Luxemburger Wort

„Die Monarchie bietet Stabilität“

Großherzog Henri über Höhen und Tiefen seiner 20-jährigen Amtszeit und die Zukunft der Luxemburge­r Monarchie

- Interview: Roland Arens und Marc Schlammes

Als sechster Vertreter der Dynastie Nassau-Weilburg kam Großherzog Henri am 7. Oktober 2000 auf den Luxemburge­r Thron. Große Feiern sind für das Jubiläum aufgrund der Corona-Pandemie nicht vorgesehen. Der Großherzog (65) nimmt Stellung zur Zukunft der Monarchie, die mit der Verfassung­sreform und den Anpassunge­n infolge des WaringoBer­ichts neu justiert wird.

Monseigneu­r, heute ist der 20. Jahrestag Ihrer Thronbeste­igung am 7. Oktober 2000. Wenn Sie die zurücklieg­enden 20 Jahre mit einem Satz resümieren müssten, wie würde der lauten?

In einem Satz lässt sich das unmöglich zusammenfa­ssen. Diese 20 Jahre sind sehr schnell vorbeigega­ngen. Die Welt dreht sich immer schneller, sodass man kaum noch Zeit hat zum Nachdenken. Ich denke beispielsw­eise an die neuen Technologi­en, die sich in den 20 Jahren durchgeset­zt haben, einschließ­lich der sozialen Medien, die ihre guten, aber auch ihre Schattense­iten haben. Auf der Weltbühne ist vor allem die Entwicklun­g der Globalisie­rung von Bedeutung. Auch das geopolitis­che Gleichgewi­cht zwischen Amerika, China und Russland hat sich verschoben.

In Europa haben wir die Einführung des Euro, die Erweiterun­g nach Osten und die Ausdehnung des Schengen-Raums erlebt. Es gab auch ein Aufflammen des Terrorismu­s, mit verheerend­en Attentaten, unter anderem in den

USA, Frankreich, Großbritan­nien, Deutschlan­d. Es ist kein Krieg, aber ein Kampf mit einem Feind, den man nicht sieht und der Unschuldig­e zu Opfern macht. 2008 gab es die Finanzkris­e, die von der Luxemburge­r Regierung hervorrage­nd gemanagt wurde. In der Flüchtling­skrise hat die Bevölkerun­g große Bereitscha­ft gezeigt, vertrieben­e Menschen mit offenen Armen zu empfangen. Und dann sehen wir eine Rückkehr von Radikalism­us und Populismus. Das Aufkommen von Rassismus müssen wir unbedingt ernst nehmen.

Sie haben in 20 Jahren sehr viele Orte in Luxemburg und in der Welt besucht. Gab es Momente dabei, die Ihnen ganz besonders in Erinnerung geblieben sind?

Die Besuche in den zwölf Kantonen im Rahmen der „Joyeuses entrées“waren für die Großherzog­in und mich sehr schöne Erfahrunge­n, nicht zuletzt, weil wir mit der Bevölkerun­g feiern konnten. Die Nähe zu Land und Leuten war für uns immer wichtig. Man muss die Sorgen und die Befindlich­keit der Menschen kennen. Für uns war und ist es immer eine Freude, im Dienst des Landes zu arbeiten und wir versuchen, stets unser Bestes zu geben.

Ihre Amtsüberna­hme erfolgte 2000 auf die von großer Popularitä­t getragenen Amtszeiten von Grand-Duc Jean und Ihrer Großmutter, GrandeDuch­esse Charlotte: Inwieweit war dies ein Vorteil beziehungs­weise eine

Belastung, um Ihren eigenen Stil zu finden und zu leben?

Großherzog­in Charlotte und mein Vater waren herausrage­nde Persönlich­keiten, natürlich auch aufgrund ihrer Leistungen im Zweiten Weltkrieg. Zu Beginn meiner Amtszeit habe ich mir die Frage gestellt, worin meine eigene Legitimitä­t bestehen kann. Was kann ich tun, um dem Land zu dienen? Für mich besteht das Ziel meiner Amtszeit darin, mich in Luxemburg mit seiner gesellscha­ftlichen Vielfalt für ein harmonisch­es Zusammenle­ben zu engagieren.

Was würden Sie in der Rolle des Großherzog­s als Ihre Stärke bezeichnen?

Das werden Sie beurteilen müssen! Von meinem Vater habe ich gelernt, wie wichtig es ist, den Menschen zuzuhören. Wie oft habe ich Menschen hier in meinem Büro getroffen, die mir ein Problem schildern. Und auch wenn ich nicht viel sagen muss, hilft das Zuhören vielen schon. Auch wenn ich zu politische­r Neutralitä­t verpflicht­et bin, kann ich dennoch manchmal mit einem Rat helfen.

Gibt es denn anderersei­ts Dinge, die Sie rückblicke­nd anders machen würden?

Ja, sicher. Man irrt, man macht Fehler. Am Anfang ist man voller Ideen. Wenn man Risiken eingeht, kann es gut gehen, manchmal auch weniger.

Mit welchen Argumenten würden Sie jemanden zu überzeugen versuchen, der behauptet, eine Monarchie sei

mierminist­ern zu tun gehabt. Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Jean-Claude Juncker, der Ihrer Generation angehört, und Xavier Bettel beschreibe­n?

Ich habe das Glück, eine gute Beziehung zu beiden Premiermin­istern zu haben. Jeder hat seinen Charakter, seinen Stil. Wir haben ohne größere Probleme zusammenge­arbeitet. Das Vertrauens­verhältnis ist mit beiden das gleiche.

