Griechische Machtspiele
Fußball-Rekordmeister Jeunesse und die Entlassung von Trainer Marcus Weiss
Eiskalt abserviert vom griechischen Investor: So erging es Marcus Weiss bei Jeunesse. Der 33-jährige Deutsche hatte den Trainerposten beim Rekordmeister erst zu Saisonbeginn übernommen. Sein Start war mit elf Punkten aus sieben Spielen ordentlich. Und dies mit einer rund erneuerten Mannschaft, zu der erst auf den letzten Drücker sieben Neuzugänge stießen.
Doch Präsident Manthos Poulinakis stand Weiss von Anfang an skeptisch gegenüber. Der Deutsche war noch von Jean Cazzaro eingestellt worden. Als der langjährige Präsident im Juli seinen Posten für den Griechen Poulinakis räumte, tat er dies unter der Bedingung, dass Weiss Trainer bleiben dürfe.
Von diesem Zeitpunkt an lief die Zeit des Deutschen dennoch ab. Bereits nach dem 1:1 bei Etzella am fünften Spieltag wollte sich Poulinakis von ihm trennen. Er stieß bei diesem Vorhaben allerdings auf Widerstand im Verwaltungsrat des Rekordmeisters.
Nach dem 1:2 in Rodange am Sonntag setzte er seinen Plan dann in die Tat um. Seine Befehle werden von CEO Panagiotis Katsaitis ausgeführt. Der Präsident ist nämlich sehr selten vor Ort. Selbst nach seiner Amtsübernahme verzichtete er darauf, der Presse seine Pläne persönlich vorzustellen. Er überließ Katsaitis die Erklärungen.
Über die Leistungen von Jeunesse hält er sich auf dem Laufenden, indem er sich Videomaterial der Spiele zukommen lässt. Doch ob der ein oder andere Fehlpass nun zur Entlassung von Weiss geführt hat, muss bezweifelt werden. Poulinakis will einen Trainer, den er ausgewählt hat. Letztlich geht es um
Macht. Um Macht ging es auch, als Katsaitis Weiss am Montag gegen alle Widerstände entließ. Einige Verwaltungsratsmitglieder versuchten erneut, Weiss zu retten, doch dieses Mal war es ein hoffnungsloses Unterfangen.
Quartett tritt aus Solidarität zurück
Aus Solidarität zu Weiss beschlossen Co-Trainer Dariusz Brzyski und Torwarttrainer Christoph Schesniak den Verein zu verlassen. Auch Physiotherapeut Gianni Sagrafrena verließ nach der Verkündung der Entscheidung das Vereinsgelände und wird nicht mehr zurückkehren. Er hatte Weiss versprochen, im Falle einer Entlassung das Handtuch zu werfen. Er hielt sein Wort.
Auch ein Entscheidungsträger geht: Sportdirektor Petz Biergen stellte sein Amt zur Verfügung. „Mir blieb keine andere Möglichkeit. Es wurde gegen den Trainer gearbeitet. Man wird mich unter der aktuellen Führung nicht mehr auf der Grenz sehen“, so seine klaren Worte.
„Nicht nur ich hatte am Montagabend feuchte Augen“, betont Weiss. Mit ihm verlieren viele junge Spieler wie Torhüter Lucas Fox oder Gary Bernard den Trainer, der sie gefördert und ihnen eine Chance gegeben hat.
Für den Coach kam die Entlassung allerdings nicht überraschend. „Als der neue Vorstand kam, hatte ich das gleiche Gefühl, als wenn man einen schönen Urlaub erlebt hat und er sich dem Ende zuneigt.“Am Sonntag lieferte Jeunesse bei der 1:2-Niederlage in Rodange zwar eine enttäuschende Leistung, doch Weiss weist auf
Starker Mann bei Manthos Poulinakis.
die Voraussetzungen hin. „Wir traten stark ersatzgeschwächt an. Deshalb musste beispielsweise Clayton de Sousa, der eigentlich Außenverteidiger ist und in dieser Saison immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen hatte, in der Offensive auflaufen.“
Weiss und die Leere
Wenn er über die Mannschaft spricht, dann hat man das Gefühl, dass Weiss noch immer ihr Trainer ist. Doch er ist es nicht mehr. „Ich fühle eine gewisse Leere. Ich muss nun erst einmal alles verarbeiten. Ich muss mir allerdings nichts vorwerfen, ich bin meiner Linie treu geblieben und habe mir nicht reinreden lassen“, betont er.
Auf seinen Nachfolger wartet eine Herkulesaufgabe: die Mannschaft hinter sich zu bringen und den sehr hohen Ansprüchen aus Griechenland gerecht zu werden.
Auf Jeunesse warten weiterhin unruhige Zeiten. Einige Verwaltungsratsmitglieder sehen von einem Rücktritt ab, da sie nicht zwingend von einem langfristigen Verbleib des griechischen Investors ausgehen. Sie wollen da sein, wenn sie wieder stärker gebraucht werden …
Man wird mich unter der aktuellen Führung nicht mehr auf der Grenz sehen. Sportdirektor Petz Biergen nach seinem Rücktritt
Die ersten 50 Kommentare, die am Montagabend auf der Facebookseite von Jeunesse unter der Entlassung von Marcus Weiss veröffentlicht wurden, waren von einem abgesehen alle negativ. Der Rekordmeister hat seine Anhänger vor den Kopf gestoßen. Die Entscheidung des griechischen Investors riskiert langfristige Folgen zu haben. Die Fans werden sich in Zukunft zwei Mal überlegen, ob sie sich eine Begegnung des Rekordmeisters vor Ort anschauen wollen. Von der unter Weiss im Sommer erzeugten Aufbruchstimmung ist keine Spur mehr. Die Stimmung bei Jeunesse ähnelt dem derzeitigen Wetter. Es wird ein stürmischer Herbst beim Traditionsverein.