„Politik ist keine Theaterbühne“
Mandy Ragni gibt ihren Schöffenposten in Esch ab – Ein Amt, das sie sich zu bekleiden nie erträumt hätte
Esch/Alzette. „Komme loossen, wat kënnt, a goe loossen, wat geet“, so lautet das Motto von Mandy Ragni (Déi Gréng). Dass sie einmal Escher Schöffin werden würde, das hatte sie vor drei Jahren nicht kommen sehen. Nun muss sie aber wieder gehen lassen. Sie ist im September von ihrem Posten zurückgetreten. So war es im Koalitionsabkommen vorgesehen.
Ihre allererste Gemeinderatssitzung hat Mandy Ragni (34) nicht in bester Erinnerung. „Es war schrecklich“, sagt sie dazu. Es war am 25. November 2017 im großen Sitzungssaal des Escher Rathauses. Zum ersten Mal nahm sie überhaupt an einer Ratssitzung teil. Und dies gleich als Schöffin. „Niemand hatte mir gesagt, dass ich mich gleich vorstellen müsste.“Entsprechend improvisierte sie. „Ich wurde ins kalte Wasser geschmissen“, sagt sie.
Drei Jahre später in Esch. Draußen regnet es. Sie sitzt in einem Restaurant und schaut auf ihre Notizen. Auf zahlreichen Blättern hat sie sich alle Punkte aufgeschrieben, an denen sie in ihrer Amtszeit mitgewirkt hat. Das reicht von Yoga in the City bis zur Mitgestaltung der Pläne für die Fixerstuff. Ohne die zahlreichen Schul- und Maison-relais-Projekte zu vergessen. Von Improvisation herrscht keine Spur mehr.
Es war von vorneherein so ausgemacht, dass die CSV in der Mandatshälfte einen der beiden Schöffenposten von Déi Gréng übernehmen würde. Traditionell gilt die zweite Mandatshälfte als interessanter, weil näher am nächsten Wahltermin. Doch sie sei froh, die erste Hälfte übernommen zu haben: „So konnte ich vieles einleiten.“Wie das Projekt „Jugendfabrik“. Eine Art Jugendhaus, das aus Containern bestehen und demnächst nahe der Brache EschSchifflingen errichtet werden könnte. Oder noch den Aufbau eines Escher Streetworkdienstes.
Doch war ihre Amtszeit auch von einigen schwierigen Momenten geprägt. So, als sie kurz vor Weihnachten 2019 auf einmal zum Rathaus gerufen wurde, weil dort Einwohner protestierten, aus Angst, sie würden ihre Wohnungen verlieren. Im Häuserblock, in dem sie wohnten, soll das neue Nachtfoyer Abrisud entstehen. Mandy Ragni lud die Protestierenden, zu denen auch Ratsmitglieder der LSAP gehörten, in den großen Sitzungssaal ein und konnte die Lage entschärfen.
Heute noch ist Mandy Ragni über den Vorfall verärgert . „Es war von vorneherein klar, dass den Leuten eine neue Wohnung angeboten werden würde“, sagt sie. Sie habe, nach einer weiteren Sitzung mit den Betroffenen im Januar, auch keine Beschwerden mehr erhalten. „Die Opposition hat nicht mit offenen Karten gespielt“, kritisiert sie im Nachhinein. Manche der Einwohner hätten sogar selbst eingesehen, Opfer eines politischen Spiels geworden zu sein.
Politik ohne Anzug und Krawatte
Das Ganze habe ihr „viel ausgemacht“. Sie habe gemerkt, wie schmutzig Politik sein könne, erzählt sie. Aber sie habe niemals ans Aufhören gedacht. „Politik ist für mich keine Theaterbühne. Ich habe mich immer so gezeigt, wie ich bin.“Sie hat auch bewusst mit dem Bild von Politikern in grauen Anzügen aufräumen wollen.
„Ich wollte zeigen, dass Politiker auch Menschen wie du und ich sind.“Sie hat auch oft ihre Kinder, die mittlerweile fünf und elf Jahre alt sind, zu offiziellen Anlässen mitgenommen. Und nie mit Selfies auf Facebook gespart.
Doch sie schweift nur kurz ab. Dann blickt sie wieder auf ihre Notizen und erzählt von ihrem Einsatz am Ende des Lockdowns, als es galt, die Rentrée vorzubereiten, und ständig neue Vorgaben aus dem Bildungsministerium kamen. Oder noch, wie sie auf die Idee kam, den Escher Familientag, der Ende September erstmals organisiert wurde, ins Leben zu rufen.
Zur Politik hat sie indirekt durch die Informationsversammlung gefunden, die im April 2017 in der Lallinger Sporthalle stattgefunden hatte. Es ging um das damals neue Flüchtlingsheim in der ehemaligen Monnericher Ediff-Schule. Die Stimmung war, gelinde gesagt, aufgeheizt. „Die Informationspolitik im Vorfeld war schlecht. Aber da wurden Aussagen getätigt, die zum Fremdschämen waren“, sagt sie.
Tags darauf ärgerte sie sich laut darüber in Präsenz von Schöffe Martin Kox (Déi Gréng). Sie war bereits zuvor von einer Freundin zu Versammlungen von Déi Gréng „matgeschleeft ginn“. Darauf fragte sie Kox, ob sie nicht bei den Wahlen antreten wolle. Später fragte er sie, ob sie nicht gar Spitzenkandidatin werden wolle. „Du brauchst dir nicht zu viele Gedanken zu machen“, soll er ihr damals gesagt haben. Ihr sei aber schon klar gewesen, dass sie ihre Arbeit in Esch kündigen müsste, um im Gemeinderat tätig zu können.
Lust auf mehr
„Nur mein Mann hat damals daran geglaubt, dass ich gewählt werde“, lacht sie. Er sollte Recht behalten. Sie wurde auf Anhieb Zweitgewählte auf der Liste von Déi Gréng. Und wechselte beruflich in eine Bildungseinrichtung in Differdingen.
Ihre Familie war etwas bekannt, weil ihr Vater einen Juwelierladen an der Rue de l'Alzette hatte, erklärt sie sich ihren überraschenden Wahlerfolg. Sie selbst habe stets in Esch gelebt und durch die Maison relais viele Kontakte geknüpft. „Aber vielleicht hatten die Escher auch einfach Lust auf etwas Neues“, sagt sie noch.
Schöffin wäre sie gerne geblieben, das verheimlicht sie nicht. Aber Martin Kox sei nun mal besser gewählt worden. Weshalb er Schöffe bleibe und sie Rätin wird.
Sie möchte nun die Präsidentschaft der Escher Déi-Gréng-Sektion übernehmen. Dass sie bei den nächsten Gemeindewahlen wieder antreten will, ist klar. Dann will sie weitersehen. Oder, wie sie es formuliert: „Komme loossen, wat kënnt, a goe loossen, wat geet.“
Vielleicht hatten die Escher einfach Lust auf etwas Neues. Mandy Ragni