Blaupause für den Euro
Heute vor 50 Jahren wurde der Werner-Plan vorgestellt
Als Yves Mersch, damals Präsident der Banque centrale du Luxembourg, 2002 die ersten EuroBanknoten in der Hand hielt, ging er damit sofort zum früheren Premierminister Pierre Werner. Der 88-jährige Werner war seit einem schweren Schlaganfall kaum noch in der Lage, sich mitzuteilen. „Aber als er den Fünfhundert-EuroSchein sah, den ich ihm zeigte, ergriff er meine Hand und drückte sie. Er hatte Tränen in den Augen. Für mich war das ein Beweis dafür, dass er immer noch verstand, was geschah, und ich war froh, dass er noch miterleben konnte, dass physische Euro-Banknoten ausgegeben wurden“, erinnert sich Mersch. Wenige Monate, nachdem eines der zentralen Projekte seines Lebens doch noch verwirklicht wurde, verstarb Pierre Werner am 24. Juni 2002.
Bereits im November 1961 hatte der Luxemburger Politiker zum ersten Mal die Einführung eines gemeinsamen europäischen Buchgeldes gefordert, das er „Euror“nennen wollte. Danach blieb eine gemeinsame Währungspolitik als ein Pfeiler der europäischen Integration eines der zentralen Themen für Werner, wie er immer wieder in Vorträgen und Gastbeiträgen betonte.
Ende der 1960er-Jahre wurde zunehmend deutlich, dass das bestehende Bretton-Woods-System mit seinen starren Wechselkursen nicht mehr die ökonomischen Realität abbildete. Auf der einen Seite stand ein überbewerteter Franc, auf der anderen eine unterbewertete Deutsche Mark. Darüber hinaus hingen Europas Währungen in erster Linie von der Entwicklung des US-Dollars ab.
Daher beschlossen die Regierungschefs der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, des Vorläufers der Europäischen Union, einen Plan auszuarbeiten, um eine Wirtschafts- und Währungsunion zu errichten.
Ziel einer Wirtschaftsund Währungsunion
Dazu wurde ein Sachverständigenausschuss unter der Leitung von Pierre Werner gebildet, der im März 1970 seine Arbeit aufnahm. Dass Werner, der zu diesem Zeitpunkt bereits seit zehn Jahren an der Spitze der Luxemburger Regierung stand, als der Vorsitzende des Ausschusses bestimmt wurde, lag nicht nur an seinem Engagement für eine stärkere Kooperation
in Währungsfragen, sondern auch an seiner Persönlichkeit. „Ich habe Pierre Werner als einen Menschen mit einer großen Vision wahrgenommen, der gleichzeitig unprätentiös auftrat. Er konnte selbst zurückstehen, um das große Ganze voranzubringen“, erklärt Yves Mersch. „Er verlor nie den Blick auf die mittlere und lange Frist. Und er hatte den Ruf, gut darin zu sein, Kompromisse zu finden. Das machte ihn zu einem exzellenten Vorsitzenden der Arbeitsgruppe.“Darüber hinaus war es nicht unwichtig, dass er als Vertreter des damals kleinsten Mitgliedsstaates glaubhaft die Rolle des „ehrlichen Maklers“zwischen den Interessen der größeren Länder spielen konnte.
So standen sich in der Frage, wie eine Wirtschafts- und Währungsunion am besten umzusetzen sei, die Ökonomisten mit Deutschland, den Niederlanden und Italien auf der einen Seite und die Monetaristen mit Frankreich und Belgien auf der anderen Seite gegenüber. „Die sogenannten Monetaristen wollten zunächst die Wechselkurse zwischen den Währungen der Mitgliedstaaten verbindlich und dauerhaft festlegen. Sie versuchten, so lange wie möglich zu vermeiden, dass einzelstaatliche Kompetenzen eingeschränkt wurden, auch wenn das bedeutete, Stabilitätsverluste hinzunehmen“, erklärt Yves Mersch. „Die sogenannten Ökonomisten hingegen, wollten damit beginnen, die Wirtschafts- und Finanzpolitik verbindlich zu koordinieren und erst dann Wechselkursparität unwiderruflich festschreiben. Ihre Sorge war, einzelne Mitgliedstaaten könnten Wachstum über Inflation
finanzieren und so die Geldwertstabilität der gesamten Gemeinschaft gefährden, wenn nicht zunächst Wirtschafts- und Finanzpolitik konvergierten.“
Nach elf Plenarsitzungen und mehreren Treffen fand die Werner Gruppe in der Nacht vom 7. auf den 8. Oktober 1970 schließlich einen Kompromiss zwischen den beiden Lagern. Wie so oft in internationalen Beziehungen, versuchte man, die beiden entgegengesetzten Positionen zu vereinen, indem man sich zunächst auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigte und darauf, die übrigen Themen später anzugehen, so Mersch.
„Der Werner-Bericht ist ein Stufenplan. Die erste Stufe hin zur Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) sah lediglich vor, Wirtschaftsund Finanz- und Geldpolitik lose zu koordinieren. Die zweite und dritte Stufe wurden nur generell umrissen, ohne konkreten Zeitplan“, sagt Yves Mersch.
Pierre Werner konnte selbst zurückstehen, um das große Ganze voranzubringen. Yves Mersch
Gemischtes Echo auf die Veröffentlichung des Berichts
Dennoch erwarteten die Autoren des Reports, dass innerhalb von zehn Jahren, also bis etwa 1980, das finale Ziel ihrer Vision von der Wirtschafts- und Währungsunion erreicht werde, erklärt Loukas Tsoukalis von der Paris School of International Affairs. „Der Plan sah unwiderrufliche fixe Wechselkurse und vorzugsweise, aber nicht zwangsläufig, eine gemeinsame Währung, sowie einen freien Kapitalverkehr vor“, sagt Tsoukalis. „Die Komitee machte darüber hinaus von Anfang an deutlich, dass eine Wirtschafts- und Währungsunion für die Mitgliedsländer auch einen Transfer von Souveränität