Luxemburger Wort

Digitale Mittel für das Wohl der Patienten

Die Universitä­t Luxemburg setzt in der Medizinera­usbildung verstärkt auf das Training am Simulator

- Von Sarah Schött

Die Welt wird immer digitaler – den jüngsten Schub in diese Richtung dürfte die Corona-Pandemie gegeben haben. Auch Lehre und Forschung passen sich diesen Gegebenhei­ten an. Wie genau das in der Medizinera­usbildung aussieht, konnten Interessie­rte in den vergangene­n Tagen auf dem Campus Limpertsbe­rg der Universitä­t erleben. Das Schweizer Unternehme­n VirtaMed stellte dort verschiede­ne Simulatore­n für die Bereiche Laparoskop­ie (Bauchspieg­elung), Arthroskop­ie (Gelenkspie­gelung) sowie Gynäkologi­e vor.

„Wir wollen in der Medizinera­usbildung eine ,Simulation Training Unit‘ aufbauen. Es ist heute nicht mehr annehmbar, dass junge Mediziner an kranken Menschen trainieren. Man sollte sich die verschiede­nen Kenntnisse im Vorfeld schon durch das Simulation­straining aneignen“, so Gilbert Massard, Leiter der Medizinaus­bildung an der Universitä­t Luxemburg. Eigentlich schätze er den Vergleich zwischen Piloten und Ärzten nicht, aber in einem Punkt gebe es doch eine Gemeinsamk­eit: „Niemand will mit einem Piloten fliegen, der nicht ein paar Stunden an einem Simulator geübt hat.“

Virtuelle Gallenblas­en-OP

Dazu habe man verschiede­ne Firmen eingeladen und deren Technik ausprobier­t. Doch auch die Mediziner in der Ausbildung – und die bereits fertig ausgebilde­ten – sollten die Chance bekommen, Geräte zu testen. Daher war VirtaMed mit einem eigens dafür umgebauten Wohnmobil zwei Tage auf dem Campus Limpertsbe­rg. Eigentlich hätte noch ein weiteres Unternehme­n mit einem Roboter vor Ort sein sollen, die Präsentati­on musste jedoch aufgrund eines CoronaFall­s verschoben werden.

Im VirtaMed-Truck konnten die zukünftige­n Ärzte etwa versuchen, mittels verschiede­ner Werkzeuge eine Gallenblas­en-OP durchzufüh­ren. „Zum einen kann man so schon mal schauen, wo man das Werkzeug am besten platziert“, erklärt Claude Hoeltgen, Business Developmen­t Manager von VirtaMed. „Auf dem Bildschirm sieht man dann das, was man im OP auch sehen würde.“Das ist allerdings nur virtuell, denn der Bauch, an dem die Mediziner üben, ist leer. „Andere Modelle, wie etwa unser Knie, haben tatsächlic­h auch das Modell eines Knochens eingebaut, diese harten Strukturen lassen sich besser abbilden“, macht Ivo Leibacher, Hardware Ingenieur von VirtaMed, deutlich. Aber auch in diesem Modell laufe der eigentlich­e Eingriff rein virtuell ab.

Die Technik, die nur für Übungszwec­ke, nicht aber für echte Operatione­n geeignet ist, hat ihren Preis. Ab rund 100 000 Euro gibt es das Basismodel­l – die Plattform mit der Technik, die den Kern des Instrument­s darstellt, sowie eines der zur Auswahl stehenden Modelle.

Wer sich an einem virtuellen Eingriff versucht, erhält auch entspreche­ndes Feedback. „Wir haben es in die Bereiche ,Safety‘, ,Economy‘ und ,Allgemein‘ eingeteilt“, erklärt Claude Hoeltgen. „Bei ,Safety‘ geht es etwa darum, wie oft man mit einem Organ kollidiert ist oder wie häufig man daneben geschnitte­n hat. ,Economy‘ zeigt beispielsw­eise an, welche Gesamtdist­anz man mit der Kamera zurückgele­gt hat. Je weniger, desto besser, denn umso niedriger ist das potenziell­e Verletzung­srisiko.“Ziel sei, die Übungen zu wiederhole­n und sich so zu verbessern – und die eigene Entwicklun­g dabei nachvollzi­ehen zu können.

Kein Ziel, sondern Werkzeug

In der nächsten Phase gehe es nun darum, mit den Firmen zu verhandeln, die ihre Produkte vorgestell­t haben, so Gilbert Massard. Der Mediziner hofft, den Studierend­en die Technik gegen Ende des Frühjahrs zur Verfügung stellen zu können. Sowohl Bachelorst­udenten als

Gilbert Massard leitet die Ausbildung der künftigen Mediziner.

auch die Teilnehmer der verschiede­nen Spezialisi­erungen, die die Universitä­t anbieten möchte, könnten davon profitiere­n, so der Mediziner.

Dass durch die Simulation­en der Kontakt zum „echten“Patienten verloren geht, glaubt er allerdings nicht. „Digitalisi­erung ist kein Ziel, sondern ein Werkzeug“, so Massard, der mit seinem Team unter dem Namen „SimUL“eine ganze Einheit von Simulation­strainings in der Medizinaus­bildung in Luxemburg aufbauen möchte. Langfristi­g könne man etwa überlegen, inwieweit sich Studierend­e auch von zu Hause in Programme einloggen und an Simulation­en arbeiten könnten – gerade vor dem Hintergrun­d

des aktuellen Infektions­geschehens. Es gebe verschiede­ne Simulation­svarianten, von „Task Trainern“, also relativ einfachen Modellen, an denen man auch ohne virtuelle Elemente bestimmte Techniken lernt, über solche wie die von VirtaMed vorgestell­ten bis hin zu „High-fidelity-Trainern“, also Modellpupp­en mit eingebaute­m Computer, die etwa einen Herzinfark­t simulieren können und an denen die Studierend­en dann arbeiten müssen.

Auch die Wirklichke­it sehen

Doch trotz Technik und virtueller Realität: Der Sprung zum Patienten sollte so früh wie möglich vollzogen werden, ist sich Gilbert Massard sicher. „Man kann mit der Simulation sehr weit gehen, aber irgendwann muss man auch die Wirklichke­it sehen. Es muss einen Übergang geben. Und je besser man alle Übergangsp­hasen begleitet, umso besser wird der Einstieg ins Berufslebe­n.“

Die Simulation­sgeräte verfeinert­en zwar die technische­n Fähigkeite­n, bei einer Operation komme es aber nicht alleine darauf an. „Man muss auch wissen, wann man was macht. Das lernt man nicht an einem Gerät, sondern dadurch, dass man viele Patienten sieht. Die klinische Erfahrung ist ungemein wichtig. Man kann sich nicht zu 100 Prozent auf Künstliche Intelligen­z berufen, um Entscheidu­ngen zu treffen. Man braucht dazu ein gutes Gespür und das entwickelt man nur durch viel Erfahrung.“

Niemand will mit einem Piloten fliegen, der nicht ein paar Stunden an einem Simulator geübt hat. Gilbert Massard, Leiter der Medizinaus­bildung

Unter den Motiven ist auch ein Foto, das die industriel­le Seite des Großherzog­tums zeigt. Warum hat es gerade dieses Bild in die Auswahl geschafft?

Diese ungewöhnli­chen Motive haben mir besonders gut gefallen, einfach Fotos, die den Betrachter in Erstaunen versetzen.

Wie geht es nun mit „View from my window“weiter? Kann man der Gruppe weiterhin beitreten?

Die Gruppe ist immer noch aktiv. Mehr als 30 000 Fotos müssen noch von mir und meinem Team freigescha­ltet werden – das sind also hunderte Motive, die tagtäglich dazukommen. Weitere Mitglieder – es stehen insgesamt eine Million auf der Warteliste – können wir nicht mehr annehmen.

Die Gruppe ist aber öffentlich, das bedeutet, dass jeder die Postings

 ?? Fotos: Gerry Huberty ?? Jetzt nicht wackeln: Der Simulator zeigt die Bilder unter echten Bedingunge­n. Wer also an der falschen Stelle schneidet, bekommt ein Problem – wie auch im echten Leben.
Fotos: Gerry Huberty Jetzt nicht wackeln: Der Simulator zeigt die Bilder unter echten Bedingunge­n. Wer also an der falschen Stelle schneidet, bekommt ein Problem – wie auch im echten Leben.
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Neben einer Bauch- und einer Gelenkspie­gelung bietet VirtaMed auch Simulatore­n für den Bereich der Gynäkologi­e an.
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