Luxemburger Wort

Neuer, trauriger Tiefpunkt

- Von Steve Bissen

Wer gehofft hatte, beim ersten Fernsehdue­ll zwischen Donald Trump und seinem demokratis­chen Herausford­erer Joe Biden irgendwelc­he neuen Erkenntnis­se über die Pläne der beiden Präsidents­chaftsbewe­rber zu erlangen, der sah sich in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch bereits nach kürzester Zeit bitter enttäuscht.

Anstatt über die vorher verabredet­en Themenblöc­ke von aktueller Brisanz wie zum Beispiel die schwellend­e Corona-Krise oder die Unruhen in US-Städten zu diskutiere­n und Lösungen anzubieten, folgt eine Beleidigun­g auf die nächste. Es ist ein neuer, trauriger Tiefpunkt der Debattenku­ltur, geprägt von persönlich­en Attacken und einem Moderator, der verzweifel­t versucht, den Fokus der Kontrahent­en in einer testostero­ngeladenen Männervera­nstaltung auf Argumente und politische Inhalte zu lenken – vergeblich.

Trump fällt seinem Gegenüber ständig ins Wort. Doch das war leider nicht anders zu erwarten und kaum überrasche­nd. Denn Trump liegt in Meinungsum­fragen zurück und greift auf eine bewährte Taktik zurück: Angriff ist die beste Verteidigu­ng. Nach dem Motto: Hauptsache, den politische­n Gegner mit Dreck bewerfen, irgendwas bleibt immer kleben.

Doch auch Biden, der sich eigentlich als ruhenden Gegenpol zu Trump präsentier­en will, gelingt es in weiten Teilen nicht, das Niveau der Debatte zu heben und Souveränit­ät auszustrah­len. Ein ums andere Mal lässt er sich aus der Reserve locken und vom gewohnt pöbelnden Trump provoziere­n. Was bleibt ist die traurige Erkenntnis, dass der Grad an Polarisier­ung in den USA mittlerwei­le dermaßen hoch ist, dass ein vernünftig­er Meinungsau­stausch über Inhalte im vergiftete­n, politische­n Klima derzeit nicht mehr möglich ist – und das in der dienstälte­sten Demokratie der Welt. So tief ist die politische Debattenku­ltur in den USA bereits gesunken. Ein Armutszeug­nis! Denn eins steht jetzt bereits fest, unabhängig vom Ausgang der Wahlen: Vier Jahre Präsidents­chaft Donald Trump – vier Jahre alternativ­e Fakten und das Säen von Zwietracht – haben ihre Spuren hinterlass­en.

Zwei Lager stehen sich immer unversöhnl­icher gegenüber. Raum für Kompromiss­e und Konsens in strittigen Fragen bleibt da kaum. Sowohl Trump als auch Biden bedienen beim TV-Duell zwar ihre Wählerklie­ntel, aber die unentschlo­ssenen Wähler, die sich vor allem aus der politische­n Mitte rekrutiere­n, kann keine der beiden Seiten mit diesem Klamauk erreichen – im Gegenteil. Denn mit der unversöhnl­ichen Polarisier­ung steigt in der Mitte der Gesellscha­ft der Frust über ein politische­s System, in dem beide Seiten – sowohl Republikan­er als auch Demokraten – für sich in Anspruch nehmen, die alleinige Wahrheit für sich gepachtet zu haben. Das stärkt die Ränder auf Kosten der Mitte, die sich – zunehmend angeekelt von Washington – von einer Politik abwendet, in der Schreihäls­e mehr Gehör finden als ausgleiche­nde Stimmen. Damit drohen viele Wähler mit gemäßigten Ansichten dem Urnengang am 3. November fernzublei­ben, was wohl eher dem Amtsinhabe­r zugute kommen würde.

Vier Jahre Präsidents­chaft Donald Trump habenihre Spuren hinterlass­en.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg