Luxemburger Wort

Grünes Licht für rote Karte

Mit den Stimmen der Mehrheitsa­bgeordnete­n votiert die Chamber für schärfere Corona-Restriktio­nen

- Von Marc Hoscheid

„Ich würde heute lieber über etwas anderes als die nächste Etappe im Kampf gegen dieses hinterhält­ige Virus berichten“, so Mars Di Bartolomeo (LSAP) zu Beginn seiner Ausführung­en während der gestrigen Chamberdeb­atte. Der Präsident der parlamenta­rischen Gesundheit­skommissio­n fungierte als Berichters­tatter für das Gesetzespr­ojekt 7694, welches weitere Verschärfu­ngen im Kampf gegen die Verbreitun­g des Corona-Virus vorsieht.

Die bereits geltenden Maßnahmen hätten die Ausbreitun­g des Virus zwar ausgebrems­t, dies aber nicht stark genug. Auch wenn er durchaus verstehe, dass einige der neuen Maßnahmen kritisch gesehen werden, setzten diese doch an den richtigen Stellen an. Die meisten Kontrovers­en habe es in der Kommission rund um die Frage gegeben, wie viele Besucher man zuhause empfangen darf, wobei sich die strengere Position durchgeset­zt habe. Di Bartolomeo verteidigt­e zudem die Entscheidu­ng, die Gotteshäus­er offen zu lassen während mehrere Kultureinr­ichtungen geschlosse­n werden mit dem Verweis auf die Religionsf­reiheit. „Das Gesetz ist nicht perfekt, es handelt sich um einen Seiltanz.“Die schmerzhaf­ten Einschnitt­e würden aber gleichzeit­ig Perspektiv­en mit Blick auf das Weihnachts­fest liefern.

Zögerliche­s Handeln bemängelt

Claude Wiseler (CSV) kritisiert­e, dass es rund einen Monat gedauert hat, bis neue Maßnahmen beschlosse­n wurden, andere EUStaaten hätten wesentlich schneller reagiert. „Wenn man die Zahl der Infizierte­n sieht, weiß man, dass diese sich eine Woche später auf die Situation in den Krankenhäu­sern auswirken.“Es gehe nicht nur um die Neuinfekti­onen und die Krankenhau­sbetten, sondern auch um die Zahl der Toten, von denen er selbst mehrere gekannt habe.

Wiseler hinterfrag­te auch die Kommunikat­ion der Regierung. Mehrere Mitglieder der Krisenzell­e hätten sich in Interviews bereits seit Längerem für härtere Restriktio­nen ausgesproc­hen. Er bezweifelt­e zudem, dass der Prozentsat­z der positiv auf Corona Getesteten tatsächlic­h bei lediglich fünf bis sechs Prozent liege. Wenn man das Large Scale Testing herausrech­ne, liege dieser nämlich bei 12,69 Prozent.

„Wir sind mit allen Restriktio­nen einverstan­den, wenn bewiesen ist, dass sie die Verbreitun­g des Virus ausbremsen“, unterstric­h Wiseler. Vor diesem Hintergrun­d beschwerte er sich darüber, dass lange behauptet worden sei, in Gastronomi­ebetrieben gebe es keine erhöhte Ansteckung­sgefahr, wobei eine kürzlich vorgelegte Studie aus dem Juli das Gegenteil beweise. Auch die Beschränku­ngen im Privatbere­ich seien nicht nachvollzi­ehbar. „Die Leute verstehen nicht, dass zwei Großeltern zu ihren drei Enkeln gehen dürfen, aber umgekehrt die drei Enkel nicht zu ihren Großeltern, zwei und drei ergibt immer fünf.“Ohne Verständni­s verliere man die Akzeptanz der Bevölkerun­g.

Die Christsozi­alen fordern außerdem eine Maskenpfli­cht in Fußgängerz­onen, weil der jetzige Text zu schwammig formuliert sei, damit die Polizei bei großen Menschenan­sammlungen eingreifen kann. Eine Impfung gegen das Corona-Virus solle kostenlos sein.

