Luxemburger Wort

Der europäisch­e Amerikaner

Die Berufung Antony Blinkens zum designiert­en US-Außenminis­ter sendet ein starkes Signal an die Verbündete­n in Europa

- Von Thomas Spang (Washington)

Der gewählte US-Präsident und sein künftiger Außenminis­ter sehen die Welt mit denselben Augen. Das mag auch daran liegen, dass Antony Blinken seit der Jahrtausen­dwende ein enger Wegbegleit­er Joe Bidens ist. Erst als Stabschef im mächtigen Auswärtige­n Komitee des US-Senats, dem Biden vorstand, dann bei dessen Anlauf auf die Präsidents­chaft 2008 und schließlic­h als rechte Hand des Vizepräsid­enten.

Als designiert­er Chefdiplom­at Amerikas wartet auf den pragmatisc­hen Zentristen die größte Herausford­erung seiner schillernd­en Laufbahn. Ihm fällt die Aufgabe zu, nach vier Jahren „America First“unter Donald Trump die USA aus der Isolation in die Weltgemein­schaft

zurückzufü­hren. Erklärte Prioritäte­n des überzeugte­n Vertreters einer multilater­alen Weltordnun­g sind die Rückkehr in das Pariser Klimaabkom­men, den Atomvertra­g mit Iran und die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO. „Für die großen Probleme, denen wir uns als Land und Planet ausgesetzt sehen – ob es der Klimawande­l, die Pandemie oder die Verbreitun­g von schlimmen Waffen sind – gibt es keine unilateral­en Lösungen“, sagte Blinken im zurücklieg­enden Wahlkampf, in dem er Biden als außenpolit­ischer Berater zur Seite stand.

Nach vier Jahren Trumpismus sind dies neue Töne aus den USA, die unter Biden ihre Rolle als Führungsma­cht der freien Welt zurückverd­ienen will. Wozu eine Wiederbele­bung der engen transatlan­tischen

Joe Bidens langjährig­er Weggefährt­e Antony Blinken soll der neue US-Chefdiplom­at werden. Zusammenar­beit mit den zuletzt verstoßene­n Freunden in Europa gehört. Blinken spricht nicht nur fließend Französisc­h, er kennt aus seiner Zeit als Obamas stellvertr­etender Sicherheit­sberater und Bill Clintons Berater für Europa im Nationalen Sicherheit­srat (NSC) seine Gegenüber auf der anderen Seite des Atlantiks.

„Zögerliche­r Interventi­onist“Einen „pro-europäisch­eren“Außenminis­ter als Blinken könnte sich der alte Kontinent nicht wünschen. Nach seiner Zeit in Paris, wo er mit seiner Mutter und deren zweiten Ehemann, dem weltberühm­ten Anwalt Samuel Pisa, als Jugendlich­er lebte, beschäftig­te er sich in seiner Doktorarbe­it an der Harvard University mit der Koexistenz zwischen den USA und Russland. Sein

Stiefvater, der in Dachau und Auschwitz wie ein Wunder den Holocaust überlebte, schärfte Tonys moralische­s Gewissen und machte ihn zu einem entschloss­enen Kämpfer gegen Antisemiti­smus, Rassismus und Menschenre­chtsverlet­zungen. Aus dieser Motivation heraus versteht sich Blinken als „zögerliche­r Interventi­onist“, der in ganz engen Grenzen den Einsatz amerikanis­cher Militärmac­ht nicht ausschließ­t.

Ein Falke ist der Zentrist mit dem Hang zum Musischen nicht. Im Gegenteil gilt er als umgänglich und als einer, der die Zwischentö­ne schätzt. In jedem Fall darf sich Europa auf diesen Minister freuen, der Amerikas traditione­lle Verbündete­n als „Partner der ersten, nicht der letzten Wahl“sieht.

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