Über das anstehende Ableben der Avenue de la Liberté
Wenn die Stadtplanung wieder einmal versagt
Mächtig verwundert und erstaunt zeigten sich im Jahre 2012 die Hauptstadtverantwortlichen, als die Gesellschaft „Présence“in der Studie „Mystery Shopping“die Avenue de la Liberté zur weltweit zweitattraktivsten Avenue nominierte und kürte. Die hiesigen Politikerriegen brauchten sehr lange Zeit, um sich zur Erkenntnis durchzuringen, dass der Krebsgang dieser Avenue nach dem Pariser Platz in Richtung Bahnhof durch die städtebaulichen Pamphlete der beiden Bauzonenplaner Pierre Vago (1967) und Joly (1991) eingeleitet wurde.
In der Tat, die beiden, von den französischen Architekten erarbeiteten Bebauungspläne erlaubten den pfiffigen Promotoren eine architektonische Kakophonie der anderen folgen zu lassen. Verstärkt wurde der Niedergang, besonders des letzten Teiles, dieser ehemaligen Prachtavenue durch eine stadtfeindliche Nutzung der Erdgeschosse diverser Immobilien.
Paradebeispiel sind die langweiligen Auslagen einer großen Universalbank gelegen an der Ecke Rue Origer/Avenue de la Liberté. Schlagartig mieden und ignorierten die flanierenden Fußgänger diese nun unattraktive Straßenseite und benutzten verstärkt die gegenüberliegende Seite. In der Folge wandelte sich schleichend die Geschäftsstruktur der lädierten Seite, bis quasi nur noch Läden der untersten Kategorie übrig blieben.
Diesem Strukturwandel sicherlich nicht förderlich war die kontinuierliche illegale Umwandlung von Wohnraum in Büroflächen. Für Stadtplaner unverständlich ist jedenfalls die Tatsache, dass gerade die Redaktion der „Woxx – die andere Wochenzeitung“ihre Zelte im zweiten Stock eines ehemaligen Wohnhauses aufgeschlagen und somit auch zur allgemeinen Verdrängung der Stadtbevölkerung beigetragen hat.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite ließen sich erfolgreich Läden nieder, die auf eine flanierende Klientel (Schuhgeschäft, Elektrofachgeschäft, Juwelierladen) oder auf Kunden der Gattung „auf einen kurzen Sprung“(Apotheke, Zeitungsladen, Konditorei) ausgerichtet sind. Die Einrichtung der wenigen Gratis-Kurzzeitparkplätze am unteren Ende der Geschäftsstraße hat zweifelsohne zum Erfolg der hartnäckigen und unermüdlichen Gewerbetreibenden auf dieser Straßenseite beigetragen.
Dies soll nun aber definitiv der Vergangenheit angehören. „Stop and shop“wird nicht mehr möglich sein, da, nach der Umstrukturierung der Freiheitsavenue, keine Autoabstellplätze mehr zur Verfügung stehen werden. Das Flanieren in der Avenue wird, so die Erkenntnisse von Stadtanalysten bezüglich der Städte, die auch den kostenlosen öffentlichen Verkehr eingeführt haben, zweifelsohne gegen null tendieren, besonders dann, wenn im Minutentakt eine Straßenbahn die Dienste des ÖPNV übernimmt. Wen wundert es dann, wenn vorausschauende und prominente Geschäftsinhaber bereits das Weite gesucht haben und ihre gewinnträchtige Zukunft in einem Konsumtempel auf der grünen Wiese suchen.
Daniel Miltgen, Luxemburg-Kirchberg