„Wir sind der Kollateralschaden“
Die neuen Maßnahmen der Regierung treffen vor allem den Horesca-Sektor hart
Den ganzen Sommer über hatten Unternehmer davor gewarnt, welche verheerenden Konsequenzen ein zweiter Lockdown haben würde. Nach mehreren Wochen mit konstant hohen Ansteckungszahlen hat die Regierung nach den Worten von Premierminister Xavier Bettel (DP) nun die „Handbremse gezogen“und will eine Art „Lockdown light“verhängen. Wenn das Maßnahmenpaket am Mittwoch vom Parlament angenommen wird, sollen ab Donnerstag bis mindestens 15. Dezember Restaurants, Bars und Fitnessstudios schließen. Geschäfte dürfen hingegen geöffnet bleiben. Bis Mitte Dezember wird dann analysiert, welchen Effekt die Maßnahmen hatten.
Dabei betonten sowohl der Premierminister als auch Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP), dass der Horesca-Bereich kein Hotspot sei. Es sei nach wie vor nicht bekannt, wo sich die Mehrheit der Erkrankten angesteckt habe. Jetzt gehe es darum, die Zahl der Kontakte herunterzufahren. „Man sollte auf alles verzichten, was nicht unbedingt sein muss“, so Bettel. Dazu zählt die Regierung offenbar die Aktivitäten im Gastgewerbe. Die Schließung kommt nicht überraschend für den Sektor, betont François Koepp, Generalsekretär des Verbandes der Hoteliers, Restaurantbesitzer und Cafetiers. „Wir standen die ganze Zeit mit dem Ministerium in Verbindung. Natürlich haben wir bis zuletzt gehofft, dass wir daran vorbeikommen. Jetzt sind wir leider der Kollateralschaden“, sagt er. So habe der Verband die Betriebe im Sektor schon im Vorfeld auf die Möglichkeit der Schließung hingewiesen, damit die Restaurants weniger Lebensmittel einkaufen. „Das kommt zu einer Zeit, in der einige Unternehmen wieder Licht am Ende des Tunnels gesehen haben. Viele hatten sich zuletzt finanziell aufgerappelt und konnten wieder aus eigener Kraft ihre Unkosten tragen“, sagt Koepp. Die erneute Zwangsschließung bringe nun einige Betriebe wieder in existenzielle Schwierigkeiten.
Unbürokratische Auszahlung
Gleichzeitig hat die Regierung aber beschlossen, neue Hilfsmaßnahmen einzuleiten. Um die wirtschaftlichen Folgen für hart betroffene Betriebe wie Restaurants und Cafés weiter abzufedern, hatten der Minister für Mittelstand Lex Delles (DP), Wirtschaftsminister Franz Fayot (LSAP) und Kulturministerin Sam Tanson (déi Gréng) Mitte November die neuen Hilfsmaßnahmen vorgestellt – erstmals wird die Höhe der Beihilfen dabei auf Basis der „ungedeckten Kosten“berechnet. Bis zu 90 Prozent der Unkosten soll der
Staat tragen. Das umfasst Betriebskosten wie Miete, Personal oder Leasingverträge. Die Betreiber bekommen hingegen nichts, kritisiert Koepp. Da das Bedienen von Krediten beispielsweise nicht von den Beihilfen gedeckt wird, rechnet der Verband damit, dass die Betriebe dennoch auf 24 bis 33 Prozent der Kosten sitzen bleiben. Koepp betont wie wichtig es sei, dass die Maßnahmen – trotz ihrer Schwächen – schnell umgesetzt werden und dass das Parlament die Beihilfen möglichst am Mittwoch beschließt. Das unterstreichen auch die Gastronomen selbst. JeanClaude Colbach vom Restaurant „IKKI“im Rives de Clausen hat wenig Verständnis dafür, dass die Gastronomie schließen muss. Ihm bleibt nur ein Appell: „Die versprochene Hilfe muss jetzt kommen, nicht erst im Januar. Der Mehrheit von uns steht das Wasser mehr als nur bis zum Hals“, sagt er. Colbach hat, wie viele andere auch, seit August keine Auszahlung mehr für das Kurzarbeitergeld gesehen. Der Monat November
sei aufgrund der Ausgangssperre eine einzige finanzielle Katastrophe gewesen. „Wir arbeiten gerade mit einem Viertel des Umsatzes“, sagt er. Wie er Miete und Gehälter zahlen soll, wisse er nicht. Weitere Kredite könne er nicht aufnehmen. „Das einzige, was uns jetzt helfen kann, ist, wenn unbürokratisch das Geld ausgezahlt wird.“
Senkung der Mehrwertsteuer
Viele wollen sich nicht mehr zu den Verschärfungen äußern, die die gesamte Branche treffen. Selbst im „Coffee Shop Knopes“in der Hauptstadt, wo man schnell auf „Coffee to go“umstellen kann, rechnet Inhaberin Catherine Knopes mit erneuten Umsatzeinbußen von 40 Prozent.
Was viele Betriebe im Sektor umtreibt, ist, dass nach wie vor unklar ist, was nach den drei Wochen geschieht. „Wenn die Betriebe erst am 15. Dezember anfangen können, für die Feiertage zu planen, dann ist das zu spät. Gerade mit den Feiertagszuschlägen werden manche Unternehmen dann gar nicht öffnen“, so Koepp. Viele Unternehmen hätten schon längst nicht mehr die Kapitalreserven, um den erneuten Lockdown wegstecken zu können. Als eine Maßnahme, damit der Sektor langfristig wieder auf die Beine kommt, fordert der Verband daher, dass die Mehrwertsteuer für die Dauer von zwölf Monaten wieder auf drei Prozent gesenkt werde.
Auch die Chambre des Salariés befürchtet schlimme Folgen aufgrund der Maßnahmen. Sie veröffentlichte eine Stellungnahme. Demnach steige das Risiko einer ökonomischen Krise weiter, auch psychische Probleme würden zunehmen – bis hin zu Suiziden.