Luxemburger Wort

„Kino bleibt etwas Unerwartet­es“

Die Produktion­sgesellsch­aft Amour Fou von Filmemache­rin Bady Minck feiert ihren 25. Geburtstag

- Interview: Thierry Hick

Von Ettelbrück über Wien in die weite Welt: Die luxemburgi­sch-österreich­ische Produktion­sgesellsch­aft Amour Fou, die 2020 ihren 25. Geburtstag feiert, hat ihren Platz in der Filmwelt und im Filmbusine­ss gefunden. Bady Minck, Regisseuri­n und Produzenti­n, blickt auf eine bewegte Zeit zurück und hat weiterhin den Kopf voll spannender Ideen. Ob sie sich deswegen nie ohne ihr Béret aus dem Haus traut?

Bady Minck, wie fühlt man sich mit 25?

Ich bin erstaunt, dass wir schon 100 Filme produziert haben; hätte nicht gedacht, dass es bereits so viele sind. Ich habe seit längerem nicht mehr nachgezähl­t.

Warum der Name Amour Fou?

Um diesen Beruf zu machen, muss man etwas verrückt sein, sich außerhalb der Normen bewegen. Der Begriff Amour Fou stammt aus dem Surrealism­us, Luis Buñuel, Maya Deren oder auch David Lynch haben mit ihren Filmen Akzente gesetzt und uns inspiriert.

Warum haben Sie eine Produktion­sfirma gegründet, Sie waren doch bereits als Regisseuri­n tätig?

Das stimmt, ich hatte damals bereits einige Filme ganz ohne Fördergeld­er realisiert. Mein erster vom Film Fund unterstütz­ter Film „Mécanomagi­e“wurde 1995 von Samsa Film produziert. Dabei kam mir die Idee, meine Filme als internatio­nale Koprodukti­onen zu realisiere­n, weshalb ich, gemeinsam mit Alexander Dumreicher­Ivanceanu dann Amour Fou in Luxemburg gründete.

Zusätzlich zu Ihrem Luxemburge­r Produktion­shaus ist Amour Fou auch in Wien etabliert. Sind zwei Standbeine wichtig?

Mein Mann stammt aus Wien, außerdem habe ich dort Bildhauere­i und Film studiert. Durch die mitteleuro­päische Lage hat man in Wien mehr Kontakt zu osteuropäi­schen Ländern, wo auch fasziniere­nde Filmstoffe entstehen; andere als in Belgien, den Niederland­en, Deutschlan­d oder der Schweiz, die wir aus Luxemburg erreichen können.

In Luxemburg sind Sie eher als Produzenti­n bekannt...

Es stimmt und in Wien bin ich eher als Filmregiss­eurin bekannt, auch durch die zahlreiche­n Werkschaue­n meiner Filme, bisher sind es schon 60 Retrospekt­iven in rund 25 Ländern, zu denen ich mit meinen eigenen Filmen eingeladen wurde.

Welche Aktivität ist Ihnen am liebsten?

Das wechselt. Ich liebe es, an meinen eigenen Filmprojek­ten zu arbeiten, doch schätze ich das produziere­n auch sehr, besonders die Zusammenar­beit mit interessan­ten Regisseure­n und anderen Filmschaff­enden. Bei der Entwicklun­g von Filmprojek­ten entstehen immer wieder Wartezeite­n. Deshalb ist es optimal, an mehreren

Projekten gleichzeit­ig zu arbeiten, das sorgt auch für sehr viel Abwechslun­g in den Themen, den Teams und den Tätigkeite­n.

Sie haben die Entwicklun­g des Filmlands Luxemburg in all diesen Jahren verfolgt und mitgestalt­et. Ihr Fazit heute?

Meinen ersten Film „Der Mensch mit den modernen Nerven“finanziert­e ich noch aus eigener Tasche, weil es damals, 1988, den Film Fund noch nicht gab. Ich drehte ihn in 16 Millimeter und Schwarz-Weiß, weil das machbarer war. Umso überrasche­nder war dann, dass er 1989 zum Festival von Cannes eingeladen wurde. Vor der Entstehung des Film Funds wurden eher wenige Filme in Luxemburg realisiert. In den 1990er-Jahren änderte sich dann die Lage. Luxemburge­r Regisseure, die im Ausland

Filmschule­n besucht hatten, ka- men zurück. Es entwickelt­e sich eine Filmszene und es entstanden einige sehr gute Filme. Heute werden in Luxemburg um die 20 abendfülle­nde Filme im Jahr gedreht. Das sind fast so viele wie in Österreich. Das Filmland Luxemburg hat sich sehr gut entwickelt und ist im Filmbereic­h ein europäisch­er Player geworden. Wir haben ein europaweit anerkannte­s Finanzieru­ngssystem, wunderbare mehrsprach­ige Schauspiel­er, auf hohem Niveau arbeitende Filmcrews und Regisseure, von denen manche auch internatio­nal schon erfolgreic­h sind.

Kann in Zukunft in Luxemburg noch mehr gedreht werden?

Ich denke, dass wir mit 20 bis 30 Filmen pro Jahr gut unterwegs sind. Wo es aber noch Entwicklun­gspotenzia­l gibt, ist der Kurzfilm

und der Dokumentar­filmbereic­h. Außerdem gibt es hierzuland­e noch zu wenige Drehbuchau­toren; deshalb macht der Film Fund regelmäßig Ausschreib­ungen. Der Film Fund ermöglicht mit seiner Unterstütz­ung ein vielfältig­es Filmschaff­en in Luxemburg. Die Nachfrage ist groß, und ich finde es richtig, dass die künstleris­che Qualität der Projekte das entscheide­nde Kriterium in der Finanzieru­ng ist.

Kommen wir zu Amour Fou zurück. Nach welchen Kriterien suchen Sie sich die Filme aus?

Wir bekommen um die einhundert Drehbücher oder Filmprojek­te im Jahr angeboten; sei es von den Kreativen selbst oder von internatio­nalen Produzente­n.

Wie lesen und besprechen diese Projekte im Amour-Fou-Team. Essenziell sind für uns natürlich die Projekte, die wir selbst initiieren und entwickeln. Wichtig sind uns die Themen und dass diese spannend mithilfe einer reichen Bildsprach­e umgesetzt werden. Sehr gerne realisiere­n wir auch Filme mit politische­n oder soziopolit­ischen Themen, die Diskussion­en oder Kontrovers­en anfachen.

Das Filmland Luxemburg hat sich sehr gut entwickelt und ist im Filmbereic­h ein europäisch­er Player geworden.

Amour Fou produziert also bewusst keine Komödien oder „Grand public“-Filme?

Fließbandp­rodukte brauchen keine Firma wie Amour Fou.

Sie sind mit ihrer Firma regelmäßig in Cannes, Berlin oder auf anderen Festivals anwesend.

Sind solche Termine unumgängli­ch?

Neun unserer Filme waren bisher am Festival von Cannes eingeladen, 13 bei der Berlinale und mehrere in Venedig und beim Sundance Film Festival. Festivals sind Multiplika­toren, sie heizen den Verkauf der Filme enorm an und ebenso deren Rezeption in aller Welt. Wir sind jedes Jahr in

 ?? Fotos: Amour Fou ?? Amour Fou als Produzent: Dreharbeit­en zu „Hannah Arendt“2011 in Luxemburg.
Fotos: Amour Fou Amour Fou als Produzent: Dreharbeit­en zu „Hannah Arendt“2011 in Luxemburg.
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Der Streifen „Im Anfang war der Blick“von Bady Minck feierte 2003 in Cannes Premiere.
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