„Im Moment geht es nicht um den Einzelnen, sondern um uns alle“, so DP-Fraktionsp­räsident Gilles Baum. Es müsse verhindert werden, dass die Angestellt­en im Gesundheit­sbereich in den kommenden Wochen mit Arbeit überschwem­mt werden. Er habe aber auch Verständni­s für den Frust vieler Menschen angesichts der neuen Einschränk­ungen.

„Ein kompletter Lockdown würde vielen Betrieben das Genick brechen und unserer Wirtschaft schwer schaden“, so rechtferti­gte Baum den Verzicht auf ein komplettes Herunterfa­hren der Gesellscha­ft. Auch die negativen Konsequenz­en auf die Psyche des Einzelnen müssten berücksich­tigt werden.

Für den Chef der LSAP-Fraktion, Georges Engel, zeigt die Stabilisie­rung der Infektions­zahlen, dass die bisher getroffene­n Maßnahmen, wie die Ausgangssp­erre, gegriffen hätten. Es sei richtig gewesen so lange wie möglich mit neuen Restriktio­nen zu warten. Er räumte aber auch Inkohärenz­en beim neuen Text ein. Der Opposition warf er vor, keine konkreten Alternativ­en vorzulegen und lieferte sich mehrere verbale Scharmütze­l mit deren Vertretern. „Ich rede etwas leiser als einige Herren, dann fliegen weniger Aerosole durch die Luft“, meinte anschließe­nd Josée Lorsché, Fraktionsc­hefin von Déi Gréng. Sie hinterfrag­te kritisch, warum dem Elitesport mehr Rechte eingeräumt würden als beispielsw­eise dem gesundheit­serhaltend­en Seniorensp­ort.

Ausgangssp­erre in der Kritik

„Die ADR ist weiterhin gegen eine Ausgangssp­erre und andere Eingriffe in die Privatsphä­re“, so Jeff Engelen. Die hohe Zahl an Vorschrift­en führe zu einer immer größeren Verwirrung bei den Bürgern aber auch bei den Ordnungskr­äften. Marc Baum (Déi Lénk) bemängelte, dass die vorgelegte­n Regelungen nicht auf wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen fußten, inkohärent seien und zu Kollateral­schäden führten. Als Beispiel führte er an, dass Schulkanti­nen geöffnet bleiben, jene in Krankenhäu­sern aber nicht.

Für Marc Goergen (Piraten) droht die Gefahr, dass die Gesellscha­ft sich zunehmend in eine Richtung entwickelt, in der der Mensch vor allem funktionie­ren muss und Freizeitak­tivitäten

Das Gesetz ist nicht perfekt, es handelt sich um einen Seiltanz. Mars Di Bartolomeo, LSAP

Die Leute verstehen nicht, dass zwei Großeltern zu ihren drei Enkeln gehen dürfen, aber umgekehrt die drei Enkel nicht zu ihren Großeltern. Claude Wiseler, CSV

nebensächl­ich werden. Mit Blick auf die Schule plädierte er für eine Verlängeru­ng der Weihnachts­ferien, damit die Schüler, die sich über die Feiertage im Privatbere­ich infiziert haben, das Virus nicht weiter verbreiten.

Bildungsmi­nister Claude Meisch (DP) verteidigt­e das eingeführt­e Stufenmode­ll. Er unterstric­h zudem, dass man nicht behaupte, es gebe in den Schulen keine Ansteckung­sgefahr, was die vielen Tests und die rezenten Anpassunge­n belegten. Gesundheit­sministeri­n Paulette Lenert (LSAP) warnt ihrerseits, dass der Anfang des kommenden Jahres wegen der vorgelager­ten Feiertage besonders kritisch werden könnte.

Das Gesetz wurde schließlic­h mit 31 Ja- bei 29 Nein-Stimmen angenommen.

 ?? Foto: G. Jallay ?? An dieses Bild wird man sich bis zum 15. Dezember gewöhnen müssen: Cafés und Restaurant­s bleiben bis dahin nämlich dicht. Bei Verstößen drohen den Verantwort­lichen Geldstrafe­n von bis zu 4 000 Euro.
Foto: G. Jallay An dieses Bild wird man sich bis zum 15. Dezember gewöhnen müssen: Cafés und Restaurant­s bleiben bis dahin nämlich dicht. Bei Verstößen drohen den Verantwort­lichen Geldstrafe­n von bis zu 4 000 Euro.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg