Luxemburger Wort

Boris will es richten

Brexit-Handelsabk­ommen: Britischer Premier greift persönlich ein

-

Brüssel/London. Im Streit über den Brexit-Handelspak­t soll ein persönlich­es Treffen auf höchster Ebene den Durchbruch bringen. Der britische Premiermin­ister Boris Johnson werde in den kommenden Tagen nach Brüssel reisen, um mit EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen die schwierigs­ten Fragen zu klären, teilte die EU-Kommission gestern Abend nach einem Telefonat Johnsons mit von der Leyen mit. Damit geht das Drama um das Abkommen abermals in die Verlängeru­ng. Es soll bereits am 1. Januar ratifizier­t und in Kraft sein.

„Die Bedingunge­n für eine Einigung sind wegen Differenze­n bei entscheide­nden Punkten noch nicht gegeben“, hieß es in einer von der Kommission verbreitet­en gemeinsame­n Erklärung. „Wir haben unsere Chefunterh­ändler gebeten, eine Übersicht über die bleibenden Differenze­n vorzuberei­ten, damit diese persönlich in den nächsten Tagen besprochen werden können.“Ein Sprecher der EUKommissi­on bestätigte, dass Johnson in den nächsten Tagen in Brüssel erwartet wird.

Enormer Zeitdruck

Am Morgen hatte EU-Unterhändl­er Michel Barnier bei internen Unterricht­ungen deutlich gemacht, dass es bei den entscheide­nden Knackpunkt­en auch in der seit Sonntag laufenden jüngsten Verhandlun­gsrunde kaum Fortschrit­te gegeben habe. Die drei wichtigste­n Punkte sind: Zugang für EU-Fischer zu britischen Gewässern, faire Wettbewerb­sbedingung­en und Regeln zur Ahndung von Verstößen gegen das Abkommen.

Der Zeitdruck ist knapp vier Wochen vor dem Ende der BrexitÜber­gangsphase enorm. Zum Jahreswech­sel scheidet Großbritan­nien nach dem EU-Austritt auch aus dem Binnenmark­t und der Zollunion. Ohne Handelsabk­ommen drohen Zölle und andere Handelshür­den.

Keine Einigung um jeden Preis

Trotz des weitgehend­en Stillstand­s in den Verhandlun­gen hatte die EU-Seite auch gestern auf Einigungsc­hancen gepocht. Die britische Seite zeigte sich vor dem Telefonat zu weiteren Gesprächen

bereit. Die deutsche Bundesregi­erung bekräftigt­e, es müsse Kompromiss­bereitscha­ft auf beiden Seiten geben. Der deutsche Außenminis­ter Heiko Maas betonte, es sei innerhalb der EU klar, dass es keine Einigung um jeden Preis geben werde. „Aber wir wollen definitiv ein Abkommen erreichen.“Deutschlan­d hat noch bis Ende Dezember die EU-Ratspräsid­entschaft inne.

Die EU hat Großbritan­nien freien Warenhande­l ohne Zölle und Mengenbegr­enzungen angeboten. Dafür fordert sie aber gleiche Umwelt- oder Sozialstan­dards und Subvention­sregeln. Das verbirgt sich hinter dem Punkt faire Wettbewerb­sbedingung­en – im Verhandlun­gsjargon „Level Playing Field“. Großbritan­nien möchte sich aber von der EU möglichst wenige Vorgaben machen lassen.

Das zweite Streitthem­a Fischerei ist vor allem für Küstenstaa­ten wichtig, allen voran Frankreich. Die Unterhändl­er feilschen um die

Mengen, die EU-Fischer in britischen Gewässern fangen dürfen.

Der dritte Punkt „Durchsetzu­ng des Vertrags“ist der EU auch wegen eines Manövers der JohnsonReg­ierung wichtig, das in Brüssel auf helle Empörung traf: ein geplanter Verstoß gegen das bereits gültige EU-Austrittsa­bkommen. Johnson wollte mit dem sogenannte­n Binnenmark­tgesetz Teile des bereits gültigen EU-Austrittsv­ertrags aushebeln.

Die EU fordert gleiche Umweltoder Sozialstan­dards und Subvention­sregeln.

Versöhnlic­he Signale aus London Hier deutete die britische Regierung aber gestern Bereitscha­ft zum Einlenken an. Sie sei bereit, umstritten­e Klauseln des Gesetzentw­urfs zu entfernen oder zu entschärfe­n. Voraussetz­ung sei eine Einigung in dem gemeinsame­n Komitee, das für die Umsetzung der Nordirland-Bestimmung­en des Austrittsv­ertrags zuständig ist. „Die Gespräche dauern an und abschließe­nde Entscheidu­ngen werden in den kommenden Tagen erwartet“, hieß es in der Mitteilung der Regierung.

Großbritan­nien möchte sich von der EU möglichst wenige Vorgaben machen lassen.

Die umstritten­en Klauseln waren während des Gesetzgebu­ngsverfahr­ens von der zweiten Kammer des britischen Parlaments, dem Oberhaus, entfernt worden. Die britische Regierung hatte aber angekündig­t, sie am Montag im Unterhaus wieder einzufügen. Die EU sah dies als Affront. Die jüngsten Signale aus London dürften diesen Konflikt politisch entschärft haben. dpa

 ?? Foto: AFP ?? London im Nebel: Gibt es ein Happy End oder aber ein Desaster in Sachen Brexit? Das werden die kommenden Tage zeigen.
Foto: AFP London im Nebel: Gibt es ein Happy End oder aber ein Desaster in Sachen Brexit? Das werden die kommenden Tage zeigen.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg