Angstmacher auf acht Beinen
Spinnen sind eine Tortur für Arachnophobiker – doch es gibt Behandlungsmöglichkeiten
Gerade im Herbst laufen einem plötzlich überall Spinnen über den Weg – im Wald, im Garten, im Park, im Hausflur, im Keller und vielleicht sogar im Wohnzimmer. Es gibt Menschen, die an dieser Stelle schon eine Gänsehaut bekommen – allein beim Lesen des Wortes „Spinnen“. Wer unter Spinnenangst (Arachnophobie) leidet, der leidet wirklich.
Arachnophobikern ist es unmöglich, die kleinen Achtbeiner, die es sich mit ihrem Netz im Haus gemütlich gemacht haben, einfach kurzerhand wieder an die frische Luft zu setzen. Vielmehr stellen sich Panikattacken ein, Schweißausbrüche, Übelkeit, Schwindelgefühle, Herzrasen und vieles andere mehr. Da helfen auch keine gut gemeinten Ratschläge wie „Das kleine Tierchen hat mehr Angst vor dir als du vor ihm“, oder „Die tun doch nichts“. Eine echte Spinnenphobie ist nämlich absolut irrational und bringt oft völlig überzogenes Vermeidungsverhalten mit sich, wissen Psychologen.
Angst vorm eigenen Keller
Die Betroffenen verbarrikadieren sich zu Hause hinter Fliegengittern, trauen sich nicht mehr in den eigenen Keller oder in den Wald und zucken zusammen, sobald ein kleiner Schatten an der Zimmerdecke krabbelt. Logisch, dass so die Lebensqualität erheblich leidet, und genau da liegt dann auch das eigentliche Problem, im Leidensdruck, der ganz erstaunliche Ausmaße annehmen kann.
Rein rational betrachtet, gibt es nämlich überhaupt keinen Grund, sich vor Spinnen zu fürchten, denn hierzulande kommen gar keine gefährlichen Spezies vor. Diejenigen Tiere, die man im Haus antrifft oder auch beim Waldspaziergang – Kreuzspinnen etwa, Winkelspinnen oder Zitterspinnen –, können die menschliche Haut überhaupt nicht durchdringen. Das Schmerzhafteste, was einem in hiesigen Gefilden widerfahren kann, ist der Biss eines Dornfingers (Cheiracanthium punctorium), der in seiner Intensität etwa einem Bienenstich ähnelt. Diese Tiere leben aber in offenen Naturgebieten wie Wiesen und Uferregionen, nicht aber im feuchten Keller oder auf dem dunklen Dachboden und schon gar nicht unter der warmen Bettdecke.
Aber woher kommt dann diese vollkommen überzogene Angst vor den Spinnentieren? Wissenschaftler haben lange gerätselt, ob die Spinnenangst vielleicht schon in den menschlichen Genen angelegt ist oder ob manche Personen sich einfach nur schütteln und „pfui Spinne!“sagen, weil die Achtbeiner so andersartig und überhaupt nicht niedlich sind, sowie auch über keinerlei Mimik verfügen, die ihre Absichten kundtun könnte.
So unterschiedlich die einzelnen Erklärungsmodelle auch sind, so haben sich gerade bei der Arachnophobie einige ganz konkrete Therapiemöglichkeiten gut bewährt. Verhaltensforscher sind nämlich der Überzeugung, dass die Spinnenangst erlernt wird, meist schon im Kindesalter. Wenn kleine Kinder beobachten, wie Mama oder Opa sich vor den flinken Achtbeinern ängstigt, dann übernehmen sie dieses Verhalten ungefragt von ihren Verwandten, Nachbarn oder auch anderen Personen, ja sogar vom Fernsehapparat – das leuchtet durchaus ein. „Lernen am Modell“nennen Psychologen das dann auch ganz passend.
Die Angst verlernen
Interessanterweise kann dieses erlernte und völlig unangemessene Verhalten unter Anleitung eines Psychologen auch wieder verlernt werden. Gerade bei der Arachnophobie hat sich diese Therapieform gut bewährt. Nach einführenden Gesprächen erlernt der Arachnophobiker in einem ersten Schritt in der Regel professionelle Möglichkeiten, seiner Angst zu begegnen und sie zu bewältigen, wie etwa spezielle Entspannungstechniken.
Später dann, in einem weiteren Schritt, setzt das ein, was Psychologen „systematische Desensibilisierung“nennen, also eine Art Konfrontationstraining. Schritt für Schritt wird der Phobiker so mit den angstmachenden Objekten, hier also den Spinnen, unter Anleitung
des Psychologen konfrontiert. Zuerst sind es meist nur Bilder von Spinnen, später dann schaut man sich gemeinsam bei einem Zoobesuch eventuell schon einmal lebende Spinnen an, bis dann am Schluss der Therapie vielleicht sogar eine Berührung der Tiere stehen kann. Hierbei wird natürlich niemand zu etwas gezwungen, was er nicht auch tun will.
Logischerweise dauert so eine Therapie ihre Zeit. Schneller wirkt da in der Regel eine andere Therapieform, die aber vielleicht nicht jedermanns Sache ist, obwohl auch hier die Resultate ordentlich sind: das sogenannte „Flooding“, die Reizüberflutung. Der Arachnophobiker wird dabei mit den angstmachenden Reizen geradezu überflutet. Er wird also nicht langsam und schrittweise an die Spinnen gewöhnt wie beim systematischen
Desensibilisieren, sondern ganz im Gegenteil schnell und mannigfaltig – der Therapieerfolg gibt auch dieser Methode Recht.
Nicht immer gleich eine Phobie
Gesprächstherapien können ebenfalls gute Erfolge erzielen und werden deshalb auch oft mit anderen Behandlungsformen kombiniert. Ein tiefenpsychologisches Aufarbeiten oder aber auch Hypnoseverfahren sind weitere Möglichkeiten, Ängste in den Griff zu bekommen.
Letztendlich hilft aber immer nur der Gang zum Fachmann, der je nach Ausprägung der Phobie ganz individuell in Abstimmung mit dem Hilfesuchenden entscheiden kann, welche Therapieform die beste ist.
Aber nicht jeder, der sich beim Anblick einer Spinne kurz schüttelt oder sie nicht gerade zum Kuscheln mit ins Bett nehmen möchte, leidet auch unter einer echten Arachnophobie. Spinnen muss man nicht mögen, geschweige denn in einem speziellen Terrarium freiwillig zu Hause im Wohnzimmer halten. Wer aber beim Anblick eines Spinnennetzes einen Schreikrampf bekommt, der sollte vielleicht doch lieber einmal einen Experten aufsuchen.
Wenn Kinder beobachten, wie Mama oder Opa sich ängstigt, dann übernehmen sie dieses Verhalten.