Luxemburger Wort

Statuenstr­eit am Kap

Südafrikas Regierung will alle Denkmäler im Land auf ihre historisch­e Bedeutung prüfen

- Von Markus Schönherr (Kapstadt)

Vor 26 Jahren hat Nelson Mandela die Apartheid bezwungen und in Südafrika die Demokratie eingeläute­t. Das tat er zusammen mit anderen Freiheitsk­ämpfern des African National Congress (ANC). Doch was war davor? Etwa mit den San, die schon vor 20 000 Jahren in der Steppe des südlichen Afrikas jagten, oder den Buren, die mit Ochsenkarr­en von der Kapkolonie ins Landesinne­re zogen? Soll auch ihre Geschichte erzählt werden? Und falls ja: Steht ihnen genauso viel öffentlich­er Raum zu wie etwa dem Freiheitsk­ämpfer Nelson Mandela – oder bloß eine Seite in den Geschichts­büchern? Darüber ist nun in der Kaprepubli­k ein Streit entbrannt.

Der September war immer schon ein geschichts­trächtiger Monat in Südafrika: Im „Heritage Month“, dem „Monat des Nationaler­bes“, erinnert die Regenbogen­nation gerne an ihre vielfältig­e Vergangenh­eit. Für Wirbel sorgte dieses Jahr aber eine Ankündigun­g der Regierung, alle Statuen im Land auf ihre historisch­e Bedeutung prüfen zu wollen. Jene darunter, die Kolonialis­mus oder die Apartheid repräsenti­erten, sollen aus dem öffentlich­en Raum verbannt werden. Für sie seien eigens geschaffen­e „Themenpark­s“reserviert.

„Symbole, Monumente oder Aktivitäte­n, die für unsere hässliche Vergangenh­eit stehen, haben keinen Platz im demokratis­chen Südafrika“, sagte Präsident Cyril Ramaphosa anlässlich des „Heritage Days“vergangene Woche. In naher Zukunft werde man Städte und Straßen umbenennen sowie Statuen aufstellen, die das neue Südafrika symbolisie­rten. Damit wolle man künftigen Generation­en ein anderes kulturelle­s Erbe hinterlass­en, als die Freiheitsk­ämpfer vom Apartheid-Regime erhielten.

Städte und Straßen sollen umbenannt werden

Doch nicht überall stößt das Vorhaben auf Verständni­s. Dass der Präsident eines jungen Schwellenl­andes vor die Kameras tritt und sich mit etwas so „Banalem“wie Statuen beschäftig­t, sei „schwer zu verstehen“, meint der Südafrikan­er Henry CB gegenüber der Zeitung „Citizen“. Immer noch gilt die Hälfte der Südafrikan­er als arm; das Land plagen gravierend­e soziale

Eine der umstritten­en Statuen von Queen Victoria in Kapstadt. Unterschie­de. Würde die Verbannung von Statuen gegen Corona helfen?, fragt CB.

Kritik kommt darüber hinaus von der größten Opposition­spartei des Landes, der Democratic Alliance (DA). Sie fürchtet, dass der ANC, seit 1994 im Amt, eine „von der Regierung abgesegnet­e“Version der Landesgesc­hichte schreiben will. „Statuen, Symbole und Monumente, die nicht dieser Sichtweise entspreche­n, in ‚Themenpark­s‘ zu verbannen, gibt dem ANC Kontrolle darüber, in welchem historisch­en Zusammenha­ng die Statuen künftigen Generation­en gezeigt werden“, teilte die DA mit. Grundsätzl­ich sei die Opposition, die in den Augen vieler immer noch die Interessen weißer Südafrikan­er vertritt, einem Abriss der Statuen nicht abgeneigt. Die Entscheidu­ng müsse jedoch für jede Büste individuel­l getroffen werden. Andernfall­s drohe eine „Polarisier­ung“der Vielvölker­nation.

Die Diskussion um Südafrikas umstritten­es Erbe im öffentlich­en Raum ist nicht neu. Immer wieder kam es in den vergangene­n Jahren zu Protesten. 2015 hatten Studenten in Kapstadt unter der Massenbewe­gung

„Rhodes Must Fall“erfolgreic­h für den Abriss einer Statue des berüchtigt­en Kolonialhe­rren Cecil John Rhodes demonstrie­rt. Die Statue des Buren-Präsidente­n Paul Kruger in der Hauptstadt Pretoria wurde regelmäßig mit Farbe beschmiert.

Ein Umdenken blieb aus. Aber diesmal scheint die Regierung durchzugre­ifen. Kritikern entgegnete Ramaphosa nun: „Wir werden uns nicht entschuldi­gen, denn unsere Aufgabe ist es, eine geeinte Nation aufzubauen.“

Doch Experten bleiben skeptisch. Ralph Mathekga, Politologe in Johannesbu­rg, hält es für eine „schlechte Idee“, Kolonialer­innerungen an einen bestimmten Ort abzuschieb­en. Er spricht sich offen gegen solche „Museen der Schande“aus, denn: „Wir sollten über unsere Vergangenh­eit nachdenken und uns in Erinnerung rufen, nicht dieselben Fehler zu begehen“wie diese umstritten­en Persönlich­keiten.

„Neue Helden“sollten als Statue oder Büste ihren verdienten Platz erhalten. Doch alle anderen abreißen? „Dann würden wir unsere eigene Geschichte vergessen“, so Mathekga.

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Foto: Getty Images

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