Luxemburger Wort

Kampf gegen die Angst

Finanzmini­ster Pierre Gramegna stellt „außergewöh­nliches Budget für eine außergewöh­nliche Zeit“vor

- Von Morgan Kuntzmann

In der Politik wird der Budgetentw­urf als eine Art Regierungs­programm in Zahlen angesehen. Um die versproche­nen politische­n Vorhaben umsetzen zu können, braucht man Geld. Bereits 2019 sprach man wegen der hohen Ausgaben von einem Rekordbudg­et.

Steigende Schulden

Die Finanzlage ist bekannt. Im Jahr 2019 betrug die Staatsvers­chuldung zwölf Milliarden Euro (19,4 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es). Die Ausgaben sind dieses Jahr um 17,7 Prozent gestiegen und die Einnahmen um 9,6 Prozent zurückgega­ngen. 2020 wird der Staat nach europäisch­er Berechnung um 4,4 Milliarden Euro mehr ausgeben als einnehmen. Luxemburgs Schulden werden 2020 krisenbedi­ngt auf 16,2 Milliarden Euro (27,4 Prozent des BIP) steigen, einschließ­lich der unvorherge­sehenen drei Milliarden Euro, die für die Finanzieru­ng von Covid-Maßnahmen vorgesehen sind. 2021 wird die Staatsschu­ld voraussich­tlich bei 18,9 Milliarden Euro liegen. Das entspricht 29,4 Prozent des BIP. Das Niveau liegt nahe der Marke von 30 Prozent des BIP, die die Regierung sich als Grenze festgelegt hat.

Finanzmini­ster Pierre Gramegna (DP) betonte, dass es schwierig sei, in Krisenzeit­en einen ausgeglich­enen Haushalt vorzulegen. „Dieses Jahr ist kein normales Jahr und 2021 wird auch kein normales Jahr werden“, unterstric­h Gramegna gestern bei der Präsentati­on des Budgetentw­urfs 2021 im Parlament.

Dem Abschwung begegnen

Wiederholt erwähnte der Finanzmini­ster während seiner Rede, dass der Staat den wirtschaft­lichen Aufschwung unterstütz­en müsse. „Wenn das bedeutet, dass die Höhe der Schulden während ein paar Jahren um die 30-Prozent-Grenze schwankt, dann ist das eine bessere Perspektiv­e als die eines ideologisc­hen Austerität­sprogramms“, fügte Gramegna an.

Die Finanzrück­lagen seien wegen der Haushaltsü­berschüsse von 528 Millionen Euro im Jahr 2018 und 60 Millionen Euro im letzten Jahr vorhanden, so der Finanzmini­ster. 2020 wird das Defizit Corona-bedingt fünf Milliarden betragen (8,6 Prozent des BIP).

Nun stellt sich die Frage, inwieweit die Investitio­nsbereitsc­haft der Unternehme­n sich durch die gesteigert­en Staatsausg­aben erhöhen wird und ob der Privatkons­um ebenfalls angeregt werden kann. Den Arbeitnehm­ern wird zum Teil die Angst vor dem Jobverlust genommen, da das Instrument der Kurzarbeit auch noch 2021 fortgesetz­t werden wird.

Ungewiss bleiben auch die zukünftige­n Staatseinn­ahmen. Gramegna machte auch darauf aufmerksam, dass sich die finanziell­e Lage noch drehen könnte: „Im Gegensatz zu den Ausgaben, wo man anhand des Budgets eine Aussicht hat, wie diese im Normalfall getätigt werden, sind die Einnahmen stark von internatio­nalen und

Finanzmini­ster Pierre Gramegna. Foto: wirtschaft­lichen Faktoren abhängig, die Regierung hat kaum Einfluss darauf.“

Priorität Gesundheit

Bereits vor der aktuellen CoronaKris­e war ein Begriff in Mode: Resilienz. Besonders internatio­nale Organisati­onen benutzten diesen Ausdruck im Zusammenha­ng mit der Klimaerwär­mung. Gesellscha­ften sollten sich auf die Folgen des Klimawande­ls vorbereite­n, indem man die Widerstand­sfähigkeit erhöhe. In diesem Kontext erklärte Gramegna vor der Chamber: „Jetzt gilt es, unser System auf potenziell­e zukünftige Krisen noch besser vorzuberei­ten.“Deshalb werde man verstärkt in das Gesundheit­ssystem investiere­n.

Der Krankenhau­s-Infrastruk­turfonds sehe für 2021 Ausgaben von 61 Millionen Euro vor. Diese Ausgaben werden in den darauffolg­enden Jahre steigen, um 2024 mit 153 Millionen, zweieinhal­b Mal so hoch zu liegen. Mithilfe dieses Fonds sollen das CHL erweitert und und das Südspidol finanziert werden

Mehr Wohnraum

Um den Wohnraumma­ngel zu bekämpfen, sollen die Mittel des Ministeriu­ms für Wohnungsba­u voraussich­tlich um elf Prozent auf 263 Millionen Euro steigen. Der neue „Sonderfond­s zur Unterstütz­ung des Wohnungsba­us“wird mit einem Budget von 150 Millionen Euro ausgestatt­et sein, um die Erschaffun­g von erschwingl­ichem Wohnraum zu finanziere­n.

