Neuer, trauriger Tiefpunkt
Wer gehofft hatte, beim ersten Fernsehduell zwischen Donald Trump und seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden irgendwelche neuen Erkenntnisse über die Pläne der beiden Präsidentschaftsbewerber zu erlangen, der sah sich in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch bereits nach kürzester Zeit bitter enttäuscht.
Anstatt über die vorher verabredeten Themenblöcke von aktueller Brisanz wie zum Beispiel die schwellende Corona-Krise oder die Unruhen in US-Städten zu diskutieren und Lösungen anzubieten, folgt eine Beleidigung auf die nächste. Es ist ein neuer, trauriger Tiefpunkt der Debattenkultur, geprägt von persönlichen Attacken und einem Moderator, der verzweifelt versucht, den Fokus der Kontrahenten in einer testosterongeladenen Männerveranstaltung auf Argumente und politische Inhalte zu lenken – vergeblich.
Trump fällt seinem Gegenüber ständig ins Wort. Doch das war leider nicht anders zu erwarten und kaum überraschend. Denn Trump liegt in Meinungsumfragen zurück und greift auf eine bewährte Taktik zurück: Angriff ist die beste Verteidigung. Nach dem Motto: Hauptsache, den politischen Gegner mit Dreck bewerfen, irgendwas bleibt immer kleben.
Doch auch Biden, der sich eigentlich als ruhenden Gegenpol zu Trump präsentieren will, gelingt es in weiten Teilen nicht, das Niveau der Debatte zu heben und Souveränität auszustrahlen. Ein ums andere Mal lässt er sich aus der Reserve locken und vom gewohnt pöbelnden Trump provozieren. Was bleibt ist die traurige Erkenntnis, dass der Grad an Polarisierung in den USA mittlerweile dermaßen hoch ist, dass ein vernünftiger Meinungsaustausch über Inhalte im vergifteten, politischen Klima derzeit nicht mehr möglich ist – und das in der dienstältesten Demokratie der Welt. So tief ist die politische Debattenkultur in den USA bereits gesunken. Ein Armutszeugnis! Denn eins steht jetzt bereits fest, unabhängig vom Ausgang der Wahlen: Vier Jahre Präsidentschaft Donald Trump – vier Jahre alternative Fakten und das Säen von Zwietracht – haben ihre Spuren hinterlassen.
Zwei Lager stehen sich immer unversöhnlicher gegenüber. Raum für Kompromisse und Konsens in strittigen Fragen bleibt da kaum. Sowohl Trump als auch Biden bedienen beim TV-Duell zwar ihre Wählerklientel, aber die unentschlossenen Wähler, die sich vor allem aus der politischen Mitte rekrutieren, kann keine der beiden Seiten mit diesem Klamauk erreichen – im Gegenteil. Denn mit der unversöhnlichen Polarisierung steigt in der Mitte der Gesellschaft der Frust über ein politisches System, in dem beide Seiten – sowohl Republikaner als auch Demokraten – für sich in Anspruch nehmen, die alleinige Wahrheit für sich gepachtet zu haben. Das stärkt die Ränder auf Kosten der Mitte, die sich – zunehmend angeekelt von Washington – von einer Politik abwendet, in der Schreihälse mehr Gehör finden als ausgleichende Stimmen. Damit drohen viele Wähler mit gemäßigten Ansichten dem Urnengang am 3. November fernzubleiben, was wohl eher dem Amtsinhaber zugute kommen würde.
Vier Jahre Präsidentschaft Donald Trump habenihre Spuren hinterlassen.