Statuenstreit am Kap
Südafrikas Regierung will alle Denkmäler im Land auf ihre historische Bedeutung prüfen
Vor 26 Jahren hat Nelson Mandela die Apartheid bezwungen und in Südafrika die Demokratie eingeläutet. Das tat er zusammen mit anderen Freiheitskämpfern des African National Congress (ANC). Doch was war davor? Etwa mit den San, die schon vor 20 000 Jahren in der Steppe des südlichen Afrikas jagten, oder den Buren, die mit Ochsenkarren von der Kapkolonie ins Landesinnere zogen? Soll auch ihre Geschichte erzählt werden? Und falls ja: Steht ihnen genauso viel öffentlicher Raum zu wie etwa dem Freiheitskämpfer Nelson Mandela – oder bloß eine Seite in den Geschichtsbüchern? Darüber ist nun in der Kaprepublik ein Streit entbrannt.
Der September war immer schon ein geschichtsträchtiger Monat in Südafrika: Im „Heritage Month“, dem „Monat des Nationalerbes“, erinnert die Regenbogennation gerne an ihre vielfältige Vergangenheit. Für Wirbel sorgte dieses Jahr aber eine Ankündigung der Regierung, alle Statuen im Land auf ihre historische Bedeutung prüfen zu wollen. Jene darunter, die Kolonialismus oder die Apartheid repräsentierten, sollen aus dem öffentlichen Raum verbannt werden. Für sie seien eigens geschaffene „Themenparks“reserviert.
„Symbole, Monumente oder Aktivitäten, die für unsere hässliche Vergangenheit stehen, haben keinen Platz im demokratischen Südafrika“, sagte Präsident Cyril Ramaphosa anlässlich des „Heritage Days“vergangene Woche. In naher Zukunft werde man Städte und Straßen umbenennen sowie Statuen aufstellen, die das neue Südafrika symbolisierten. Damit wolle man künftigen Generationen ein anderes kulturelles Erbe hinterlassen, als die Freiheitskämpfer vom Apartheid-Regime erhielten.
Städte und Straßen sollen umbenannt werden
Doch nicht überall stößt das Vorhaben auf Verständnis. Dass der Präsident eines jungen Schwellenlandes vor die Kameras tritt und sich mit etwas so „Banalem“wie Statuen beschäftigt, sei „schwer zu verstehen“, meint der Südafrikaner Henry CB gegenüber der Zeitung „Citizen“. Immer noch gilt die Hälfte der Südafrikaner als arm; das Land plagen gravierende soziale
Eine der umstrittenen Statuen von Queen Victoria in Kapstadt. Unterschiede. Würde die Verbannung von Statuen gegen Corona helfen?, fragt CB.
Kritik kommt darüber hinaus von der größten Oppositionspartei des Landes, der Democratic Alliance (DA). Sie fürchtet, dass der ANC, seit 1994 im Amt, eine „von der Regierung abgesegnete“Version der Landesgeschichte schreiben will. „Statuen, Symbole und Monumente, die nicht dieser Sichtweise entsprechen, in ‚Themenparks‘ zu verbannen, gibt dem ANC Kontrolle darüber, in welchem historischen Zusammenhang die Statuen künftigen Generationen gezeigt werden“, teilte die DA mit. Grundsätzlich sei die Opposition, die in den Augen vieler immer noch die Interessen weißer Südafrikaner vertritt, einem Abriss der Statuen nicht abgeneigt. Die Entscheidung müsse jedoch für jede Büste individuell getroffen werden. Andernfalls drohe eine „Polarisierung“der Vielvölkernation.
Die Diskussion um Südafrikas umstrittenes Erbe im öffentlichen Raum ist nicht neu. Immer wieder kam es in den vergangenen Jahren zu Protesten. 2015 hatten Studenten in Kapstadt unter der Massenbewegung
„Rhodes Must Fall“erfolgreich für den Abriss einer Statue des berüchtigten Kolonialherren Cecil John Rhodes demonstriert. Die Statue des Buren-Präsidenten Paul Kruger in der Hauptstadt Pretoria wurde regelmäßig mit Farbe beschmiert.
Ein Umdenken blieb aus. Aber diesmal scheint die Regierung durchzugreifen. Kritikern entgegnete Ramaphosa nun: „Wir werden uns nicht entschuldigen, denn unsere Aufgabe ist es, eine geeinte Nation aufzubauen.“
Doch Experten bleiben skeptisch. Ralph Mathekga, Politologe in Johannesburg, hält es für eine „schlechte Idee“, Kolonialerinnerungen an einen bestimmten Ort abzuschieben. Er spricht sich offen gegen solche „Museen der Schande“aus, denn: „Wir sollten über unsere Vergangenheit nachdenken und uns in Erinnerung rufen, nicht dieselben Fehler zu begehen“wie diese umstrittenen Persönlichkeiten.
„Neue Helden“sollten als Statue oder Büste ihren verdienten Platz erhalten. Doch alle anderen abreißen? „Dann würden wir unsere eigene Geschichte vergessen“, so Mathekga.