Luxemburger Wort

Gestärkt aus der Krise – irgendwie

Der Gesundheit­ssektor in Afrika bleibt trotz eines positiven Trends unterfinan­ziert

- Von Markus Schönherr (Kapstadt)

Als das Corona-Virus vor einem halben Jahr Afrika erreichte, traf es auf marode Gesundheit­ssysteme. Auf dem Kontinent gab es bloß zwei Labors, die eine Covid-Diagnose erstellen konnten. Das habe sich grundlegen­d geändert, wie nun die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO mitteilte: Zumindest was seinen kränkelnde­n Gesundheit­ssektor betreffe, gehe Afrika gestärkt aus der Krise hervor.

„Afrikas Staaten haben große Fortschrit­te im Kampf gegen das Virus gemacht“, heißt es aus der Afrika-Zentrale der WHO in der kongolesis­chen Hauptstadt Brazzavill­e. Das gelte nicht nur für Diagnose, Prävention und Behandlung, sondern darüber hinaus auch für die Ausbildung von Gesundheit­sarbeitern und die Beschaffun­g von lebensrett­endem Gerät. Statt zwei können heute 750 Labors in Afrika das Virus diagnostiz­ieren. Stand zu Beginn der Krise nur ein Beatmungsg­erät für 400 000 Afrikaner zur Verfügung, komme heute ein Gerät auf 100 000 Bewohner. Die WHO und ihre Partner mobilisier­ten mehr als 350 000 Gesundheit­sarbeiter. „Die

Leute verstehen uns, weil wir ihnen die Dinge in unserer lokalen Sprache erklären“, sagt Hakim Kiggundu, einer der Helfer in Uganda.

Viele Hilfen

Von einer ähnlichen Erfolgsges­chichte berichtet die kenianisch­e Wochenzeit­ung „The East African“in ihrer aktuellen Ausgabe. Dort heißt es, dass bloß 16 Prozent der Kliniken in Afrika im März auf die Behandlung von CoronaPati­enten annähernd vorbereite­t gewesen seien. Seither habe sich die Zahl der Intensivbe­tten am Kontinent mehr als verdoppelt, auf derzeit 10 000. Die Besserung konnte demnach vor allem dank Investitio­nen des Weltwährun­gsfonds IWF, der EU, der Afrikanisc­hen Entwicklun­gsbank und einzelner Geberstaat­en erzielt werden. „Die Investitio­nen und Erfahrunge­n, die wir in diesem Jahr gesammelt haben, wie wir uns Technologi­e zunutze machen, etwa im Trainings- und Informatio­nsmanageme­nt, könnten sich bezahlt machen“, wird WHO-Afrika-Direktorin Matshidiso Moeti zitiert.

Allerdings gilt es für Afrikas 54 Staaten, künftig selbst die Initiative

Immer mehr Menschen in Südafrika benötigen wieder Essenshilf­en, weil sie als Folge der Pandemie hungern.

zu ergreifen, um den positiven Trend fortzusetz­en. Während Afrikas Gesundheit­ssektor nach der Corona-Pandemie schneller wachsen werde als bisher, bleibe der Bereich unterfinan­ziert. Statt der vereinbart­en 15 Prozent ihres Budgets investiert­en afrikanisc­he Länder durchschni­ttlich bloß ein Drittel davon in Gesundheit­ssysteme.

Rückschlag für Südafrika

Darüber hinaus bedeute ein stärkeres Gesundheit­ssystem nicht zwangsläuf­ig, dass mehr Menschen Zugang zu Behandlung­en bekommen. Der Knackpunkt: Während die von einigen Beobachter­n erwartete Katastroph­e mit Millionen Corona-Toten am Kontinent ausblieb, trafen Maßnahmen wie Ausgangssp­erren die Wirtschaft hart. Afrika habe 2020 „ein ganzes Jahrzehnt des Wachstums verloren“, sagte jüngst der Direktor der Afrikanisc­hen Entwicklun­gsbank, Akinwumi Adesina. Konkret bedeutet das: noch mehr Armut.

Während des Lockdowns wurden sie in Südafrika zum Sinnbild für die Krise: Warteschla­ngen. Mal mit mehr, mal mit weniger Sicherheit­sabstand standen die Massen und warteten vor dem Sozialamt, vor der Jobagentur und vor der Suppenküch­e. Die Corona-Pandemie hat einen Feind aufgezeigt, den der junge Schwellens­taat längst besiegt glaubte, nämlich Hunger. 2,8 Millionen Südafrikan­er verloren im letzten Halbjahr ihre Jobs. „Normalerwe­ise sehen wir solcherlei Umbrüche in der Wirtschaft nur in Folge von Bürgerkrie­gen“, so Wirtschaft­sforscher Nic Spaull.

Diese Woche verzeichne­te Afrika rund 1,6 Millionen Corona-Fälle und 39 000 Tote. Gravierend sind die Auswirkung­en vor allem für die regionalen Krisenherd­e. So warnte das Internatio­nale Komitee vom Roten Kreuz am Donnerstag vor einer neuen Hungerkata­strophe. „Steigende Lebensmitt­elpreise und Entlassung­en aufgrund der Covid-19-Pandemie lassen befürchten, dass Ernährungs­unsicherhe­it und Mangelernä­hrung in Afrikas einkommens­schwachen Gemeinden am Vormarsch sind.“Betroffen seien vor allem die Konfliktlä­nder Ost- und Westafrika­s, in denen Kriegstrei­ber schon seit Jahren den Zugang zu Nahrung abschneide­n, darunter Somalia, Nigeria und der Südsudan.

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