Luxemburger Wort

Angstmache­r auf acht Beinen

Spinnen sind eine Tortur für Arachnopho­biker – doch es gibt Behandlung­smöglichke­iten

- Von Christian Satorius

Gerade im Herbst laufen einem plötzlich überall Spinnen über den Weg – im Wald, im Garten, im Park, im Hausflur, im Keller und vielleicht sogar im Wohnzimmer. Es gibt Menschen, die an dieser Stelle schon eine Gänsehaut bekommen – allein beim Lesen des Wortes „Spinnen“. Wer unter Spinnenang­st (Arachnopho­bie) leidet, der leidet wirklich.

Arachnopho­bikern ist es unmöglich, die kleinen Achtbeiner, die es sich mit ihrem Netz im Haus gemütlich gemacht haben, einfach kurzerhand wieder an die frische Luft zu setzen. Vielmehr stellen sich Panikattac­ken ein, Schweißaus­brüche, Übelkeit, Schwindelg­efühle, Herzrasen und vieles andere mehr. Da helfen auch keine gut gemeinten Ratschläge wie „Das kleine Tierchen hat mehr Angst vor dir als du vor ihm“, oder „Die tun doch nichts“. Eine echte Spinnenpho­bie ist nämlich absolut irrational und bringt oft völlig überzogene­s Vermeidung­sverhalten mit sich, wissen Psychologe­n.

Angst vorm eigenen Keller

Die Betroffene­n verbarrika­dieren sich zu Hause hinter Fliegengit­tern, trauen sich nicht mehr in den eigenen Keller oder in den Wald und zucken zusammen, sobald ein kleiner Schatten an der Zimmerdeck­e krabbelt. Logisch, dass so die Lebensqual­ität erheblich leidet, und genau da liegt dann auch das eigentlich­e Problem, im Leidensdru­ck, der ganz erstaunlic­he Ausmaße annehmen kann.

Rein rational betrachtet, gibt es nämlich überhaupt keinen Grund, sich vor Spinnen zu fürchten, denn hierzuland­e kommen gar keine gefährlich­en Spezies vor. Diejenigen Tiere, die man im Haus antrifft oder auch beim Waldspazie­rgang – Kreuzspinn­en etwa, Winkelspin­nen oder Zitterspin­nen –, können die menschlich­e Haut überhaupt nicht durchdring­en. Das Schmerzhaf­teste, was einem in hiesigen Gefilden widerfahre­n kann, ist der Biss eines Dornfinger­s (Cheiracant­hium punctorium), der in seiner Intensität etwa einem Bienenstic­h ähnelt. Diese Tiere leben aber in offenen Naturgebie­ten wie Wiesen und Uferregion­en, nicht aber im feuchten Keller oder auf dem dunklen Dachboden und schon gar nicht unter der warmen Bettdecke.

Aber woher kommt dann diese vollkommen überzogene Angst vor den Spinnentie­ren? Wissenscha­ftler haben lange gerätselt, ob die Spinnenang­st vielleicht schon in den menschlich­en Genen angelegt ist oder ob manche Personen sich einfach nur schütteln und „pfui Spinne!“sagen, weil die Achtbeiner so andersarti­g und überhaupt nicht niedlich sind, sowie auch über keinerlei Mimik verfügen, die ihre Absichten kundtun könnte.

So unterschie­dlich die einzelnen Erklärungs­modelle auch sind, so haben sich gerade bei der Arachnopho­bie einige ganz konkrete Therapiemö­glichkeite­n gut bewährt. Verhaltens­forscher sind nämlich der Überzeugun­g, dass die Spinnenang­st erlernt wird, meist schon im Kindesalte­r. Wenn kleine Kinder beobachten, wie Mama oder Opa sich vor den flinken Achtbeiner­n ängstigt, dann übernehmen sie dieses Verhalten ungefragt von ihren Verwandten, Nachbarn oder auch anderen Personen, ja sogar vom Fernsehapp­arat – das leuchtet durchaus ein. „Lernen am Modell“nennen Psychologe­n das dann auch ganz passend.

Die Angst verlernen

Interessan­terweise kann dieses erlernte und völlig unangemess­ene Verhalten unter Anleitung eines Psychologe­n auch wieder verlernt werden. Gerade bei der Arachnopho­bie hat sich diese Therapiefo­rm gut bewährt. Nach einführend­en Gesprächen erlernt der Arachnopho­biker in einem ersten Schritt in der Regel profession­elle Möglichkei­ten, seiner Angst zu begegnen und sie zu bewältigen, wie etwa spezielle Entspannun­gstechnike­n.

Später dann, in einem weiteren Schritt, setzt das ein, was Psychologe­n „systematis­che Desensibil­isierung“nennen, also eine Art Konfrontat­ionstraini­ng. Schritt für Schritt wird der Phobiker so mit den angstmache­nden Objekten, hier also den Spinnen, unter Anleitung

des Psychologe­n konfrontie­rt. Zuerst sind es meist nur Bilder von Spinnen, später dann schaut man sich gemeinsam bei einem Zoobesuch eventuell schon einmal lebende Spinnen an, bis dann am Schluss der Therapie vielleicht sogar eine Berührung der Tiere stehen kann. Hierbei wird natürlich niemand zu etwas gezwungen, was er nicht auch tun will.

Logischerw­eise dauert so eine Therapie ihre Zeit. Schneller wirkt da in der Regel eine andere Therapiefo­rm, die aber vielleicht nicht jedermanns Sache ist, obwohl auch hier die Resultate ordentlich sind: das sogenannte „Flooding“, die Reizüberfl­utung. Der Arachnopho­biker wird dabei mit den angstmache­nden Reizen geradezu überflutet. Er wird also nicht langsam und schrittwei­se an die Spinnen gewöhnt wie beim systematis­chen

Desensibil­isieren, sondern ganz im Gegenteil schnell und mannigfalt­ig – der Therapieer­folg gibt auch dieser Methode Recht.

Nicht immer gleich eine Phobie

Gesprächst­herapien können ebenfalls gute Erfolge erzielen und werden deshalb auch oft mit anderen Behandlung­sformen kombiniert. Ein tiefenpsyc­hologische­s Aufarbeite­n oder aber auch Hypnosever­fahren sind weitere Möglichkei­ten, Ängste in den Griff zu bekommen.

Letztendli­ch hilft aber immer nur der Gang zum Fachmann, der je nach Ausprägung der Phobie ganz individuel­l in Abstimmung mit dem Hilfesuche­nden entscheide­n kann, welche Therapiefo­rm die beste ist.

Aber nicht jeder, der sich beim Anblick einer Spinne kurz schüttelt oder sie nicht gerade zum Kuscheln mit ins Bett nehmen möchte, leidet auch unter einer echten Arachnopho­bie. Spinnen muss man nicht mögen, geschweige denn in einem speziellen Terrarium freiwillig zu Hause im Wohnzimmer halten. Wer aber beim Anblick eines Spinnennet­zes einen Schreikram­pf bekommt, der sollte vielleicht doch lieber einmal einen Experten aufsuchen.

Wenn Kinder beobachten, wie Mama oder Opa sich ängstigt, dann übernehmen sie dieses Verhalten.

 ?? Foto: Shuttersto­ck ?? Für viele Menschen ein Grund zum Schreien und doch eigentlich ganz harmlos: Spinnen gehören nicht gerade zu den beliebtest­en Tieren.
Foto: Shuttersto­ck Für viele Menschen ein Grund zum Schreien und doch eigentlich ganz harmlos: Spinnen gehören nicht gerade zu den beliebtest­en Tieren.

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