Luxemburger Wort

Kibbuz statt leeres Dorf

Wie man Flüchtling­en helfen und verwaiste Orte wiederbele­ben kann

- Foto AFP

Auf Inseln im Mittelmeer, neuerdings auch auf den Kanaren, in der Türkei und in Libyen, vegetieren Tausende Flüchtling­e in Lagern. Sie alle wollen nach Europa. Aus Angst vor sozialen Spannungen im eigenen Land wollen die meisten europäisch­en Regierunge­n nicht helfen. Einige schon, aber auch nur halbherzig.

Flüchtling­sheime sind eine Notlösung und allgemein unbeliebt. Die Nachbarn haben Angst, während die Isolation, der Mangel an Intimsphär­e und das Nichtstun mentales Gift für die Flüchtling­e im Heim sind.

Gibt es bessere Lösungen, die sowohl für die Einheimisc­hen als auch für die Menschen in Not einen Mehrwert darstellen würden? Ich wage zu behaupten, es gibt Alternativ­en. Und die würden dem ach so gerühmten europäisch­en Geist absolut zur Ehre gereichen.

In vielen europäisch­en Ländern leeren sich die Dörfer. Die jungen Leute ziehen weg in die attraktive­ren Städte. Es gibt keinen Bäcker, keinen Metzger, keine Post und nicht mal mehr Klopapier, wenn die nächste Pandemie kommt. Von Ärzten und Hebammen ganz zu schweigen.

Die Europäisch­e Agrarpolit­ik subvention­iert die Masse und Größe und hat damit das Sterben der Kleinbetri­ebe mitzuveran­tworten. Der Nachwuchs spielt lieber Playstatio­n, als am Abend der Kuh Geburtshil­fe zu leisten.

Ich habe in meiner Jugend drei Wochen als Volontär im Kibbuz

Afek bei Haifa gearbeitet, und obwohl ich für die Knochenarb­eit nicht entlohnt wurde, möchte ich diese Erfahrung in meinem Leben nicht missen.

Ein Kibbuz ist eine Dorfgemein­schaft, bestehend aus einheimisc­hen Bewohnern und sogenannte­n Volontären, die Ackerbau und Viehwirtsc­haft betreibt, und zwar in einer Art Genossensc­haft, ohne Privatbesi­tz. Es gibt Bungalows für die „Einwohner“und etwas bescheiden­ere Unterkünft­e für die Volontäre. Werden Überschüss­e erwirtscha­ftet, kriegt jeder einen Fernseher oder eben nur ein I-Pad. Im Kibbuz gibt es Kitas, Schulen, ein Lazarett und ein kollektive­s Restaurant. Niemand braucht daheim zu kochen. Für die Freizeit ist ebenfalls gesorgt.

Leeres Dorf, verwaister Bauernhof und Kibbuz: Diese Kombinatio­n wäre eine durchaus machbare Alternativ­e zur Aufnahme von Flüchtling­en. Selbstvers­tändlich wäre diese Art des Zusammenle­bens auch für nationale Obdachlose denkbar. Das System könnte von der EU (für willige Länder) finanziert werden und mit lokalem Geld autark funktionie­ren. Gut, viele Details müssten selbstvers­tändlich durchdisku­tiert werden.

Wir können das Problem natürlich auch weiterhin ignorieren und auf die nächste Erpressung von Erdogan oder sonst ein Unheil warten. Und einfach wegschauen, wenn mal wieder Leichen an den Urlaubsstr­and gespült werden. Gérard Hengel,

Syren

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Gérard Hengel befasst sich in seinem Leserbrief mit einer Alternativ­e zur Aufnahme von Flüchtling­en.

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