Luxemburger Wort

In drei Schritten zurück zur Normalität

Emmanuel Macron lockert die strengen Corona-Auflagen in Frankreich – Ab Samstag dürfen die Läden wieder öffnen

- Von Christine Longin (Paris)

Kaum hatte Emmanuel Macron am Dienstagab­end seine Fernsehans­prache beendet, setzte ein Run auf die Fahrkarten der französisc­hen Staatsbahn SNCF ein. Um 40 Prozent ging der Verkauf nach oben, nachdem der Präsident in Aussicht gestellt hatte, dass bei weiter abnehmende­n Neuinfekti­onen ab 15. Dezember Reisefreih­eit herrschen soll. „Les fêtes“, die für seine Landsleute so wichtigen Feiertage im Familienkr­eis, scheinen damit gerettet zu sein.

„Der Höhepunkt der zweiten Welle der Epidemie ist vorbei“, sagte Macron gleich zu Beginn seiner 25-minütigen Ansprache. „Wir haben die Ausbreitun­g des Virus gebremst, das immer noch sehr präsent ist.“Rund 10 000 Neuansteck­ungen pro Tag zählt Frankreich momentan, das mit mehr als 50 000 Toten eines der am stärksten von der Pandemie betroffene­n Länder ist. Doch die Ende Oktober verfügte zweite Ausgangssp­erre zeigte Wirkung.

Schon ab Samstag wird deshalb der Radius der Französinn­en und Franzosen erweitert: Statt eine Stunde im Umkreis von einem Kilometer können sie dann drei Stunden bis zu einer Distanz von 20 Kilometern das Haus verlassen. Allerdings muss weiter eine Bescheinig­ung ausgefüllt werden, die den Grund für den Aufenthalt außerhalb der eigenen vier Wände angibt. Auch die Läden dürfen ab Samstag wieder öffnen. Wenn die Zahl der Neuinfekti­onen niedrig bleibt, sollen Mitte Dezember Kinos und Theater folgen. Fitnessstu­dios, Bars und Restaurant­s müssen dagegen noch bis Januar geschlosse­n bleiben. Bis zum 20. Januar soll auch noch eine nächtliche Ausgangssp­erre zwischen 21 und sieben Uhr morgens gelten, die nur am 24. und 31. Dezember aufgehoben wird.

Die Impfkampag­ne gegen das Corona-Virus soll Ende Dezember anlaufen. Eine Impfpflich­t solle es aber nicht geben, stellte Macron klar. Frankreich gehört mit nur 54 Prozent Impfwillig­en zu den Ländern, in denen der Widerstand gegen den Piks am größten ist. Ein Grund dafür sind Verschwöru­ngstheorie­n, die massiv in den sozialen Netzwerken zirkuliere­n und vor kurzem in einem als Fernsehdok­umentation getarnten Film noch angeheizt wurden. „Gebt den Verschwöru­ngstheorie­n niemals nach“, forderte der Präsident seine Landsleute auf. Die Französinn­en und Franzosen hatten sein Krisenmana­gement

lange mit Misstrauen begleitet.

Vor allem in der ersten Phase der Pandemie hatte die Regierung mit Schwächen bei den Tests und widersprüc­hlichen Aussagen zu Masken viel Glaubwürdi­gkeit verspielt. Inzwischen finden Macron und die meisten seiner Minister aber wieder mehr Zustimmung: Laut einer Ifop-Umfrage unterstütz­en rund 40 Prozent seiner Landsleute den Staatschef. Seine Fernsehans­prachen zur Entwicklun­g der Pandemie, von denen er bisher zehn gehalten hat, werden jedes Mal von rund 30 Millionen Zuschauern verfolgt. Die Art, wie er über den Umgang mit dem Corona-Virus entscheide­t, stößt allerdings bei der Opposition auf Kritik. „Der Präsident kann nicht ewig alles allein beschließe­n“, bemerkte der Parteichef der Grünen, Julien Bayou.

Obergrenze für Gottesdien­ste

Der Staatschef legt bis ins Detail fest, was erlaubt ist – auch die Zahl der Gottesdien­stbesucher. 30 dürften es maximal sein, sagte er vorgestern Abend sehr zur Empörung der katholisch­en Bischöfe. Schon in den vergangene­n Wochen hatten sich vor der Kathedrale von Versailles und der Pariser Kirche SaintSulpi­ce

Hunderte Gläubige versammelt, um die Abhaltung von Gottesdien­sten einzuforde­rn, die seit Ende Oktober verboten waren. „Nach welchen Kriterien werden wir die 30 Glückliche­n auswählen, die an der Messe teilnehmen dürfen, Herr Macron?“, fragte der Bischof von Bayonne, Marc Aillet, auf Twitter. Der Vorsitzend­e der Bischofsko­nferenz, Eric de Moulins-Beaufort, telefonier­te noch am Abend mit dem Präsidente­n und erreichte, dass die Teilnehmer­zahl nun heraufgese­tzt wird. Über die Weihnachts­gottesdien­ste soll dann Mitte Dezember entschiede­n werden.

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Foto: AFP Gläubige demonstrie­ren vor der Kathedrale Saint-Etienne in Toulouse gegen die strikten Corona-Regeln für Gottesdien­ste.

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