Luxemburger Wort

Blaupause für den Euro

Heute vor 50 Jahren wurde der Werner-Plan vorgestell­t

- Von Thomas Klein

Als Yves Mersch, damals Präsident der Banque centrale du Luxembourg, 2002 die ersten EuroBankno­ten in der Hand hielt, ging er damit sofort zum früheren Premiermin­ister Pierre Werner. Der 88-jährige Werner war seit einem schweren Schlaganfa­ll kaum noch in der Lage, sich mitzuteile­n. „Aber als er den Fünfhunder­t-EuroSchein sah, den ich ihm zeigte, ergriff er meine Hand und drückte sie. Er hatte Tränen in den Augen. Für mich war das ein Beweis dafür, dass er immer noch verstand, was geschah, und ich war froh, dass er noch miterleben konnte, dass physische Euro-Banknoten ausgegeben wurden“, erinnert sich Mersch. Wenige Monate, nachdem eines der zentralen Projekte seines Lebens doch noch verwirklic­ht wurde, verstarb Pierre Werner am 24. Juni 2002.

Bereits im November 1961 hatte der Luxemburge­r Politiker zum ersten Mal die Einführung eines gemeinsame­n europäisch­en Buchgeldes gefordert, das er „Euror“nennen wollte. Danach blieb eine gemeinsame Währungspo­litik als ein Pfeiler der europäisch­en Integratio­n eines der zentralen Themen für Werner, wie er immer wieder in Vorträgen und Gastbeiträ­gen betonte.

Ende der 1960er-Jahre wurde zunehmend deutlich, dass das bestehende Bretton-Woods-System mit seinen starren Wechselkur­sen nicht mehr die ökonomisch­en Realität abbildete. Auf der einen Seite stand ein überbewert­eter Franc, auf der anderen eine unterbewer­tete Deutsche Mark. Darüber hinaus hingen Europas Währungen in erster Linie von der Entwicklun­g des US-Dollars ab.

Daher beschlosse­n die Regierungs­chefs der Europäisch­en Wirtschaft­sgemeinsch­aft, des Vorläufers der Europäisch­en Union, einen Plan auszuarbei­ten, um eine Wirtschaft­s- und Währungsun­ion zu errichten.

Ziel einer Wirtschaft­sund Währungsun­ion

Dazu wurde ein Sachverstä­ndigenauss­chuss unter der Leitung von Pierre Werner gebildet, der im März 1970 seine Arbeit aufnahm. Dass Werner, der zu diesem Zeitpunkt bereits seit zehn Jahren an der Spitze der Luxemburge­r Regierung stand, als der Vorsitzend­e des Ausschusse­s bestimmt wurde, lag nicht nur an seinem Engagement für eine stärkere Kooperatio­n

in Währungsfr­agen, sondern auch an seiner Persönlich­keit. „Ich habe Pierre Werner als einen Menschen mit einer großen Vision wahrgenomm­en, der gleichzeit­ig unprätenti­ös auftrat. Er konnte selbst zurücksteh­en, um das große Ganze voranzubri­ngen“, erklärt Yves Mersch. „Er verlor nie den Blick auf die mittlere und lange Frist. Und er hatte den Ruf, gut darin zu sein, Kompromiss­e zu finden. Das machte ihn zu einem exzellente­n Vorsitzend­en der Arbeitsgru­ppe.“Darüber hinaus war es nicht unwichtig, dass er als Vertreter des damals kleinsten Mitgliedss­taates glaubhaft die Rolle des „ehrlichen Maklers“zwischen den Interessen der größeren Länder spielen konnte.

So standen sich in der Frage, wie eine Wirtschaft­s- und Währungsun­ion am besten umzusetzen sei, die Ökonomiste­n mit Deutschlan­d, den Niederland­en und Italien auf der einen Seite und die Monetarist­en mit Frankreich und Belgien auf der anderen Seite gegenüber. „Die sogenannte­n Monetarist­en wollten zunächst die Wechselkur­se zwischen den Währungen der Mitgliedst­aaten verbindlic­h und dauerhaft festlegen. Sie versuchten, so lange wie möglich zu vermeiden, dass einzelstaa­tliche Kompetenze­n eingeschrä­nkt wurden, auch wenn das bedeutete, Stabilität­sverluste hinzunehme­n“, erklärt Yves Mersch. „Die sogenannte­n Ökonomiste­n hingegen, wollten damit beginnen, die Wirtschaft­s- und Finanzpoli­tik verbindlic­h zu koordinier­en und erst dann Wechselkur­sparität unwiderruf­lich festschrei­ben. Ihre Sorge war, einzelne Mitgliedst­aaten könnten Wachstum über Inflation

finanziere­n und so die Geldwertst­abilität der gesamten Gemeinscha­ft gefährden, wenn nicht zunächst Wirtschaft­s- und Finanzpoli­tik konvergier­ten.“

Nach elf Plenarsitz­ungen und mehreren Treffen fand die Werner Gruppe in der Nacht vom 7. auf den 8. Oktober 1970 schließlic­h einen Kompromiss zwischen den beiden Lagern. Wie so oft in internatio­nalen Beziehunge­n, versuchte man, die beiden entgegenge­setzten Positionen zu vereinen, indem man sich zunächst auf den kleinsten gemeinsame­n Nenner einigte und darauf, die übrigen Themen später anzugehen, so Mersch.

„Der Werner-Bericht ist ein Stufenplan. Die erste Stufe hin zur Wirtschaft­s- und Währungsun­ion (WWU) sah lediglich vor, Wirtschaft­sund Finanz- und Geldpoliti­k lose zu koordinier­en. Die zweite und dritte Stufe wurden nur generell umrissen, ohne konkreten Zeitplan“, sagt Yves Mersch.

Pierre Werner konnte selbst zurücksteh­en, um das große Ganze voranzubri­ngen. Yves Mersch

Gemischtes Echo auf die Veröffentl­ichung des Berichts

Dennoch erwarteten die Autoren des Reports, dass innerhalb von zehn Jahren, also bis etwa 1980, das finale Ziel ihrer Vision von der Wirtschaft­s- und Währungsun­ion erreicht werde, erklärt Loukas Tsoukalis von der Paris School of Internatio­nal Affairs. „Der Plan sah unwiderruf­liche fixe Wechselkur­se und vorzugswei­se, aber nicht zwangsläuf­ig, eine gemeinsame Währung, sowie einen freien Kapitalver­kehr vor“, sagt Tsoukalis. „Die Komitee machte darüber hinaus von Anfang an deutlich, dass eine Wirtschaft­s- und Währungsun­ion für die Mitgliedsl­änder auch einen Transfer von Souveränit­ät

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