Auslandsüberweisungen verboten
Kuba setzt alle Hoffnungen auf den Tourismus und Joe Biden, aber Trump verschärft noch mal die Sanktionen
Eine letzte Gemeinheit gegen Kuba hatte sich Donald Trump bis zum Schluss aufgehoben. Wenige Tage vor der US-Präsidentenwahl unterzeichnete er ein Dokument, das die Finanzfirma Fincimex auf die schwarze Liste der Unternehmen setzte, mit denen US-Konzerne keine Geschäfte machen dürfen. Fincimex, das zum Firmenimperium GAESA der kubanischen Streitkräfte gehört, diente bisher als lokaler Abwickler für den USFinanzdienstleister Western Union, der auf Auslandsüberweisungen spezialisiert ist.
Aber heute an bleiben die Western Union/Fincimex-Büros zu, und Hunderttausende Kubaner kommen nicht mehr an die Dollarüberweisungen der Verwandtschaft aus Miami oder New York. Nach einer Erhebung der in den USA ansässigen „Havana Consulting Group” wurden bisher pro Jahr rund 3,6 Milliarden Dollar an „Remesas” nach Kuba gezahlt. Die genaue Zahl ist schwer zu beziffern, da bis vor der Pandemie neben den Überweisungen viel Geld auf informellem Weg über Reisen auf die Insel gelangte. Jedenfalls sehr viel Geld, das Millionen Kubanern gerade in dieser Coronakrise das Überleben sicherte und nun schmerzhaft fehlen wird.
Die Überweisungen, die monatlich im Schnitt rund 200 Dollar ausmachen, sind in normalen Zeiten neben dem Export von Fachkräften wie Ärzten die wichtigste Devisenquelle der chronisch klammen Karibikinsel, noch vor dem derzeit brachliegenden Tourismus und dem Export von Zucker, Nickel und Biotech-Produkten. Aber jetzt steht Havanna knapp vor der Zahlungsunfähigkeit. Und das in einem Moment, in dem auch die Menschen kaum noch wissen, wie sie ihre Familien satt bekommen sollen. Schon werden Erinnerungen an die Zeit nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor knapp 30 Jahren wach, als Kuba in eine „Sonderperiode” fiel, in der es nichts gab und kapitalistische Reförmchen das Land vor dem Untergang retteten.
Trump hat in seinen vier Jahren an der Macht alles darangesetzt, der verhassten kommunistischen Insel den Garaus zu machen. Er hat alle Annäherungen aus der Obama-Zeit wieder zurückgedreht und insgesamt 132 Sanktionen verhängt. Direkte Flug- und Kreuzfahrtverbindungen wurden gestoppt, Konsulate geschlossen und Überweisungen der US-Kubaner dramatisch zusammengestrichen. Das „Helms-Burton-Gesetz“wurde aktiviert, um internationale Unternehmen zu bestrafen, die in Kuba investieren. Trump traf dabei aber mehr die Zivilbevölkerung als die Machthaber.
Nun hoffen die Menschen und Mächtigen in Kuba auf eine Rückkehr zu alten, kooperativen Zeiten. Nirgends in Lateinamerika wurde der Sieg Joe Bidens so offen und ausgelassen gefeiert wie auf der Insel. „Wir glauben an die Chance einer konstruktiven und respektvollen bilateralen Beziehung mit der neuen US-Regierung,“betonte Staatschef Miguel Díaz-Canel.
Biden hatte die Strafe gegen Fincimex/Western Union im Wahlkampf
kritisiert und erklärt, dass dieser Schritt nicht die Machtelite, sondern die Bedürftigen treffe. „Die US-Kubaner haben jedes Recht, ihren Angehörigen auf der Insel zu helfen“, unterstrich Biden und kündigte an, diese Verschärfung nach seinem Amtsantritt Ende Januar rückgängig zu machen.
Größere Bereitschaft zu marktwirtschaftlichen Reformen
Was und wie schnell Biden bei den Auslandsüberweisungen verändert, kann als Indikator dafür dienen, welche Wichtigkeit die Insel in den kommenden Jahren für die neue US-Regierung haben wird. Zu den Optimisten gehört an diesem Punkt der EU-Botschafter in Havanna, Alberto Navarro. Der spanische Diplomat weist darauf hin, dass Biden über das Instrument der „Präsidentendirektive zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Kuba und den USA“verfügt, die Barack Obama 2016 schuf. Biden müsse diese nur aktivieren, um die meisten der Maßnahmen aus der Trump-Zeit wieder zurückzudrehen, unterstreicht Navarro.
Aber die schwere Krise hat auch bei der kubanischen Führung die Bereitschaft zu marktwirtschaftlichen Reformen beschleunigt. Was lange Jahre tabu war, geht nun plötzlich ganz schnell – vor allem in der Landwirtschaft, die mit knapp vier Prozent des BIP und fast 20 Prozent der Gesamtbeschäftigung der wichtigste Sektor der Staatswirtschaft ist. Bauern dürfen selbst Groß- und Einzelhandel betreiben, solange sie die Regierungsquoten erfüllen. Effektivität ist dringend notwendig, denn die Insel importiert noch immer mehr als zwei Drittel ihrer Lebensmittel, um die 11,5 Millionen Menschen einigermaßen satt zu bekommen. Dafür werden jährlich 2,3 Milliarden Dollar ausgegeben. Geld, das die Regierung eigentlich nicht hat. Und so sind die Importe vor allem von Lebensmitteln in diesem Jahr geschätzt um drei Viertel zurückgegangen.
Im Sommer wurden zudem staatliche Devisenläden eröffnet, wo die Bevölkerung Windeln, Käse und Schweinefleisch kaufen kann. Alles Dinge, die man lange in Kuba nicht mehr gesehen hatte. Auch die Hunderttausenden Kleinstunternehmer, die Restaurants betreiben, Wohnungen vermieten oder Taxi fahren, können jetzt im In- und Ausland Geschäfte machen und sogar auf privaten Großmärkten einkaufen. Bisher mussten sie sich beim Staat zu überhöhten Preisen mit benötigtem Material und Rohwaren eindecken. Ein Hoffnungsschimmer für Bevölkerung und Regierung bringt zudem die Öffnung des Landes für den internationalen Tourismus: Seit dem 15. November dürfen Fluglinien wieder die kubanische Hauptstadt anfliegen.
Menschen und Machthaber auf der Insel hoffen auf neue Annäherung und US-Urlauber.