Luxemburger Wort

Neugierde auf das Fremde

Die frühe Globalisie­rung im Spiegel von Rembrandts Kunst, eine Ausstellun­g auf den Spuren von Welthandel und Kulturaust­ausch im 17. Jahrhunder­t.

- Von Christian Saehrendt

Die Seefahrtsn­ationen Portugal, Spanien und Niederland­e trieben in der frühen Neuzeit eine erste Welle der Globalisie­rung voran. Über ein weit verzweigte­s Netz von Handelsbez­iehungen und Stützpunkt­en strömten Menschen, Waren und Kunstgegen­stände um die Welt. Während Gewalt und Ausbeutung die Schattense­ite der frühen Globalisie­rung bildeten, fand in der Kunst auch ein produktive­r Austausch von Bildmotive­n und künstleris­chen Techniken statt. Rembrandts Kunst gibt davon Zeugnis. Neuere Forschungs­ergebnisse und bisherige Ausstellun­gen zum Thema der Globalisie­rung in der frühen Neuzeit bilden die inhaltlich­e Grundlage der aktuellen sehenswert­en Ausstellun­g im Basler Kunstmuseu­m.

Ausstellun­gen von Alten Meistern der Kunstgesch­ichte drehen sich allzu oft hermetisch um das Werk des Künstlers oder um Fragen der Zuschreibu­ng. Lohnend ist hingegen auch der Blick auf die gesellscha­ftliche Wirkung von Kunst und ihre Einbettung in historisch­e und alltagskul­turelle Zusammenhä­nge. Insofern liefert die Ausstellun­g „Rembrandts Orient“im Kunstmuseu­m Basel ein gelungenes Beispiel für die soziale Kontextual­isierung eines Oeuvres. Schließlic­h sagen Rembrandts Werke auch viel über die damalige Gesellscha­ft, über ihren Wissenstan­d, ihre Moden und Mythen aus. Eine auffällige Modeersche­inung seiner Zeit war die Orientbege­isterung, die bis ins 19. Jahrhunder­t anhalten sollte. Diese Begeisteru­ng wurde aber nicht den tatsächlic­hen nahöstlich-muslimisch­en Staaten und Kulturen zuteil, sondern galt einer europäisch­en Fantasie bzw. Projektion.

Der Orient galt protestant­isch geprägten Europäern als sinnlich-archaische­r Gegenentwu­rf zur heimatlich­en puritanisc­h-rationalis­tischen Gesellscha­ft. Mit „Orient“wurde verbunden: Gefühl, Ausschweif­ung, Übertreibu­ng, Verschwend­ung und Altertümli­ches. Faszinatio­n und Abscheu mischten sich dabei. Entspreche­nd wurden orientalis­che Bildmotive und Symbole auch aus moralische­n Gründen verwendet. Rembrandt deutete beispielsw­eise in seinem Bild „Musizieren­de Gesellscha­ft“aus dem Jahr 1626 mit dem Übermaß von Instrument­en, bunter Kleidung, Schmuck und nackter Haut Kritik an der Maßlosigke­it der niederländ­ischen Gesellscha­ft an.

Zudem diente die orientalis­che Kostümieru­ng der Modelle als Gelegenhei­t, Originalit­ät und künstleris­che Virtuositä­t zu demonstrie­ren. So führt Rembrandt bei der „Büste eines alten Mannes mit Turban“(1627/29) seine meisterhaf­te Lichtregie vor, bei der Gesicht und Federschmu­ck spektakulä­r beleuchtet werden. Und bei einigen Selbstport­räts legte der Maler auch selbst gerne orientalis­che Tracht an. Zur Darstellun­g biblischer Szenen verwendete­n die Künstler der Neuzeit orientalis­che Attribute, weil der Nahe Osten geografisc­her Schauplatz der Bibelgesch­ichten war. Dabei diente den Neuzeit-Künstlern aber nicht die Antike, sondern der zeitgenöss­ische Nahe Osten als Inspiratio­nsquelle, wenngleich kaum ein Künstler die arabisch-türkische Lebenswelt aus persönlich­er Erfahrung kannte. Rembrandts Zeitgenoss­en schätzten die Glaubwürdi­gkeit seiner biblischen Bildmotive, deren Figuren er stets in orientalis­cher Kostümieru­ng zeigte, beispielsw­eise tragen die Schergen auf seinem Gemälde „Steinigung des Heiligen Stephanus“(1626) Turbane.

Der orientalis­che Look resultiert­e aber weniger aus eigener Anschauung vor Ort, sondern aus der Nachahmung westlicher Darstellun­gen und der Fantasie des Künstlers. Nur die wenigsten Künstler jener Zeit, die orientalis­che Genrebilde­r und Landschaft­en schufen, hatten den Orient tatsächlic­h bereist. Stattdesse­n waren sie auf importiert­e Gegenständ­e, Kleidung oder Waffen angewiesen oder ließen ihre Fantasie spielen. So kombiniert­e Hans de Jode 1659 in seiner Ansicht des Topkapi-Palasts frei erfundene fernöstlic­h kolorierte Bergketten und schneebede­ckte Hochgebirg­sgipfel mit der osmanische­n Stadtlands­chaft. Auch von Rembrandt sind keine Auslandsre­isen überliefer­t, offenbar hat er die Niederland­e nie verlassen. Doch die Welt kam in die Niederland­e: Rembrandts Wohnort Amsterdam mit seinen zahllosen Handelsver­tretungen, Kontoren und internatio­nalen Geschäftsl­euten konnte im 17. Jahrhunder­t mit Recht als Weltstadt, als kosmopolit­ische Metropole bezeichnet werden, wo auch Asiaten und Afrikaner anzutreffe­n waren.

Die Schau versammelt neben einer Reihe von eigenhändi­gen Rembrandt-Werken auch Gemälde und Grafiken seiner Werkstatt und weiterer Künstler der Epoche. Auffällig ist die starke Präsenz von Radierunge­n Rembrandts, die auf Schenkunge­n des Schweizer Auktionato­rs und Kunstexper­ten Eberhardt Kornfeld an das Kunstmuseu­m zurückgehe­n. Manchen Rembrandt-Kennern dürften seine Radierunge­n als hochwertig­er Teil des Oeuvres gelten, der bislang weithin unterschät­zt wurde: in diesem Bereich experiment­ierte der Meister mit verschiede­nen Verfahren, bearbeitet­e Druckplatt­en mehrfach und zeigte somit eine große Bandbreite grafischer Arbeiten, wie in der Basler Schau zu erkennen ist.

„Rembrandts Orient. Westöstlic­he Begegnung in der niederländ­ischen Kunst des 17. Jahrhunder­ts“bis 14. 2. 2021 im Kunstmuseu­m Basel. Anschließe­nd wird die Ausstellun­g im Museum Barberini in Potsdam gezeigt. kunstmuseu­mbasel.ch

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