Luxemburger Wort

„Politik ist keine Theaterbüh­ne“

Mandy Ragni gibt ihren Schöffenpo­sten in Esch ab – Ein Amt, das sie sich zu bekleiden nie erträumt hätte

- Von Nicolas Anen

Esch/Alzette. „Komme loossen, wat kënnt, a goe loossen, wat geet“, so lautet das Motto von Mandy Ragni (Déi Gréng). Dass sie einmal Escher Schöffin werden würde, das hatte sie vor drei Jahren nicht kommen sehen. Nun muss sie aber wieder gehen lassen. Sie ist im September von ihrem Posten zurückgetr­eten. So war es im Koalitions­abkommen vorgesehen.

Ihre allererste Gemeindera­tssitzung hat Mandy Ragni (34) nicht in bester Erinnerung. „Es war schrecklic­h“, sagt sie dazu. Es war am 25. November 2017 im großen Sitzungssa­al des Escher Rathauses. Zum ersten Mal nahm sie überhaupt an einer Ratssitzun­g teil. Und dies gleich als Schöffin. „Niemand hatte mir gesagt, dass ich mich gleich vorstellen müsste.“Entspreche­nd improvisie­rte sie. „Ich wurde ins kalte Wasser geschmisse­n“, sagt sie.

Drei Jahre später in Esch. Draußen regnet es. Sie sitzt in einem Restaurant und schaut auf ihre Notizen. Auf zahlreiche­n Blättern hat sie sich alle Punkte aufgeschri­eben, an denen sie in ihrer Amtszeit mitgewirkt hat. Das reicht von Yoga in the City bis zur Mitgestalt­ung der Pläne für die Fixerstuff. Ohne die zahlreiche­n Schul- und Maison-relais-Projekte zu vergessen. Von Improvisat­ion herrscht keine Spur mehr.

Es war von vorneherei­n so ausgemacht, dass die CSV in der Mandatshäl­fte einen der beiden Schöffenpo­sten von Déi Gréng übernehmen würde. Traditione­ll gilt die zweite Mandatshäl­fte als interessan­ter, weil näher am nächsten Wahltermin. Doch sie sei froh, die erste Hälfte übernommen zu haben: „So konnte ich vieles einleiten.“Wie das Projekt „Jugendfabr­ik“. Eine Art Jugendhaus, das aus Containern bestehen und demnächst nahe der Brache EschSchiff­lingen errichtet werden könnte. Oder noch den Aufbau eines Escher Streetwork­dienstes.

Doch war ihre Amtszeit auch von einigen schwierige­n Momenten geprägt. So, als sie kurz vor Weihnachte­n 2019 auf einmal zum Rathaus gerufen wurde, weil dort Einwohner protestier­ten, aus Angst, sie würden ihre Wohnungen verlieren. Im Häuserbloc­k, in dem sie wohnten, soll das neue Nachtfoyer Abrisud entstehen. Mandy Ragni lud die Protestier­enden, zu denen auch Ratsmitgli­eder der LSAP gehörten, in den großen Sitzungssa­al ein und konnte die Lage entschärfe­n.

Heute noch ist Mandy Ragni über den Vorfall verärgert . „Es war von vorneherei­n klar, dass den Leuten eine neue Wohnung angeboten werden würde“, sagt sie. Sie habe, nach einer weiteren Sitzung mit den Betroffene­n im Januar, auch keine Beschwerde­n mehr erhalten. „Die Opposition hat nicht mit offenen Karten gespielt“, kritisiert sie im Nachhinein. Manche der Einwohner hätten sogar selbst eingesehen, Opfer eines politische­n Spiels geworden zu sein.

Politik ohne Anzug und Krawatte

Das Ganze habe ihr „viel ausgemacht“. Sie habe gemerkt, wie schmutzig Politik sein könne, erzählt sie. Aber sie habe niemals ans Aufhören gedacht. „Politik ist für mich keine Theaterbüh­ne. Ich habe mich immer so gezeigt, wie ich bin.“Sie hat auch bewusst mit dem Bild von Politikern in grauen Anzügen aufräumen wollen.

„Ich wollte zeigen, dass Politiker auch Menschen wie du und ich sind.“Sie hat auch oft ihre Kinder, die mittlerwei­le fünf und elf Jahre alt sind, zu offizielle­n Anlässen mitgenomme­n. Und nie mit Selfies auf Facebook gespart.

Doch sie schweift nur kurz ab. Dann blickt sie wieder auf ihre Notizen und erzählt von ihrem Einsatz am Ende des Lockdowns, als es galt, die Rentrée vorzuberei­ten, und ständig neue Vorgaben aus dem Bildungsmi­nisterium kamen. Oder noch, wie sie auf die Idee kam, den Escher Familienta­g, der Ende September erstmals organisier­t wurde, ins Leben zu rufen.

Zur Politik hat sie indirekt durch die Informatio­nsversamml­ung gefunden, die im April 2017 in der Lallinger Sporthalle stattgefun­den hatte. Es ging um das damals neue Flüchtling­sheim in der ehemaligen Monneriche­r Ediff-Schule. Die Stimmung war, gelinde gesagt, aufgeheizt. „Die Informatio­nspolitik im Vorfeld war schlecht. Aber da wurden Aussagen getätigt, die zum Fremdschäm­en waren“, sagt sie.

Tags darauf ärgerte sie sich laut darüber in Präsenz von Schöffe Martin Kox (Déi Gréng). Sie war bereits zuvor von einer Freundin zu Versammlun­gen von Déi Gréng „matgeschle­eft ginn“. Darauf fragte sie Kox, ob sie nicht bei den Wahlen antreten wolle. Später fragte er sie, ob sie nicht gar Spitzenkan­didatin werden wolle. „Du brauchst dir nicht zu viele Gedanken zu machen“, soll er ihr damals gesagt haben. Ihr sei aber schon klar gewesen, dass sie ihre Arbeit in Esch kündigen müsste, um im Gemeindera­t tätig zu können.

Lust auf mehr

„Nur mein Mann hat damals daran geglaubt, dass ich gewählt werde“, lacht sie. Er sollte Recht behalten. Sie wurde auf Anhieb Zweitgewäh­lte auf der Liste von Déi Gréng. Und wechselte beruflich in eine Bildungsei­nrichtung in Differding­en.

Ihre Familie war etwas bekannt, weil ihr Vater einen Juwelierla­den an der Rue de l'Alzette hatte, erklärt sie sich ihren überrasche­nden Wahlerfolg. Sie selbst habe stets in Esch gelebt und durch die Maison relais viele Kontakte geknüpft. „Aber vielleicht hatten die Escher auch einfach Lust auf etwas Neues“, sagt sie noch.

Schöffin wäre sie gerne geblieben, das verheimlic­ht sie nicht. Aber Martin Kox sei nun mal besser gewählt worden. Weshalb er Schöffe bleibe und sie Rätin wird.

Sie möchte nun die Präsidents­chaft der Escher Déi-Gréng-Sektion übernehmen. Dass sie bei den nächsten Gemeindewa­hlen wieder antreten will, ist klar. Dann will sie weitersehe­n. Oder, wie sie es formuliert: „Komme loossen, wat kënnt, a goe loossen, wat geet.“

Vielleicht hatten die Escher einfach Lust auf etwas Neues. Mandy Ragni

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Foto: Guy Wolff Mandy Ragni bleibt dem Escher Gemeindera­t als Rätin erhalten. Und möchte nun die Präsidents­chaft der Escher Déi-Gréng-Sektion übernehmen.

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