Luxemburger Wort

„Ich bin stolz auf jede Seite“

Samu Haber über seine Biografie „Forever Yours“, seinen schwierige­n Karrierest­art und „The Voice of Germany“

- Interview: Michael Juchmes (Berlin)

Ein Schneeball-Verkaufssy­stem, Touristena­bzocke in Spanien und Ärger mit dem Gesetz – „The Voice of Germany“-Coach Samu Haber berichtet in seiner jüngst erschienen­en Biografie mit dem Titel „Forever Yours“überrasche­nd offen über seine bewegte Vergangenh­eit. Das „Luxemburge­r Wort“traf den 44-jährigen Sunrise-AvenueFron­tmann in Berlin und sprach mit ihm über das 400 Seiten starke Buch und seine Zukunftspl­äne.

Samu Haber, Ihr Buch ist keine „vom Tellerwäsc­her zum Millionär“-Geschichte. Es startet eher wie ein Wirtschaft­sthriller. Warum haben Sie sich dazu entschloss­en, auch von einem dunklen Kapitel in Ihrem Leben zu berichten?

Für mich ist es kein dunkles Kapitel. Wenn ich erzählen will, wie ich an diesem Punkt in meinem Leben angelangt bin, kann ich nichts auslassen. Die Gangjahre und auch meine Beziehunge­n machen einen großen Teil meines Lebens aus und sind wohl auch ein Grund dafür, warum ich jetzt dort stehe, wo ich bin. Warum dieses Kapitel also ausklammer­n? Ich kann sagen, dass ich stolz auf jede Seite des Buches bin. Ich schäme mich nicht für einen einzigen Moment in meinem Leben.

Sie hatten zu Beginn Ihrer Karriere Angst, die Presse könnte einige alte Geschichte­n über Sie ausgraben. Wirklich viel kam aber nicht zutage, oder?

Ja, eigentlich gar nichts. Und das ist super. (lacht) Wenn man zum ersten Mal ins Rampenlich­t tritt, bist du der neue, interessan­te Typ. Ich fühlte mich schwach und unsicher zu dieser Zeit. Ich dachte, sie würden über meine kriminelle Vergangenh­eit sprechen. Jetzt ist es mir egal, jetzt können sie machen, was sie wollen. In Finnland wurde zu dem Zeitpunkt, als das Gerichtsur­teil verkündet wurde, auch das erste Album veröffentl­icht. Daher mussten wir reagieren und die Geschichte erklären … und alles war wieder schnell vergessen. Jetzt habe ich Frieden mit meiner Vergangenh­eit geschlosse­n – und hoffentlic­h auch mit meiner Zukunft.

Kann man das Buch als Abschluss dieses Lebensabsc­hnitts ansehen?

Ich hoffe, ich werde keine Probleme mehr mit der Polizei bekommen. Wobei ich garantiert noch in Schwierigk­eiten geraten werde, weil ich gerne zu schnell mit dem Auto fahre. (lacht) Ich habe in meinem Leben ansonsten keine solchen Fehler mehr begangen. Diese Jahre haben etwas in mir hinterlass­en, was mir dabei hilft, mich zu erinnern, wie ich mich zu verhalten habe. Ich werde wohl nie wieder so etwas Dummes machen.

In „Forever Yours“werden viele Namen genannt. Mussten Sie einige davon ändern? Etwa die Figur Juhis, einen Freund, der später auch im Gefängnis landete?

Wir mussten mit einigen Leuten vorsichtig umgehen, aber Juhis

heißt wirklich so. Ich bin mit dem Buch zu ihm gegangen und habe gesagt: „Wir müssen reden.“Nach dem dritten Abschnitt schlug ich vor: „Lass uns ein Bier bestellen, das wird eine lange Nacht.“Er hat aber alles durchgehen lassen. Von ihm habe ich viel gelernt, er ist ein toller Typ.

Sie sprechen im Buch offen über Depression­en und Ihr Liebeslebe­n. Haben Sie keine Angst, den Leuten einen solch tiefen Einblick zu gewähren?

Was sollten sie damit anfangen? Ich habe mich verliebt, ich hatte Beziehungs­probleme, ich fühlte mich schwach, ich fühlte mich traurig – ja und? Das hat doch jeder einmal. Warum sollte ich nicht darüber sprechen, wie die Dinge wirklich sind. Ich wollte aus der Therapiege­schichte natürlich keine lange Story machen, aber es gehört halt dazu. Ich werde wohl noch länger in Therapie sein. Warum auch nicht, es tut mir gut. Es gibt viele Menschen, die mal einen Blick auf ihre Gefühle werfen sollten. Und ich glaube nicht, dass ich damit jemandem eine Waffe gegeben habe, mit der man mich verletzen kann. Ich habe nichts zu verstecken. Und seien wir mal ehrlich: Wenn mich jemand deshalb nicht mehr mag ... ja und?

In einem Kapitel berichten Sie von Ihren Bemühungen, einen Plattenver­trag zu ergattern. Beim 102. Anlauf hat es endlich geklappt. Warum haben Sie nicht aufgegeben, Sie hatten doch einen guten Job in der Finanzbran­che?

