Wenn die Katze sich zu häufig putzt
Die zweijährige Katze Nénette wurde zur Sprechstunde gebracht, weil ihre Besitzer seitlich ihrer Sprunggelenke kahle Stellen entdeckt hatten. Die haarlosen Hautflächen hatten mittig länglich angeordnete, blutige Krusten. Nénette machte sich nur wenn sie sich unbeobachtet wähnte daran zu schaffen, dann allerdings unentwegt. Ihren Futternapf ließ die sonst verfressene Katze öfters gar unberührt. Naheliegenderweise hatten ihre Menschen an eine Entzündung oder eine andere Pathologie der Fersengelenke gedacht und bestanden auf einer röntgenologischen Untersuchung. Als die Röntgenbilder wie zu erwarten keinen krankhaften Befund ergaben, standen einige andere Untersuchungen an. Das Fell und eine Stuhlanalyse wurden ohne Ergebnis auf Parasiten untersucht, eine Blutuntersuchung ergab keine Hinweise auf Schilddrüsenüberfunktion, Allergien oder Unverträglichkeiten. Die mikroskopische Untersuchung einiger im Umfeld der Läsionen ausgezupfter Fellhaare führte schließlich zur Diagnose: Nénette hatte FSA (Feline Selbstinduzierte Alopezie). Bei dieser Erkrankung ist unter dem Mikroskop leicht zu erkennen, dass die Haarspitzen durch das Belecken abgebrochen oder zerfranst sind, während die Haarwurzeln zumeist im aktiven Wachstumsstadium sind. Der Vorbericht ergab, dass die Katze mit dem übersteigerten Lecken begonnen hatte, als ein kleiner Hund zu Besuch in ihrem Heim war. Dieser Umstand und die Tatsache, dass ihre haarlosen Stellen perfekt symmetrisch waren, ließ schlussfolgern, dass bei Nénette die FSA auf eine stressbedingte Verhaltensstörung zurückzuführen war (Psychogene Leckalopezie). Die Behandlung von FSA erfolgt im günstigsten Fall durch das Beseitigen der Ursachen – was bei körperlichen Symptomen ziemlich leicht zu bewerkstelligen ist. Bei Nénette war jedoch das intensive Bearbeiten ihrer Fersen zum zwanghaften Verhalten geworden. Mit der Hilfe einer Tierpsychologin wurden schließlich verhaltenstherapeutische Maßnahmen sowie ein stressmilderndes Medikament eingesetzt. Nach drei Wochen war ihr Fell wieder fast ganz nachgewachsen. Da die Gefahr eines Rückfalls nach erfolgreicher Therapie immer noch besteht, bekommt die Katze nun vor jedem vorauszusehenden Stress ein pflanzliches Beruhigungsmittel im Futter verabreicht.