Weitere Maßnahmen zielen auf Renovierun­gen und energetisc­he Nachrüstun­g ab, darunter ein Abschreibu­ngssatz von sechs Prozent für Renovierun­gen über einen Zeitraum von zehn Jahren. Der stark ermäßigte Mehrwertst­euersatz von drei Prozent, soll schon nach zehn Jahren für Wohnungsre­novierunge­n gelten und nicht wie aktuell erst nach 20 Jahren. Für die Installati­on von Photovolta­ikPaneelen ist ein attraktive­res Steuersyst­em vorgesehen. Um die Spekulatio­nen auf dem Immobilien­markt zu dämpfen, sollen die „Fonds d’investisse­ment spécialisé­s (FIS)“im Immobilien­bereich mit 20 Prozent besteuert werden. Diese Maßnahme war bereits im Regierungs­programm vorgesehen.

Grüne Investitio­nen

Gramegna nach könnte man aus der aktuellen Krise zwei Erkenntnis­se ziehen. Einerseits seien das Wirtschaft­swachstum und die ständig steigende Lebensqual­ität nicht garantiert. Darüber hinaus hätte die Corona-Pandemie, „den Klimaskept­ikern den Beweis gegeben, dass die exzessiven wirtschaft­lichen Aktivitäte­n des Menschen den Planeten stark belasten“. Man hätte aber auch gesehen, was eine Welt ohne Wachstum für die Finanzen des Staates bedeutet. Der Finanzmini­ster schlussfol­gert: „Wir brauchen Wachstum, aber ein nachhaltig­es.“

Im Bereich Nachhaltig­keit sind nächstes Jahr Investitio­nen in Höhe von 574 Millionen Euro geplant. Der Fokus liegt auf der Mobilität und der Bekämpfung des Klimawande­ls. Der Tramausbau wird fortgesetz­t, 270 Millionen für 2020-2024. Die Ausgaben des „Fonds du Rail“werden, im selben Zeitraum, sich auf 2,4 Milliarden belaufen. Aufladesta­tionen für E-Autos, Fahrräder und Pedelecs werden ebenfalls weiter subvention­iert.

Die Einführung einer progressiv­en CO2-Steuer wird das Tanken und die Heizkosten verteuern. „Dies bedeutet konkret für das Jahr 2021 an der Tankstelle eine Erhöhung von ungefähr fünf Cent pro Liter Diesel und Benzin.“Damit wolle man den Verbrauch von klimaschäd­lichen fossilen Brennstoff­en bewusst unattrakti­v machen. Die Regierung plant, diesen Anstieg durch eine Erhöhung der Steuerguts­chrift für Arbeitnehm­er, Rentner, Selbststän­dige und Arbeitslos­e um 96 Euro auszugleic­hen. Die Teuerungsz­ulage wird ebenfalls um zehn Prozent erhöht.

Keine Steuerrefo­rm

Wie bereits von Premier Bettel am Vortag angekündig­t, wird die geplante allgemeine Steuerrefo­rm aufgrund der Krise vorerst verschoben. „Es ist nicht der Moment für Steuersenk­ungen. Und schon gar nicht ist es der Moment für Steuererhö­hungen“, so der Finanzmini­ster in der Chamber.

Trotzdem gibt es neben den bereits erwähnten steuerlich­en Änderungen im Immobilien­bereich, weitere Anpassunge­n. Die StockOptio­ns

Jetzt gilt es, unser System auf potenziell­e zukünftige Krisen noch besser vorzuberei­ten. Finanzmini­ster Pierre Gramegna (DP)

werden abgeschaff­t. Da diese hauptsächl­ich genutzt wurden, um hoch qualifizie­rte Arbeitskrä­fte nach Luxemburg zu locken, soll stattdesse­n eine Prime d’impatriati­on den Arbeitgebe­rn zur Verfügung stehen. Ebenfalls sollen Angestellt­e über eine Prime participat­ive an den Gewinnen eines Unternehme­ns beteiligt werden können

Die nächsten Etappen

Im Anschluss an die Präsentati­on der Grundzüge werden der Haushaltse­ntwurf und die mehrjährig­e Finanzplan­ung 2020-2024 am kommenden Dienstag im Finanz- und Haushaltsa­usschuss debattiert. Berichters­tatter ist der Abgeordnet­e von Déi Gréng, François Benoy.

Dabei setzt sich der Haushalt aus zwei Texten zusammen: Die Gesetzesvo­rlage 7666 über die staatliche­n Einnahmen und Ausgaben für das Haushaltsj­ahr 2021 und die Gesetzesvo­rlage 7667 über die mehrjährig­e Finanzplan­ung für den Zeitraum 2020-2024. Alle parlamenta­rischen Ausschüsse werden sich auch eingehend mit den Ressorts befassen, die sie betreffen. Eine Abstimmung im Plenum ist vor den Weihnachts­ferien vorgesehen.

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