Von echtem Schrot und Korn
Die Familie Dieschbourg hat ihre historische Mühle zum Museum umgestaltet – und hofft nächstes Jahr auf viele Besucher
Echternach. Wenn Yves Dieschbourg zwischen den Antriebsriemen hindurchgeht, vorbei an Trichtern und Sichtfenstern, und seine Hand auf eine Riemenscheibe legt, kommt er ins Schwärmen: „Es ist eine einfache, aber raffinierte Technik. Man merkt sofort, dass sich unsere Vorväter viele Gedanken gemacht haben.“
Die rot lackierten Maschinen, der hölzerne Lastenaufzug und die Lederriemen, manche von ihnen so breit wie ein Oberschenkel – alles an der Dieschbourger Mühle wirkt so, als könne es sich von einer Minute auf die nächste wieder in Bewegung setzen und Mehl mahlen. Und der Eindruck ist zutreffend: „Alles funktioniert, die Mühle wäre sofort betriebsbereit“, erklärt Yves Dieschbourg.
Über 100 Jahre haben die Walzenstühle, die Plansichter und der Becher-Elevator treu ihren Dienst verrichtet, bis 2017 mit der Produktion in der großen Mühle Schluss war. Seither mahlt der Betrieb in kleinerem Maßstab Buchweizen auf einer Steinmühle, die in einem Nebengebäude steht.
Alles funktioniert, die Mühle wäre sofort betriebsbereit. Yves Dieschbourg
Außerdem verkauft das Familienunternehmen Spezialmehle und selbst gerösteten Kaffee, den es über den Einzelhandel und im Ladengeschäft vertreibt.
Noch vor dem Ausbruch der Pandemie haben Yves Dieschbourg und seine fünf Mitarbeiter die historische Mühle als Museum hergerichtet und gefahrenträchtige Bereiche mit Absperrband oder Plexiglas gesichert. Wegen der Corona-Auflagen ist der Besucherbetrieb derzeit auf Schulklassen beschränkt, doch wenn sich die Infektionslage im nächsten Jahr beruhigt hat, will Yves Dieschbourg verstärkt loslegen. Werbung für das Museum und Informationstafeln sind in Planung. „Die Schilder werde ich selbst gestalten“, sagt Yves Dieschbourg, der vor der Betriebsübernahme Kunstlehrer war.
Nur noch Trockenübungen
Die große Mühle setzt sich nur noch manchmal für Besuchergruppen in Bewegung, aber ohne Mahlgut. „Es wäre zu aufwendig, sie für eine Viertelstunde mahlen zu lassen. Danach müssten wir die gesamte Anlage mit allen Maschinen reinigen, was mehr als einen Tag dauern würde“, sagt Yves Dieschbourg. Genau wie daheim im Lebensmittelregal ziehen bemehlte Oberflächen nämlich Schädlinge an.
Das fünfstöckige Gebäude im Echternacher Vorort Lauterborn ist eine von nur noch zwei produzierenden Mühlen in Luxemburg. Die meisten Maschinen stammen noch aus dem Jahr 1911, als die Mühle nach einem Brand neu aufgebaut wurde. Nach dem Einbau einer automatischen Steuerung 1939 hat sich nicht mehr viel verändert.
„Die Maschinen sind gebaut, um für die Ewigkeit zu halten“, schmunzelt Yves Dieschbourg. „Wenn mal ein Riemen brüchig wird oder ein Metallteil kaputt geht, reparieren wir den Schaden.“Er geht in einen dunklen Lagerraum, in dem Hebel, Bolzen und Schrauben aus dem vergangenen Jahrhundert liegen. „Wenn wir hier nicht fündig werden, fertigt uns eine Werkstatt das Ersatzteil auf Maß an.“
Wenn im nächsten Jahr wieder mehr Museumsbesucher kommen, will Yves Dieschbourg ihnen die Begeisterung an der traditionellen Technik vermitteln. „Alles ist logisch aufgebaut und erfüllt seinen Zweck perfekt“, meint er und deutet auf einen schneckenförmigen Separator, der im Betrieb „Tobbogan-Trieur“genannt wird. Auf seiner gewendelten Rutsche gleiten die Getreidekörner nach unten, Fremdkörper oder Pflanzenteile werden ausgesondert.
Ebenfalls erhalten ist der Mühlenkanal, der vom Lauterborner Bach Wasser abzweigt und früher mit Hilfe einer Turbine die Mühle antrieb. Yves Dieschbourg denkt daran, die Turbine so auszurüsten, damit sie wieder aktiviert werden kann und umweltfreundliche Energie produziert.
Bei den Führungen können die Besucher ihren luxemburgischen Wortschatz erweitern. Yves Dieschbourg zeigt ihnen Schalen mit den Produkten, die beim Mahlvorgang anfallen. Dort kommt nämlich nicht nur Mehl heraus, sondern auch „Schmull“(Speisegrieß) und „Krësch“(Kleie). Durch Siebe unterschiedlicher Feinheit werden diese Fraktionen voneinander getrennt und Schrot und Grieß erneut vermahlen.
Ganz oben: Die Maschinen einer Straßburger Mühlenbaufirma haben schon viele Jahrzehnte auf dem Buckel, sind aber noch funktionstüchtig.
Yves Dischbourg kennt die Mühle seit seiner Kindheit und ist noch immer von der Technik fasziniert.
Der Betrieb mahlt Buchweizen auf einer Steinmühle (oben) und verkauft Spezialmehle.
Besucher der besonderen Art hatte die Mühle vor einigen Monaten, als Gutachter der Denkmalschutzbehörde SSMN das Gebäude und die Maschinen inspizierten. Sie waren voll des Lobes für das authentische Ensemble. „Sogar der hölzerne Lastenaufzug und die Fenster sind erhalten“, heißt es in ihrem Bericht. Der Klassierungsprozess läuft, sodass die Mühle wohl bald unter Denkmalschutz stehen wird.
Yves Dieschbourg freut sich schon darauf, wenn er im kommenden Jahr wieder mehr Besucher auf dem kopfsteingepflasterten Hof empfangen kann. Begrüßt werden die Gäste mit Kaffeeduft, denn die Röstmaschine steht gleich nebenan.
Die Maschinen sind gebaut, um für die Ewigkeit zu halten. Yves Dieschbourg