Not macht erfinderisch
Intelligente Nutzfahrzeuge gab es schon vor mehr als 100 Jahren – etwa bei Skoda beziehungsweise Laurin & Klement
Mladá Boleslav. Die Nutzfahrzeugbranche fand schon vor mehr als einem Jahrhundert zu besonders pfiffigen Lösungen. Beispiel aus der 125-jährigen Tradition der Marke Skoda: das gebirgig gelegene, damalige Fürstentum Montenegro, das im Jahr 1907 Nutzfahrzeuge für den Personen- und Pakettransport im regelmäßigen Liniendienst suchte.
Mit den Omnibussen namens Cerna Hora-Montenegro und -Lieferwagen bot Laurin & Klement (L&K) ab 1908 passgenaue und innovativ konstruierte Zugmaschinen an. Mit einer Gesamtlänge von nur 3,69 Metern und einer Breite von lediglich 1,60 Metern waren sie sehr kompakt, boten aber gleichzeitig Platz für bis zu zwölf Personen oder 4,8 Kubikmeter Fracht. Die maximale Zuladung lag bei 900 Kilogramm, ihr Anhänger war für zusätzliche 1 500 Kilogramm Nutzlast ausgelegt.
Die Fähigkeit, seinen Kunden auch bei besonderen Anforderungen passgenaue Lösungen anzubieten, war seit jeher Teil des Erfolgsrezepts von L&K. Das galt auch für die Nutzfahrzeuge, die das 1895 von Vaclav Klement und Vaclav Laurin als Fahrrad-Reparaturwerkstatt gegründete Unternehmen schon bald produzierte. Tatsächlich war es bereits 1907 zum größten Automobilhersteller der damaligen Doppelmonarchie Österreich-Ungarn aufgestiegen und exportierte 70 Prozent seiner Produkte ins Ausland.
Eine anspruchsvolle Aufgabe
Daher verwunderte es nicht, als L&K die Anfrage aus Montenegro erreichte: Das südeuropäische Fürstentum suchte geeignete Fahrzeuge für den Transport von Fracht und Fahrgästen auf verschiedenen Postlinien von Podgorica nach Cetinje, Niksic und Plavnica in der heutigen Slowakei sowie von Cetinje in die Hafenstadt Kotor an der Adriaküste. Der Gewinner
der Ausschreibung sollte für die folgenden 15 Jahre einen Exklusivvertrag für das komplette Landesterritorium erhalten. Neben Laurin & Klement bewarben sich auch italienische Automobilhersteller um den Auftrag.
Eine anspruchsvolle Aufgabe, wie L&K-Generaldirektor Vaclav Klement bei einer Besichtigung vor Ort feststellte: Die engen Straßen im gebirgigen Hinterland des Balkan-Staates waren neben steilen Anstiegen und Gefällestrecken auch von unzähligen Kurven mit oftmals sehr kleinen Radien geprägt. Diese landschaftlichen Besonderheiten
würden ganz spezielle Fahrzeugkonstruktionen erfordern.
Unkonventionelle Lösungen gefragt
Als Basis für die „Cerna HoraMontenegro“-Modelle wählten die Böhmen den L&K Typ E – das leichte Nutz- und Personenfahrzeug wurde in Mlada Boleslav bereits seit 1906 produziert. Wesentlichen Anteil an der Entwicklung der Spezialanfertigungen hatte der damals erst 25-jährige, hochtalentierte und sehr kreative Konstrukteur Frantisek Kec. Und unkonventionelle Lösungen waren aufgrund des speziellen Anforderungsprofils gefragt.
Dies begann bereits bei den ungewöhnlichen Abmessungen. Ein auf 70 Zentimeter verengtes Vorderteil des Typ-E-Rahmens ermöglichte eine 1 300 Millimeter schmale Spur an der Vorderachse. Sie erlaubte einen so großen Lenkeinschlag der Vorderräder, dass die Lkw und Busse selbst scharfe, enge Kurven im ersten Anlauf durchfahren konnten, ohne zurücksetzen oder rangieren zu müssen.
Bis zum Jahr 1912 verrichteten die tschechischen Sonderanfertigungen ihren Dienst im zivilen Einsatz,
dann wurden sie von der montenegrinischen Armee und dem Roten Kreuz im ersten Balkankrieg genutzt, der bis 1913 dauerte. Nach dem Ende der Kampfhandlungen waren die Fahrzeuge wieder auf den erneuerten Postlinien unterwegs, bis der Erste Weltkrieg im Januar 1916 mit dem Angriff Österreich-Ungarns auf Montenegro auch das kleine Land auf dem Balkan traf. Nach heutigem Kenntnisstand ist keiner der Omnibusse, Liefer- oder Pritschenwagen aus dem „Cerna Hora-Montenegro“-Programm erhalten geblieben. mid