Luxemburger Wort

Die jungen Wilden

Der 22-jährige Marc Hirschi gewinnt die Flèche Wallonne, während ein noch jüngerer Profi eine Glanzleist­ung vollbringt

- Von Daniel Wampach

Radfahrer sehen oft gequält aus, aber Mauri Vansevenan­t hat diese Optik noch einmal auf ein neues Level gehoben. Der junge Belgier vom Team Deceuninck hatte zu Beginn der gestrigen Flèche Wallonne mit drei weiteren Fahrern attackiert, im Finale war nur noch er an der Spitze übrig. Links, rechts, links, rechts – sein Körper schwenkte so sehr zu den Seiten aus, dass man sogar als Zuschauer mitleiden musste.

Am Ende reihte sich der 21-jährige Teamkolleg­e von Bob Jungels in die lange Liste jener Ausreißer ein, die sich bei der Flèche Wallonne umsonst quälten. Nach rund 200 km an der Spitze wurde er erst am Fuße der bekannten Mur de Huy eingeholt, wenige hundert Meter vor dem Ziel. Kurz zuvor war Vansevenan­t in einer Abfahrt gestürzt.

Auf den kurzen und knackigen Anstiegen im Finale habe ich echt gelitten. Michel Ries

„In einem Finale geht man automatisc­h ans Limit, weil man weiß, dass jede Sekunde zählt“, sagte der junge Belgier, der erst seit Juli Radprofi ist. „Ich bin zu schnell in diese Kurve gefahren und habe die Kontrolle über mein Rennrad verloren. Die eingebüßte Zeit kann man dann nicht mehr aufholen. Sie hat mir am Ende gefehlt.“

Der Glaube an den Sieg

Die Einzelleis­tung des jungen Belgiers ist trotzdem bemerkensw­ert, sein Siegeswill­e war unübersehb­ar. „Wir hatten einen ordentlich­en Vorsprung, der Sieg wäre also nicht unmöglich gewesen. Doch das Schicksal hat anders entschiede­n“, sagte Vansevenan­t kurz nach dem Rennen. Er träumte vom Triumph und glaubte, er hätte gute Chancen gehabt, es bis ins Ziel zu schaffen. „Mein Vorsprung vor dem Sturz betrug etwa 30 Sekunden. Ich hoffte, mit einem solchen in den Fuß der Mur de Huy einzufahre­n. Normalerwe­ise sollte das genügen. Leider hat es nicht gereicht.“

Weil sich Vansevenan­t so lange an der Spitze befand, konnte dessen Teamkolleg­e Jungels im Finale des Rennens nicht attackiere­n. Und so kam es, dass sich keiner der beiden Luxemburge­r in Szene setzte.

Jungels wurde 70. mit 1'54'' Rückstand, während Michel Ries (Trek) als 88. (auf 4'14'') ins Ziel kam.

Die Entscheidu­ng fiel traditione­ll erst auf den letzten Metern der steilen Mur de Huy, wo 2008 Kim Kirchen gewonnen hatte. Der junge Schweizer Marc Hirschi, Etappensie­ger und kämpferisc­hster Fahrer bei der Tour de France, setzte sich durch. Er zeigte mit 22 Jahren erneut, dass er zur goldenen Generation gehört, die den Radsport in Zukunft dominieren wird.

Majerus darf sich trotz Pech freuen

Auf das Podium fuhren außerdem Benoît Cosnefroy (F/Ag2r) und Michael Woods (CAN/Education First). Ries' Teamkapitä­n Richie Porte (AUS) wurde Achter. „Er hat uns während des Rennens gesagt, dass er nicht sehr gut drauf ist“, meinte Ries. „Ich denke also, es ist nicht schlecht gelaufen.“

Dass er selbst mit seinen 22 Jahren und im ersten Profijahr nicht ganz vorne mitfahren würde, war klar. Doch allzu weit war Ries von der Spitze nicht entfernt. „Es war ein schweres Rennen. Ich hatte nicht meinen besten Tag erwischt. Ich wäre gerne vorne mitgefahre­n, doch ich wurde 10 km vor dem Ziel abgehängt. Auf den kurzen und knackigen Anstiegen im Finale habe ich echt gelitten.“Viel Zeit zur Erholung bleibt nicht – am Sonntag steht mit Liège-BastogneLi­ège schließlic­h ein Radsportmo­nument an.

Christine Majerus hat am Frauenrenn­en der Flèche Wallonne teilgenomm­en. Bis etwa 30 km vor dem Ziel fuhr die Boels-Fahrerin oftmals in den vorderen Reihen des Pelotons, um Teamkapitä­nin

Anna van der Breggen (NL) zu unterstütz­en. Doch dann hatte die 33-Jährige einen Plattfuß. Majerus musste lange auf den Materialwa­gen warten und kam am Ende als 45. mit 7'05'' Rückstand ins Ziel. Freuen konnte sie sich trotzdem, denn Weltmeiste­rin van der Breggen gewann nach 124 km vor Cecilie Ludwig (DK/FDJ) und Demi Vollering (NL/Parkhotel Valkenburg).

„Ich bin zufrieden, weil ich glaube, dass ich meinen Job erledigt habe. Ich hatte kein Glück mit dem platten Reifen, denn ich habe mich recht gut gefühlt. Das Wichtigste ist, dass sich Anna erneut durchgeset­zt hat“, resümierte Majerus ihr Rennen.

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Foto: Serge Waldbillig Marc Hirschi quält sich die Mur de Huy hinauf. Wenige Sekunden später darf der Schweizer jubeln.
 ?? Fotos: S. Waldbillig / AFP ?? Michel Ries (Mitte) erwischt nicht seinen besten Tag, während Mauri Vansevenan­t kurz vor dem Ziel stürzt.
Fotos: S. Waldbillig / AFP Michel Ries (Mitte) erwischt nicht seinen besten Tag, während Mauri Vansevenan­t kurz vor dem Ziel stürzt.
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