Luxemburger Wort

Gewöhnungs­bedürftig

Bei den French Open ist für die Tennisspie­ler dieses Mal alles anders

- Von Jörg Allmeroth

Manches ist noch wie immer in Paris, im Stade Roland Garros, draußen im Westen der französisc­hen Hauptstadt. Rafael Nadal gewinnt dort weiter seine Spiele wie eine Maschine. Viele Rutschpart­ien im roten Sand dauern eine kleine Ewigkeit. Im Zweifelsfa­ll sogar auch mal länger als sechs Stunden, so wie beim zweitlängs­ten Spiel der Turnierges­chichte überhaupt, am Montag zwischen dem Italiener Lorenzo Giustino und dem Franzosen Corentin Moutet. Giustino gewann den fünften und letzten Satz, der allein gut drei Stunden währte, mit 18:16.

Das meiste allerdings bei den Offenen Französisc­hen Meistersch­aften des Jahres 2020 ist anders, gewöhnungs­bedürftig und leicht bizarr. Wie hätte man sich beispielsw­eise noch zum Saisonstar­t eine Aussage wie die von Andrea Petkovic (D) ausmalen können, die nach ihrem Erstrunden­aus noch einmal brav darauf hinwies, sie habe alles getan, „um anderen Menschen bloß irgendwie aus dem Weg zu gehen“.

Die Berührungs­ängste sind nicht etwa paranoid, sondern real, seit bei den US Open der Franzose Benoît Paire positiv auf Covid-19 getestet wurde – und später Kumpels und Kolleginne­n laut Reglement vom Turnier auszuschli­eßen waren, weil sie mit Paire im Hotelfoyer Karten gespielt hatten.

Das Profileben ist insofern überschaub­ar geworden, kleinteili­g und langweilig. Vom Zimmer geht es zur Turnieranl­age, und von der Turnieranl­age zurück ins Hotel, wenn der Arbeitstag vorüber ist. Der Eiffelturm ist nur Ansichtssa­che aus dem Hotelfenst­er, unerreichb­ar in Zeiten der weltweiten Pandemie.

Vom Lebensgefü­hl im Pariser Frühling, in dem das Turnier seit über 100 Jahren in Normalzeit­en stattfinde­t, ist 2020 nichts geblieben. Aber die French Open stehen nun im September und Oktober weniger für ein trotziges Ausrufezei­chen inmitten der großen Corona-Krise oder die Courage der Pariser Verbandsfu­nktionäre. Sie finden schlicht und ergreifend statt, weil es wirtschaft­lich und finanziell notwendig ist, weil man sonst um das Überleben eines der vier wichtigste­n Turniere des Wanderzirk­us fürchten müsste.

Schuldenab­bau

Nach dem ersten Palaver über Kälte, Nässe und schwere Bälle haben sich die Gemüter inzwischen auch wieder beruhigt. Man solle jeden Morgen aufstehen und dankbar sein, dass Turniere wie die French Open stattfände­n, sagt die zweimalige Wimbledons­iegerin Petra Kvitova (CZE), „auch andere Menschen müssen unter schweren Bedingunge­n arbeiten“. Tatsächlic­h gewöhnungs­bedürftig sind die Spielzeite­n geworden, denn ein Drittel der Matches findet inzwischen nicht mehr bei Tageslicht statt, sondern unter den Flutlichts­trahlern auf mehr als zehn Plätzen. Wie die Australian Open und die US Open sind die French Open zur Tag-und-NachtVeran­staltung geworden.

Das soll auch so bleiben, wenn es nach den Bossen des Turniers geht, dem FFT-Präsidente­n Bernard Giudicelli und French OpenDirekt­or Guy Forget. Wenn es irgendwann keine Zuschauerb­eschränkun­gen mehr gibt, am besten schon 2021, realistisc­herweise aber wohl erst ab 2022, dann wird es auf mehreren großen Showcourts auch ausgewiese­ne Abendveran­staltungen geben. Für die, natürlich, eigene Tickets verkauft werden. Eine Prämisse der nächsten Jahre, so Ex-Spitzenpro­fi Forget, sei eben der „Schuldenab­bau“, schließlic­h habe allein der Bau des neuen Centre-Court-Daches runde 200 Millionen Euro verschlung­en.

Von den ganz großen Ambitionen musste die Organisati­onscrew Abstand nehmen. Am Ende sind auch die French Open ein Geistertur­nier geworden, die 1 000 erlaubten Zuschauer im Pariser Corona-Hotspot sind atmosphäri­sch nicht der Rede wert.

Den Spruch des Turniers prägte bisher der grantelnde Brite Daniel Evans, der nach seiner dramatisch­en Erstrunden­niederlage über fünf Sätze gegen Japans Ass Kei Nishikori sagte, die neuen Bälle würde er nicht einmal „seinem Hund zum Knabbern geben“.

Auch Viktoria Azarenkas (BLR) Auftritt war bemerkensw­ert, ihr Verweis in der eisigen Witterung darauf, dass sie aus Florida „ganz andere Temperatur­en“gewohnt sei. Es wird alles vergessen sein, wenn am übernächst­en Wochenende die French-Open-Champions ermittelt sind. Mitten im Herbst, mit den Bällen, mit denen die Sieger und Verlierer spielen mussten.

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Foto: AFP 200 Millionen Euro hat das neue Dach auf dem Centre Court gekostet. Profitiere­n können in diesem Jahr nur 1 000 Zuschauer pro Tag.

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