Gestärkt aus der Krise – irgendwie
Der Gesundheitssektor in Afrika bleibt trotz eines positiven Trends unterfinanziert
Als das Corona-Virus vor einem halben Jahr Afrika erreichte, traf es auf marode Gesundheitssysteme. Auf dem Kontinent gab es bloß zwei Labors, die eine Covid-Diagnose erstellen konnten. Das habe sich grundlegend geändert, wie nun die Weltgesundheitsorganisation WHO mitteilte: Zumindest was seinen kränkelnden Gesundheitssektor betreffe, gehe Afrika gestärkt aus der Krise hervor.
„Afrikas Staaten haben große Fortschritte im Kampf gegen das Virus gemacht“, heißt es aus der Afrika-Zentrale der WHO in der kongolesischen Hauptstadt Brazzaville. Das gelte nicht nur für Diagnose, Prävention und Behandlung, sondern darüber hinaus auch für die Ausbildung von Gesundheitsarbeitern und die Beschaffung von lebensrettendem Gerät. Statt zwei können heute 750 Labors in Afrika das Virus diagnostizieren. Stand zu Beginn der Krise nur ein Beatmungsgerät für 400 000 Afrikaner zur Verfügung, komme heute ein Gerät auf 100 000 Bewohner. Die WHO und ihre Partner mobilisierten mehr als 350 000 Gesundheitsarbeiter. „Die
Leute verstehen uns, weil wir ihnen die Dinge in unserer lokalen Sprache erklären“, sagt Hakim Kiggundu, einer der Helfer in Uganda.
Viele Hilfen
Von einer ähnlichen Erfolgsgeschichte berichtet die kenianische Wochenzeitung „The East African“in ihrer aktuellen Ausgabe. Dort heißt es, dass bloß 16 Prozent der Kliniken in Afrika im März auf die Behandlung von CoronaPatienten annähernd vorbereitet gewesen seien. Seither habe sich die Zahl der Intensivbetten am Kontinent mehr als verdoppelt, auf derzeit 10 000. Die Besserung konnte demnach vor allem dank Investitionen des Weltwährungsfonds IWF, der EU, der Afrikanischen Entwicklungsbank und einzelner Geberstaaten erzielt werden. „Die Investitionen und Erfahrungen, die wir in diesem Jahr gesammelt haben, wie wir uns Technologie zunutze machen, etwa im Trainings- und Informationsmanagement, könnten sich bezahlt machen“, wird WHO-Afrika-Direktorin Matshidiso Moeti zitiert.
Allerdings gilt es für Afrikas 54 Staaten, künftig selbst die Initiative
Immer mehr Menschen in Südafrika benötigen wieder Essenshilfen, weil sie als Folge der Pandemie hungern.
zu ergreifen, um den positiven Trend fortzusetzen. Während Afrikas Gesundheitssektor nach der Corona-Pandemie schneller wachsen werde als bisher, bleibe der Bereich unterfinanziert. Statt der vereinbarten 15 Prozent ihres Budgets investierten afrikanische Länder durchschnittlich bloß ein Drittel davon in Gesundheitssysteme.
Rückschlag für Südafrika
Darüber hinaus bedeute ein stärkeres Gesundheitssystem nicht zwangsläufig, dass mehr Menschen Zugang zu Behandlungen bekommen. Der Knackpunkt: Während die von einigen Beobachtern erwartete Katastrophe mit Millionen Corona-Toten am Kontinent ausblieb, trafen Maßnahmen wie Ausgangssperren die Wirtschaft hart. Afrika habe 2020 „ein ganzes Jahrzehnt des Wachstums verloren“, sagte jüngst der Direktor der Afrikanischen Entwicklungsbank, Akinwumi Adesina. Konkret bedeutet das: noch mehr Armut.
Während des Lockdowns wurden sie in Südafrika zum Sinnbild für die Krise: Warteschlangen. Mal mit mehr, mal mit weniger Sicherheitsabstand standen die Massen und warteten vor dem Sozialamt, vor der Jobagentur und vor der Suppenküche. Die Corona-Pandemie hat einen Feind aufgezeigt, den der junge Schwellenstaat längst besiegt glaubte, nämlich Hunger. 2,8 Millionen Südafrikaner verloren im letzten Halbjahr ihre Jobs. „Normalerweise sehen wir solcherlei Umbrüche in der Wirtschaft nur in Folge von Bürgerkriegen“, so Wirtschaftsforscher Nic Spaull.
Diese Woche verzeichnete Afrika rund 1,6 Millionen Corona-Fälle und 39 000 Tote. Gravierend sind die Auswirkungen vor allem für die regionalen Krisenherde. So warnte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz am Donnerstag vor einer neuen Hungerkatastrophe. „Steigende Lebensmittelpreise und Entlassungen aufgrund der Covid-19-Pandemie lassen befürchten, dass Ernährungsunsicherheit und Mangelernährung in Afrikas einkommensschwachen Gemeinden am Vormarsch sind.“Betroffen seien vor allem die Konfliktländer Ost- und Westafrikas, in denen Kriegstreiber schon seit Jahren den Zugang zu Nahrung abschneiden, darunter Somalia, Nigeria und der Südsudan.