Die Jagd nach Augusts Juwelen
Experten rätseln um Verbleib der gestohlenen Edelsteine aus dem Grünen Gewölbe
Dresden. Nach einem Jahr ist sich die Sonderkommission „Epaulette“ziemlich sicher, wer für den dreisten Diebstahl kostbarer Schmuckstücke aus dem Historischen Grünen Gewölbe in Dresden verantwortlich ist. Der Einbruch soll auf das Konto eines Berliner Clans gehen. Erste Verdächtige sind gefasst.
Der Verbleib der kunsthistorisch unschätzbar wertvollen Juwelen aber ist weiter unklar – auch vermeintliche Spuren verliefen im Sande. Die Ermittler sind dennoch zuversichtlich und die Verantwortlichen der Staatlichen Kunstsammlungen „vorsichtig optimistisch“, dass die Preziosen von August dem Starken (1670-1733), sächsischer Kurfürst und polnischer König, in das barocke Schatzkammermuseum zurückkehren.
„Nur noch Splitter“
Im Juwelenzimmer wird die Geschichte des Coups vom 25. November 2019 erzählt, der weltweit Schlagzeilen machte. Die prächtigste Vitrine, aus der zwei Unbekannte in wenigen Minuten rund ein Dutzend der kostbarsten Objekte rissen, ist leer. Die Spuren brachialer Gewalt sind längst beseitigt. Der Großteil der Diamantund Brillantgarnituren, der den Dieben nicht in die Hände fiel, ist in einer anderen Vitrine zu sehen: die Perlen der Königin neu aufgefädelt, ihr Brillantschmuck strahlt. Sie mussten restauriert werden, die Einbrecher hatten sie mit Löschpulver besprüht, um Spuren zu verwischen.
Kunstmarktdetektiv Willi Korte indes glaubt, dass die Schätze unwiederbringlich verloren sind. „Das ist kein Kunst-, sondern ein Juwelendiebstahl.“Anders als bei einem berühmten Gemälde sei da in der Regel das Absetzen einfacher als das Stehlen. Und er ist überzeugt, dass es schon vorher
Pläne für den Absatz gab. „Ich glaube, das traurige Schicksal ist: Die Stücke sind weg“, sagt der Provenienzforscher.
Die Täter waren mit brachialer Gewalt vorgegangen. Sie schlugen mit einer Axt Löcher ins Glas einer Vitrine und rissen einige der prächtigsten Schmuckstücke von der Schauwand: einen Degen mit rund 770 kleineren Diamanten, Teile von Orden, das Achselband (Epaulette) mit dem „Sächsischen Weißen“, einem viereckigen großen Brillanten, und die große Brustschleife der Königin Amalie Auguste mit 51 großen und gut 600 kleineren Brillanten.
Die zig kleinen, aber auch die größeren Steine sind nach Ansicht
von Museumsdirektor Dirk Syndram kaum zu verkaufen. „Heute ist die meistgeschätzte Art der Brillant, der durch einen Gegenschliff viel Tiefe und ein strahlendes Funkeln hat.“Der Großteil der Beute stamme dagegen aus der Diamantrautengarnitur. Bei diesem Schliff fehle die Tiefe, „selbst große Diamanten funkeln nicht so“. Bei einem Neuschliff bleibe bei den vielen kleinen Steinen jedoch kaum etwas übrig. „Das ist dann nur noch ein Splitter.“
Im seriösen Fachhandel sei es nicht möglich, die Diamanten loszuwerden, meint derweil der Präsident des Bundesverbandes der Juweliere, Schmuck- und Uhrenfachgeschäfte,
Stephan Lindner. Juweliere würden die Herkunft am alten Schliff erkennen und Verdacht schöpfen. Peter Guld, Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, geht jedoch davon aus, dass das Clan-Milieu über nicht legale Absatzmärkte und Infrastrukturen zur Bearbeitung der Steine verfügt, und meint weiter: „Ich befürchte, dass hier nur der Materialwert von Bedeutung war und die Objekte, wenn überhaupt, in Einzelteilen wieder auftauchen.“Angebliche Angebote einzelner Stücke aus der Beute haben sich jedoch erst kürzlich als „im Grunde gegenstandslos“erwiesen, so Jürgen Schmidt von der Dresdner Staatsanwaltschaft. dpa