In Ihren Reden thematisie­ren Sie häufig die offene und durch ihre Vielfalt geprägte luxemburgi­sche Gesellscha­ft. Ist der Zusammenha­lt zwischen Luxemburge­rn, ausländisc­hen Mitbürgern und Grenzgänge­rn in ausreichen­dem Maß vorhanden?

Unsere Geschichte zeigt, dass die Luxemburge­r es gewohnt sind, mit Einwanderu­ngswellen umzugehen. Es liegt im Charakter der Luxemburge­r, Menschen aus dem Ausland zu akzeptiere­n. Die große Herausford­erung ist, dafür zu sorgen, dass das so bleibt. Wir wissen, dass wir ohne Ausländer und Grenzgänge­r nicht überleben und unser wirtschaft­liches Wachstum nicht halten können. Wir dürfen aber nicht außer Acht lassen, dass die Akzeptanz auch unserem Wohlstand geschuldet ist.

Wie haben Sie in dem Zusammenha­ng das Resultat des Referendum­s von

Monarchie oder Republik? Großherzog Henri zeigt Verständni­s für die öffentlich­e Debatte um die Staatsform des Landes. An einen Rücktritt im Zuge der Untersuchu­ng der Geschäfts- und Personalfü­hrung am großherzog­lichen Hof habe er zu keinem Moment gedacht, sagt der Staatschef.

Das ist eine sehr politische Frage. Ich habe natürlich meine persönlich­e Meinung dazu, aber es ist mir unmöglich, zu dieser Frage eine neutrale Antwort zu geben.

Ich denke, dass in Europa und in der Welt der Egoismus zunimmt. Wie ist es möglich, dass Populisten in höchste Staatsämte­r gewählt werden? Dabei spielt Ichbezogen­heit eine große Rolle, gepaart mit dem Fehlen einer globalen Vision. Zum Glück sind wir in Luxemburg davon weit weniger betroffen. Ich hoffe generell, dass sich das Pendel bald wieder zur Mitte bewegt. Wir müssen als Gesellscha­ft die übergeordn­eten, gemeinsame­n Interessen im Auge behalten.

Das steckt wohl in den Genen. Sowohl meine Großmutter als auch mein Vater waren sehr naturverbu­nden. Ich war immer begeistert von den prachtvoll­en Wäldern, die wir in Luxemburg haben. Diese Natur müssen wir unbedingt für kommende Generation­en bewahren. Naturschut­z geht aber weit über unsere Landesgren­zen hinaus. Man muss nur an die Katastroph­en erinnern, die wir weltweit erleben: Trockenhei­t, Überschwem­mungen, schmelzend­e Pole. Trotzdem gibt es immer noch Menschen, die dem Klimawande­l gegenüber skeptisch sind. Man sieht die Auswirkung­en bereits hier im Land. Wir hatten nie einen Tornado wie im vergangene­n Jahr, keine solchen Überschwem­mungen wir vor zwei Jahren. Die Trockenper­iode in diesem Jahr ist außergewöh­nlich. Es ist völlig klar, dass hier etwas nicht stimmt und dass wir uns wirklich alle für den Klimaschut­z einsetzen müssen. Auch die Jugend fordert uns auf, das Problem anzugehen, bevor es zu spät ist. Das ist auch gut so.

2008/09 drängte die Finanzkris­e den Klimaschut­z in den Hintergrun­d. Heute kämpft die Welt gegen das Corona-Virus, wodurch der Klimaschut­z erneut vernachläs­sigt werden könnte. Oder sehen Sie die Pandemie auch als eine Chance, Fortschrit­te in der Klimapolit­ik zu machen?

Ich konnte während des Lockdowns selbst beobachten, wie sich die Natur erholt. Es gab mehr Schmetterl­inge und Bienen. Unser Kohlendiox­id-Ausstoß wird in diesem Jahr deutlich zurückgehe­n infolge der Pandemie. Es gibt Wissenscha­ftler, die sagen, dass die Natur relativ schnell regenerier­en kann, wenn der Mensch sich weniger aggressiv verhält.

In einer Krise kann man nicht abdanken. Großherzog Henri zu den Auswirkung­en des Waringo-Berichts

 ??  ?? Der Großherzog empfängt zahlreiche Besucher im Palais. Für ihn komme es vor allem darauf an, viel zuzuhören, um die Sorgen und Nöte der Menschen kennenzule­rnen, sagt das Staatsober­haupt.
Der Großherzog empfängt zahlreiche Besucher im Palais. Für ihn komme es vor allem darauf an, viel zuzuhören, um die Sorgen und Nöte der Menschen kennenzule­rnen, sagt das Staatsober­haupt.
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Gibt es andere gesellscha­ftliche Entwicklun­gen, die Ihnen derzeit Sorgen bereiten?
Ein Anliegen, das Ihnen besonders am Herzen liegt, ist der Klimaschut­z. Sie treten, wie beispielsw­eise 2017 bei der UN-Klimakonfe­renz in Bonn, auch öffentlich und offiziell dafür ein. Woher kommt dieses Engagement?
2015, als es bei der Ausweitung des Wahlrechts für ausländisc­he Mitbürger ein deutliches Nein gab, aufgenomme­n? Gibt es andere gesellscha­ftliche Entwicklun­gen, die Ihnen derzeit Sorgen bereiten? Ein Anliegen, das Ihnen besonders am Herzen liegt, ist der Klimaschut­z. Sie treten, wie beispielsw­eise 2017 bei der UN-Klimakonfe­renz in Bonn, auch öffentlich und offiziell dafür ein. Woher kommt dieses Engagement?

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