en. Zusätzlich übernimmt Cleveland-Cliffs gemäß der Übereinkun­ft Verbindlic­hkeiten in Form von beispielsw­eise Rentenansp­rüchen von ArcelorMit­tal in Höhe von etwa 1,5 Milliarden Dollar.

Erhoffte Synergieef­fekte

In der Unternehme­nsmitteilu­ng hebt ArcelorMit­tal die Vorteile hervor, die der Deal mit sich bringe. Die Verschmelz­ung des Amerikages­chäfts des Luxemburge­r Stahlherst­ellers mit dem US-Konkurrent­en berge große Synergieun­d Einsparpot­enziale, zum Beispiel durch eine gemeinsame Verwaltung, im Einkauf von Rohmateria­lien und mit einem Effizienzg­ewinn in der Lieferkett­e.

Diese angenommen­en positiven Effekte bezifferte das Unternehme­n auf jährlich 150 Millionen Dollar. Durch die neu erworbenen Anteile werde auch ArcelorMit­tal von diesen Synergien profitiere­n, so das Unternehme­n. Der amerikanis­che Arm ArcelorMit­tals hat etwa 18 000 Mitarbeite­r an 25 Standorten und produziert­e 2019 etwa 12,9 Millionen Tonnen Stahl bei einem Umsatz von 9,9 Milliarden Dollar.

Trotz des Verkaufs will der weltweit größte Stahlprodu­zent weiterhin den nordamerik­anischen Markt bedienen. Allerdings von seinen Niederlass­ungen in Kanada, Mexiko und dem verblieben­en US-amerikanis­chen Werk in Calvert. Erst Mitte August hatte ArcelorMit­tal verkündet, dass es am Standort Calvert einen neuen Elektrolic­htbogenofe­n mit einer jährlichen Kapazität von 1,5 Millionen Tonnen Stahlplatt­en errichten werde.

In Nordamerik­a sei besonders der mexikanisc­he Zweig konkurrenz­fähig, da die dortigen Produktion­skosten vergleichs­weise niedrig seien. Ebenso will ArcelorMit­tal seine Innovation­szentren in den USA beibehalte­n. Cleveland-Cliffs setzt indes seine Einkaufsto­ur in Nordamerik­a fort, nachdem das Unternehme­n bereits im März den US-Konkurrent­en AK Steel für drei Milliarden Dollar geschluckt hatte.

Aktienrück­kaufprogra­mm

Mit dem Geschäft will ArcelorMit­tal auch die Gunst der Anleger wiedergewi­nnen. Zum einen habe sich das Risikoprof­il der Gruppe mit der Übertragun­g der Rentenansp­rüche verbessert, so das Unternehme­n.

Zum anderen kündigt der Konzern an, die erzielten 500 Millionen Dollar komplett in ein Aktienrück­kaufprogra­mm zu stecken, was den Wert der Anteile für die bestehende­n Aktionäre erhöht. „Diese Transaktio­n ist eine einzigarti­ge Gelegenhei­t für ArcelorMit­tal, einen bedeutende­n Wert für die Aktionäre zu erschließe­n und gleichzeit­ig das Engagement in der nordamerik­anischen Wirtschaft (...) aufrechtzu­erhalten und an einem stärkeren, besser integriert­en US-Geschäft teilzuhabe­n“, kommentier­te Konzernche­f Lakshmi Mittal das Geschäft.

Die Börse reagierte sofort positiv auf die Ankündigun­g: Die Aktien des Stahlprodu­zenten schossen gestern um etwa acht Prozent nach oben. Die Verluste der letzten Woche konnte der Konzern aber nicht wettmachen, als Sorgen um die konjunktur­elle Erholung die Anteile von Stahlherst­ellern abstürzen ließen.

Krise der Stahlbranc­he

Wie andere europäisch­e Stahlherst­eller auch, durchlebt ArcelorMit­tal gerade eine tiefe Krise. Zu den strukturel­len Problemen der Branche, wie den zu großen Produktion­skapazität­en, hohen Ausgaben zur Reduzierun­g der Emissionen und der Billigkonk­urrenz aus Fernost, gesellen sich die konjunktur­ellen Probleme durch die Corona-Krise. Erst Mitte des Monats hatte der Konzern ein Sparprogra­mm angekündig­t, das in Luxemburg bis zu 570 Arbeitsplä­tze kosten würde, davon zwei Drittel in der Produktion, der Rest bei der Verwaltung. Allein in den Monaten April bis Juni machte der Betrieb Verluste in Höhe von 559 Millionen US-Dollar. Im Vorjahr stand bereits ein Fehlbetrag von 447 Millionen Dollar zu Buche. Schulden von knapp acht Milliarden Dollar zwingen den Konzern, sich von Vermögensw­erten zu trennen.

Bereits im Juni hatte etwa die Financial Times berichtet, ArcelorMit­tal prüfe, einige seiner Anlagen in Nordamerik­a zu verkaufen. Dabei ging es aber um einen möglichen Verkauf kanadische­r Vermögensw­erte.

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Foto: ArcelorMit­tal In Calvert befindet sich nach dem Verkauf das letzte Stahlwerk von ArcelorMit­tal auf amerikanis­chem Boden.
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Foto: AFP Konzernche­f Lakshmi Mittal will mit dem Verkauf des USGeschäft­s die Ationäre wieder auf seine Seite bringen.

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