Raum und Zeit
Wohnst du noch oder lebst du schon? Den Werbeslogan eines bekannten schwedischen Möbelunternehmens ist man als Arbeitnehmer im coronabedingten Homeoffice geneigt, um den Zusatz „Arbeitest du noch immer?“zu erweitern. Immerhin erscheinen einem die Grenzen zwischen Arbeits- und Freizeit noch fließender als zu Normalzeiten, und da das Büro auch gleichzeitig Wohnung ist, kann man schon mal durcheinanderkommen. Da tut ein Tapetenwechsel gut: Hatte ich mich zu Beginn der Télétravail-Zeit noch im geräumigen Wohnzimmer eingerichtet, merkte ich nach einigen Wochen, dass es keine gute Lösung ist, den ganzen Tag am Wohnzimmertisch
Da sitz ich nun, wo ich schon als Kind saß.
zu arbeiten und abends dann auf die nur zwei Meter entfernte Couch zu wechseln. Tapetenwechsel sieht anders aus. Auf der Suche nach einem anderen geeigneten Zimmer landete ich in dem einen Raum, in dem viele kleinere und größere Schränke stehen und Kleidungsstücke auf Ständern und Stühlen auf ihren nächsten Einsatz warten – nennen wir ihn der Einfachheit halber unsere Ankleide. Nach und nach versah ich das kleine Zimmer mit einem Tisch, einer Lampe, einem Bürostuhl – besten Dank an die Schwägerin für die Leihgabe – und seit Neustem auch mit einem Fernseher. Da sitz ich nun seit nunmehr fast sieben Monaten in diesen engen vier Wänden und gerade erst kürzlich wurde mir bewusst, dass ich dort schon als kleines Kind saß. Denn unser Daheim ist, auch wenn es umfangreiche Umbauarbeiten hinter sich hat, noch immer das Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Und der Raum, den ich nun mein Büro nenne, war einst tatsächlich mein Kinderzimmer. So schließt sich der Kreis. Damals schaute ich mit großen Augen aus dem Fenster in die weite Welt hinaus und optimistisch der Zukunft entgegen. Und heute ... ist eben heute. Gilles