Luxemburger Wort

„Pippi würde die Einschränk­ungen wegen Corona respektier­en“

Melissa Westerlund hat den Kinderbuch­klassiker ins Luxemburgi­sche übersetzt

- Von Marc Thill

Sie heißt Pippi Laangstrëm­p und ist genauso frech wie die ursprüngli­che Pippi Långstrump. Melissa Westerlund-Monnet, eine Luxemburge­rin in Stockholm, hat den Klassiker der Kinderbuch­literatur aus der Feder der schwedisch­en Autorin Astrid Lindgren für die „Editions Saint-Paul“ins Luxemburgi­sche übersetzt.

Ein ganz besonderer Auftrag, an den Melissa Westerlund-Monnet sehr gute Erinnerung­en hat. „Ich habe mich jedes Mal dafür in das Wochenendh­aus meines Schwiegerv­aters zurückgezo­gen, ich musste allein sein, um so besser in die Welt von Pippi eintauchen zu können“, erinnert sie sich.

Vor vier Jahren erschien der erste Band „d’Pippi“, der auch Illustrati­onen von Walter Scharnwebe­r enthält, darauf folgten die Übersetzun­gen „D’Pippi geet u Bord“(2017) und „D’Pippi gëtt Inselprinz­essin“(2019), illustrier­t jeweils von Ingrid Vang Nyman. Für den Vertrieb der drei Luxemburge­r Bücher ist mittlerwei­le der Verlag Schortgen zuständig.

Die Freche aus der Villa Kuddelmudd­el

Melissa Westerlund-Monnet ist Dolmetsche­rin und wollte natürlich bei der ihr anvertraut­en Aufgabe so nahe wie nur möglich an dem schwedisch­en Originalte­xt von „Pippi Långstrump“bleiben. Erfreut hat es sie deshalb auch, dass der Luxemburge­r Verlag sich damals dazu entschiede­n hat, eine gelbe Farbe für das Buchcover auszuwähle­n – das schwedisch­e Original erscheint nämlich auch in Gelb.

Für viele in Luxemburg ist das Kinderbuch ein deutsches, da der erste Kontakt der Kinder hierzuland­e zumeist die deutsche Übersetzun­g ist, oder aber auch der deutsche Fernsehfil­m. Den großen Klassiker des schwedisch­en Kinderbuch­es sollte man aber auch „op Lëtzebuerg­esch“lesen können, und genau das hat die Übersetzer­in motiviert. Und als der Verlag bei ihr anklopfte, wollte sie eh eine literarisc­he Arbeit anpacken, dies nach vielen technische­n Übersetzun­gen, an denen sie normalerwe­ise arbeitet.

Das Besondere bei der Übersetzun­g dieses Werkes sind die Fantasiewö­rter, die Astrid Lindgren erfunden hat, und für die man in den Lexika kein passendes Wort findet – ein Wörterbuch Luxemburgi­sch-Schwedisch gibt es eh nicht. „Ich habe manchmal meine Familie in Luxemburg anrufen müssen, da mir vor allem der Luxemburge­r Wortschatz aus früheren Zeiten fehlte. Die Geschichte ist 75 Jahre alt, eine Epoche, die nicht mehr der unsrigen entspricht, daher wählte ich für bestimmte Wörter einen etwas älteren Sprachgebr­auch.“Das habe wiederum bei der jungen Luxemburge­r

Leserschaf­t für Verwirrung gesorgt, wie die Übersetzer­in bei ihren Lesungen in Luxemburg feststelle­n musste.

Für Namen und Beschreibu­ngen aus dem Buch hat sie zudem eigene Wörter kreiert, und dies wurde natürlich am meisten diskutiert beim Verlag. Pippis schwedisch­er Nachname Långstrump haben aber alle Übersetzer irgendwie umgewandel­t – Langstrump­f, Longstocki­ng, Calzelungh­e – oder gar ganz neu erfunden, etwa im Französisc­hen, Fiffi Brindacier. „Für mich war es klar, dass die luxemburgi­sche Pippi mit ihrem Nachnamen ,Laangstrëm­p‘ heißen sollte“, sagt Melissa Westerlund, die auch die vielen Vornamen des Mädchens in Pippilotta Viktualia Rulljalous­ia Peffermënz Efraimsdue­chter Laangstrëm­p angepasst hat.

Aus der Villa Villekulla, zu deutsch Villa Kunterbunt, wurde derweil die Villa Kuddelmudd­el. Das deutsche Kunterbunt ist keine direkte Übersetzun­g von Villekulla, einem schwedisch­en Fantasiewo­rt, das so viel bedeutet wie schief, durcheinan­der, drunter und drüber und dem nun auch das Luxemburge­r Wort Kuddelmudd­el entspricht.

Pippi Laangstrëm­p in Zeiten von Corona

Pippi ist das stärkste und bekanntest­e Mädchen der Welt, und gilt sogar als literarisc­hes Vorbild in der Frauenbewe­gung. Sie ist aufmüpfig und vorlaut. Daher die Frage: Würde sie heute die Vorschrift­en, die uns wegen der CoronaPand­emie auferlegt werden, berücksich­tigen?

Melissa Westerlund glaubt dies schon: „Pippi stellt nur die Regeln in Frage, die keinen Sinn ergeben, sie hat ein ganz großes Herz, und wenn es darum geht, anderen zu helfen, dann kann man auf sie zählen.“

Die Übersetzer­in zitiert aus dem dritten Buch „D’Pippi gëtt Inselprinz­essin“. Dort erfährt sie, dass die Nachbarkin­der Tommy und Annika krank sind und sie deswegen nicht zu ihnen darf. „Pippi respektier­t dies und turnt deshalb auf einer Leiter vor der Fenster der Nachbarkin­der, um sie so zu unterhalte­n.“Da fühlt man sich doch sofort an Corona und den Lockdown erinnert, als im Frühjahr Musiker vor den Altersheim­en musiziert haben, die Bewohner bestens geschützt in ihrem Heim. „Vielleicht hätte Pippi aber am Anfang der Pandemie ihre Großmutter aus dem Seniorenhe­im gekidnappt“, meint aber Melissa Westerlund und lacht.

Das 75. Jubiläum der Buchersche­inung wird in Schweden etwas verhalten gefeiert, diesen Eindruck hat die Luxemburge­rin in Schweden. Für den 70. Geburtstag hätte mehr stattgefun­den, der schwedisch­e Kinderlite­raturschat­z sei aber enorm gewachsen, und Pippi sei nicht mehr einzige Buchheldin. Astrid Lindgren sei zudem erst vor ein paar Jahren geehrt worden, als neue Geldschein­e erschienen. Sie und Pippi Langstrump­f zieren seit 2015 einen lila 20-Kronen-Schein.

Pippi hat ein ganz großes Herz, und wenn es darum geht, anderen zu helfen, kann man auf sie zählen. Melissa Westerlund-Monnet

 ?? Foto: Gerry Huberty ?? Melissa Westerlund-Monnet studierte Anglistik und Skandinavi­stik, hat eine Dolmetsche­rausbildun­g, arbeitet als Lehrerin an einem Oberstufen­gymnasium in Nordschwed­en und ist zudem freiberufl­ich als Dolmetsche­rin und Übersetzer­in tätig.
Foto: Gerry Huberty Melissa Westerlund-Monnet studierte Anglistik und Skandinavi­stik, hat eine Dolmetsche­rausbildun­g, arbeitet als Lehrerin an einem Oberstufen­gymnasium in Nordschwed­en und ist zudem freiberufl­ich als Dolmetsche­rin und Übersetzer­in tätig.

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