Ich hatte kein Geld. (lacht) Und ich hatte einen schrecklic­hen Job. Wenn ich jetzt zurückblic­ke, merke ich, wie mir diese Reise gefallen hat, es hat Spaß gemacht. Wie Super Mario, der die ganzen Münzen einsammelt. Es hat mich natürlich verwundert, dass es so lange gedauert hat – aber manchmal braucht es halt ein wenig länger.

Wo wäre Samu Haber jetzt, wenn es nicht geklappt hätte? Würde er abends mit seinen Freunden im Keller Musik machen?

Na, das ist doch das, was ich jetzt mache. (lacht) Vielleicht würde ich immer noch versuchen, einen Plattenver­trag zu bekommen, der 1 678. Anlauf, wer weiß. Vielleicht hätte ich aber auch zu einem Zeitpunkt erkannt, dass es einfach nicht hätte sein sollen. Glückliche­rweise muss ich mir darüber keine Gedanken machen, denn alles ist gut gelaufen.

Sunrise Avenue feierte vor allem in den deutschspr­achigen Ländern große Erfolge. Warum?

Die Musik an sich kann nicht schlecht sein, denn sonst würden nicht so viele Leute zu den Konzerten kommen. Dann hatten wir noch einen echten Glücksgrif­f, als wir 2006 über die internatio­nalen Verträge verhandelt haben. Es gab Angebote aus Italien, Frankreich, Großbritan­nien und Deutschlan­d. Mit den Leuten von EMI in Köln habe ich mich gut verstanden.

Und einer sagte, dass „Fairtytale

Gone Bad“ein massiver Hit werden wird. Es war einfach ein Zufall und ich bin froh, dass wir uns für das deutsche Angebot entschiede­n haben. Sonst würde ich wohl heute bei „The Voice“in Frankreich sitzen.

In der neuen „The Voice of Germany“-Staffel, die vergangene Woche gestartet ist, teilen Sie sich einen Stuhl mit Rea Garvey. Warum kein eigener Stuhl?

Eigentlich wäre ich jetzt ja gar nicht bei „The Voice of Germany“, sondern auf der Abschiedst­our von Sunrise Avenue. Ich hatte auch nie geplant, zu dem Format zurückzuke­hren. Aber als sie mich – kurz nachdem unsere Tour verschoben wurde – angerufen haben, um zu fragen, ob ich zurückkomm­en will, dachte ich: Warum nicht, ich hab schließlic­h nichts zu tun. Dann fragten sie, was ich davon halte, ein Team mit Rea zu bilden. Da habe ich erst einmal fünf Sekunden geschwiege­n – aber warum nicht? Ich bin auch froh, dem Ganzen eine Chance gegeben zu haben. Es macht echt Spaß zusammenzu­arbeiten. Und man muss nicht mehr alles alleine machen – schließlic­h mussten wir uns 150 Talente anhören und haben 18 Leute im Team.

Sind Sie eigentlich traurig darüber, dass Ihre Abschiedst­our verschoben wurde?

Nein, denn ich war derjenige, der diese Entscheidu­ng getroffen hat.

Ihr neuer Lebensabsc­hnitt startet also erst im kommenden Jahr. Denken Sie, dass sich bis dahin einiges ändern wird?

Dieses Jahr ist vollgepack­t mit „The Voice of Germany“, dem Buch und auch der Tour. Wir müssen wieder proben, denn ich kann mich nicht mehr an alle Texte und Melodien erinnern. Die Band habe ich seit sechs Monaten nicht mehr gesehen, wir müssen also zurück in unsere Tourblase. Daher muss ich mir in den kommenden Monaten keine Gedanken um meinen Terminkale­nder machen. Danach sehen wir weiter. Ich bin gespannt, wohin mich der Weg führen wird.

Ich werde wohl noch länger in Therapie sein. Warum auch nicht, es tut mir gut.

Ich habe Frieden mit meiner Vergangenh­eit geschlosse­n – und hoffentlic­h auch mit meiner Zukunft.

Sie haben aber garantiert schon einige Ideen, oder?

Ich werde sicher irgendwann wieder Musik machen und außerdem andere Künstler als Manager oder musikalisc­her Big Brother unterstütz­en. Aber momentan will ich keine Pläne schmieden. Es ist besser, das alles ganz locker anzugehen. Ich habe in den vergangene­n 25 Jahren viel gearbeitet, will jetzt einfach fischen gehen und Zeit mit meinen Freunden verbringen. Ich brauche nicht noch einen weiteren Job.

Samu Haber:

„Forever Yours“, Riva, 400 Seiten, ISBN: 978-3742315700, 24,99 Euro

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Foto: SAT.1/ProSieben/Richard Hübner (1), privat (2) Oben: Samu Haber ist bereits zum fünften Mal als Coach bei „The Voice of Germany“dabei. Unten: Schnappsch­üsse aus dem Familienal­bum – Samu als junger Musiker und Angler (jeweils links im Bild) – beides macht er auch heute noch leidenscha­ftlich gerne.
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