Neugierde auf das Fremde
Die frühe Globalisierung im Spiegel von Rembrandts Kunst, eine Ausstellung auf den Spuren von Welthandel und Kulturaustausch im 17. Jahrhundert.
Die Seefahrtsnationen Portugal, Spanien und Niederlande trieben in der frühen Neuzeit eine erste Welle der Globalisierung voran. Über ein weit verzweigtes Netz von Handelsbeziehungen und Stützpunkten strömten Menschen, Waren und Kunstgegenstände um die Welt. Während Gewalt und Ausbeutung die Schattenseite der frühen Globalisierung bildeten, fand in der Kunst auch ein produktiver Austausch von Bildmotiven und künstlerischen Techniken statt. Rembrandts Kunst gibt davon Zeugnis. Neuere Forschungsergebnisse und bisherige Ausstellungen zum Thema der Globalisierung in der frühen Neuzeit bilden die inhaltliche Grundlage der aktuellen sehenswerten Ausstellung im Basler Kunstmuseum.
Ausstellungen von Alten Meistern der Kunstgeschichte drehen sich allzu oft hermetisch um das Werk des Künstlers oder um Fragen der Zuschreibung. Lohnend ist hingegen auch der Blick auf die gesellschaftliche Wirkung von Kunst und ihre Einbettung in historische und alltagskulturelle Zusammenhänge. Insofern liefert die Ausstellung „Rembrandts Orient“im Kunstmuseum Basel ein gelungenes Beispiel für die soziale Kontextualisierung eines Oeuvres. Schließlich sagen Rembrandts Werke auch viel über die damalige Gesellschaft, über ihren Wissenstand, ihre Moden und Mythen aus. Eine auffällige Modeerscheinung seiner Zeit war die Orientbegeisterung, die bis ins 19. Jahrhundert anhalten sollte. Diese Begeisterung wurde aber nicht den tatsächlichen nahöstlich-muslimischen Staaten und Kulturen zuteil, sondern galt einer europäischen Fantasie bzw. Projektion.
Der Orient galt protestantisch geprägten Europäern als sinnlich-archaischer Gegenentwurf zur heimatlichen puritanisch-rationalistischen Gesellschaft. Mit „Orient“wurde verbunden: Gefühl, Ausschweifung, Übertreibung, Verschwendung und Altertümliches. Faszination und Abscheu mischten sich dabei. Entsprechend wurden orientalische Bildmotive und Symbole auch aus moralischen Gründen verwendet. Rembrandt deutete beispielsweise in seinem Bild „Musizierende Gesellschaft“aus dem Jahr 1626 mit dem Übermaß von Instrumenten, bunter Kleidung, Schmuck und nackter Haut Kritik an der Maßlosigkeit der niederländischen Gesellschaft an.
Zudem diente die orientalische Kostümierung der Modelle als Gelegenheit, Originalität und künstlerische Virtuosität zu demonstrieren. So führt Rembrandt bei der „Büste eines alten Mannes mit Turban“(1627/29) seine meisterhafte Lichtregie vor, bei der Gesicht und Federschmuck spektakulär beleuchtet werden. Und bei einigen Selbstporträts legte der Maler auch selbst gerne orientalische Tracht an. Zur Darstellung biblischer Szenen verwendeten die Künstler der Neuzeit orientalische Attribute, weil der Nahe Osten geografischer Schauplatz der Bibelgeschichten war. Dabei diente den Neuzeit-Künstlern aber nicht die Antike, sondern der zeitgenössische Nahe Osten als Inspirationsquelle, wenngleich kaum ein Künstler die arabisch-türkische Lebenswelt aus persönlicher Erfahrung kannte. Rembrandts Zeitgenossen schätzten die Glaubwürdigkeit seiner biblischen Bildmotive, deren Figuren er stets in orientalischer Kostümierung zeigte, beispielsweise tragen die Schergen auf seinem Gemälde „Steinigung des Heiligen Stephanus“(1626) Turbane.
Der orientalische Look resultierte aber weniger aus eigener Anschauung vor Ort, sondern aus der Nachahmung westlicher Darstellungen und der Fantasie des Künstlers. Nur die wenigsten Künstler jener Zeit, die orientalische Genrebilder und Landschaften schufen, hatten den Orient tatsächlich bereist. Stattdessen waren sie auf importierte Gegenstände, Kleidung oder Waffen angewiesen oder ließen ihre Fantasie spielen. So kombinierte Hans de Jode 1659 in seiner Ansicht des Topkapi-Palasts frei erfundene fernöstlich kolorierte Bergketten und schneebedeckte Hochgebirgsgipfel mit der osmanischen Stadtlandschaft. Auch von Rembrandt sind keine Auslandsreisen überliefert, offenbar hat er die Niederlande nie verlassen. Doch die Welt kam in die Niederlande: Rembrandts Wohnort Amsterdam mit seinen zahllosen Handelsvertretungen, Kontoren und internationalen Geschäftsleuten konnte im 17. Jahrhundert mit Recht als Weltstadt, als kosmopolitische Metropole bezeichnet werden, wo auch Asiaten und Afrikaner anzutreffen waren.
Die Schau versammelt neben einer Reihe von eigenhändigen Rembrandt-Werken auch Gemälde und Grafiken seiner Werkstatt und weiterer Künstler der Epoche. Auffällig ist die starke Präsenz von Radierungen Rembrandts, die auf Schenkungen des Schweizer Auktionators und Kunstexperten Eberhardt Kornfeld an das Kunstmuseum zurückgehen. Manchen Rembrandt-Kennern dürften seine Radierungen als hochwertiger Teil des Oeuvres gelten, der bislang weithin unterschätzt wurde: in diesem Bereich experimentierte der Meister mit verschiedenen Verfahren, bearbeitete Druckplatten mehrfach und zeigte somit eine große Bandbreite grafischer Arbeiten, wie in der Basler Schau zu erkennen ist.
„Rembrandts Orient. Westöstliche Begegnung in der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts“bis 14. 2. 2021 im Kunstmuseum Basel. Anschließend wird die Ausstellung im Museum Barberini in Potsdam gezeigt. kunstmuseumbasel.ch