Luxemburger Wort

„Nachhaltig­e Produkte lohnen sich doppelt“

Die Zeiten, in denen man sich zwischen gutem Gewissen und Rendite entscheide­n musste, sind vorbei

- Von Marlene Brey

Georg Joucken ist Head of Private Banking bei der Banque Raiffeisen. Sein größter Verdienst in Sachen Nachhaltig­keit? Er will sie zum Standard der Bank machen. Außerdem versucht er, öfter das Auto stehen zu lassen und zu Fuß zu gehen. Warum sich Nachhaltig­keit lohnt, erklärt er im Interview.

Georg Joucken, wir reden über nachhaltig­es Investment. Muss ich mich entscheide­n zwischen einem reinen Gewissen und der besten Rendite?

Nein, im Gegenteil. Zahlreiche Studien belegen, dass nachhaltig­e Produkte eher outperform­en. Es gibt natürlich keine Garantie dafür. Aber in den vergangene­n Jahren war das ganz deutlich zu erkennen. Ein Beispiel ist der MSCI Europe SRI. Der Nachhaltig­keitsindex hat in diesem Jahr eine Outperform­ance von etwa fünf Prozent gegenüber dem MSCI Europe, der nicht auf Nachhaltig­keit setzt. Das ist nicht gerade wenig.

Warum sind nachhaltig­e Anlagen momentan finanziell gleichwert­ig oder performen sogar besser als konvention­elle?

Unternehme­n, die nachhaltig investiere­n oder eine nachhaltig­e Philosophi­e vertreten, sind oft Unternehme­n, die effiziente­r mit Energieres­sourcen umgehen. Das ist ein Teil, der ihre gute Performanc­e erklärt. Dann sind es oft Unternehme­n, die sich mehr für ihre Arbeitnehm­er einsetzen. Diese sind dadurch motivierte­r, leistungss­tärker und letztendli­ch weniger krank. Auch das ist positiv für den Börsenkurs. Das dritte Element ist die Führung. Das Management berücksich­tigt vermehrt ökologisch­e und soziale Faktoren bei der Leitung und strategisc­hen Ausrichtun­g des Unternehme­ns, lässt fossile Rohstoffe wenn möglich fallen, achtet auf CO2-Emissionen, soziale Gerechtigk­eit und Arbeitsrec­ht. Bereiche wie Tabak, Alkohol, Glücksspie­l und Rüstung werden erst gar nicht entwickelt. Dadurch hat man weniger Risiken und Skandale. Und auch diese Sicherheit wird von den Börsen begrüßt. Dann gibt es noch einen zusätzlich­en Aspekt. Nachhaltig­e Unternehme­n sind oft Unternehme­n, die nicht alles nach dem Schema F machen, sie sind kreativer und innovative­r. Auch das bringt mit sich, dass sie an Börsen beflügelt werden.

Nachhaltig­keit ist gerade im Trend. Welche Rolle spielt das?

Es gibt enorme Geldflüsse in Richtung Nachhaltig­keit. Das unterstütz­t auch wieder die Börsenkurs­e. Auch dadurch sind in den letzten Jahren die Renditen von nachhaltig­en Anlagen gleichwert­ig oder tendenziel­l besser gewesen als bei den traditione­llen Einlagen. Heute haben wir deswegen auch eine neue Kategorie nachhaltig­er Anleger: Sie legen ihr Geld nicht aus Überzeugun­g an, sondern aus finanziell­em Interesse. Sie haben eben bemerkt, dass Nachhaltig­keit nicht heißt, dass man Abstriche in Richtung Rendite

machen muss. Nachhaltig­keit lohnt sich also doppelt – für Umwelt und Kontostand.

Die Frage der Anleger ist: Geht das so weiter?

Ja, tendenziel­l müssten diese Anlagen aus den genannten Gründen – effiziente­re Energienut­zung, mehr soziale Anstrengun­g, besseres Risikomana­gement, innovative­re Herangehen­sweisen und mehr Geldfluss in den Markt – eher outperform­en gegenüber traditione­llen Anlagen. Aber irgendwann, wie das auch in anderen Bereichen ist, werden sie überteuert sein und ab dem Moment kann es natürlich dazu kommen, dass andere Bereiche einen Vorteil haben. Etwa jene, die gemieden wurden – wie Ölproduzen­ten. Irgendwann sagt man sich vielleicht: Diese Unternehme­n haben wir komplett vernachläs­sigt und sie sind sehr preisgünst­ig geworden. Dann könnten nicht nachhaltig­e Unternehme­n outperform­en.

Wenn ich mich nun für nachhaltig­e Anlagen entscheide, wie fange ich als Anleger an?

Ich würde mir eine Bank suchen, die nachhaltig­e Produkte verkauft und mir zunächst diese Produkte erklären lassen (siehe Kasten). Wenn wir die Nachhaltig­keit einer Investitio­n messen, achten wir auf Umweltschu­tz, soziale Auswirkung­en und faire Unternehme­nsführung. Das sind die sogenannte­n ESG-Kriterien. Wer nachhaltig investiere­n will, sollte sich daher auch fragen, in welchem Bereich er etwas machen möchte. Soll es eher die soziale oder die ökologisch­e Komponente der Nachhaltig­keit abdecken?

Wie sehen dann entspreche­nde Produkte aus?

In jedem Bereich von ESG gibt es Fonds. Da gibt es zum Beispiel Themenfond­s, bei denen ein Schwerpunk­t auf Wasser oder auf umweltfreu­ndliche Technologi­en gelegt wird. Das Gleiche gilt für den sozialen Bereich, aber dort gibt es weniger Auswahl.

Sehen wir uns mal die nachhaltig­e Version für ein Produkt an, das in der Krise beliebt ist: Was macht Fairtrade Gold aus?

Fairtrade ist ein Label, das bestätigt, dass Menschenre­chte und Arbeitsrec­hte respektier­t werden. Das gilt auch für Gold. Fairtrade Gold heißt also, es gibt keine Kinderarbe­it. Man zahlt dafür zwei Prozent mehr. Ein Teil des Verkaufser­löses wird für den sozialen Aufbau genutzt. Es werden etwa Schulen gebaut.

Tatsächlic­h gibt es keine verbindlic­hen Kriterien für eine nachhaltig­e Geldanlage. Viele Anleger befürchten, auf „Green Washing“hereinzufa­llen. Was ist das Problem?

Momentan gibt es zu viel Interpreta­tionsspiel­raum, was Nachhaltig­keit und deren Bewertung betrifft. Bei Gesetzen und Direktiven muss Fine-Tuning betrieben werden. Die

Vorgaben zur technische­n Ausgestalt­ung der einzelnen Anforderun­gen sind in der Bearbeitun­g und werden Klarheit schaffen. Die Europäisch­e Kommission hat 2018 den Aktionspla­n für ein nachhaltig­es Finanzwese­n vorgelegt. Kernbestan­dteil des Aktionspla­ns ist es, Transparen­z im Bereich nachhaltig­en Wirtschaft­ens zu schaffen. Dazu gehören unter anderem die Offenlegun­g von Informatio­nen und ein Öko-Label für grüne Finanzprod­ukte.

Woran kann ich mich in der Zwischenze­it orientiere­n?

Es gibt schon private Label-Agenturen, etwa in Luxemburg das „LuxFlag“-Label. Sie überprüfen, ob sich etwas nur nachhaltig nennt oder es auch ist. Das gibt dem Anleger eine gewisse Sicherheit.

Auch Ölkonzerne verpassen sich inzwischen Nachhaltig­keitsstrat­egien. Aber wie kann ein solches Unternehme­n zum Klimaschut­z beitragen?

Für Anleger gibt es zwei Möglichkei­ten: Man kann in Unternehme­n investiere­n, die bereits nachhaltig sind, oder man investiert in Unternehme­n, die es werden wollen. Der, der es bereits ist, bei dem habe ich nicht unbedingt den größten Impact. Wenn ich aber in ein Unternehme­n investiere, das aus fossilen Energien aussteigen will oder zumindest umsattelt, wie etwa bei einem Ölkonzern, der in Richtung Windenergi­e geht, kann der Impact viel größer sein. Ein Projekt kann nachhaltig sein, auch wenn das Unternehme­n es noch nicht ist.

Dann kann es also losgehen mit der Nachhaltig­keit...

Ja, aber wir sprechen hier über Anlagen. Wer sich nachhaltig engagieren will, der sollte sich auch fragen: Was kann ich im Alltag tun?

Was haben Sie geändert?

Ich setze mich mit allem, was ich habe, dafür ein, unser nachhaltig­es Anlageange­bot zum Standardan­gebot unserer Bank zu machen. Ich glaube, das ist der größte Beitrag, den ich momentan leiste. Privat habe ich energieeff­izient gebaut, mein nächstes Fahrzeug wird umweltfreu­ndlicher und ich versuche, wo es geht, mehr zu Fuß zu gehen und regional einzukaufe­n. Das hat auch etwas mit Corona zu tun.

Renditen von nachhaltig­en Anlagen sind tendenziel­l besser.

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Foto: Anouk Antony Georg Joucken, Head of Private Banking bei der Banque Raiffeisen, will Nachhaltig­keit zum Standard machen.
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