Corona-Wirren in Russland
Die Angaben über die Folgen von Covid-19 widersprechen sich ebenso wie die über die Impfungen
Gesundheitsminister Michail Muraschko äußerte sich gestern doch drastisch: Immer neue Virenherde erforderten es, die physischen Bewegungen der Russen einzuschränken, auch zwischen den Regionen. Bislang konnten sich die Behörden meist nur zu formalen Anti-Corona-Maßnahmen durchringen, wie der Schließung von Cafés und Kneipen nach 23 Uhr.
Es herrscht Covid-19-Wirrnis in Russland, schon was die Zahlen angeht. Seit September zeigt die vaterländische Pandemiekurve steil nach oben, gestern gab es 28 142 Neuinfizierte und 456 Tote. Aber das sind offizielle Zahlen des Operativen Stabs zur Corona-Bekämpfung, viele Fachleute halten die Sterberate für deutlich höher. Der Stab meldet 43 600 Todesopfer insgesamt. Aber laut dem Statistikamt Rosstat gab es schon von April bis September über 55 000 Corona-Tote. Seitdem verdoppelten sich die Fälle auf gut 2,5 Millionen. Es häufen sich Klagen von Patienten, die an Covid-19 Symptomen und hohem Fieber leiden, aber vergeblich versuchen, eine Ambulanz zu rufen. „Auch viele Herzanfälle enden jetzt tödlich“, sagt die Ärztin Jelena Spiridonowa, „weil der Notarzt es nicht mehr zu jedem Patienten schafft.“
Unklar ist auch die Kapazität der Intensivstation-Betten. Gestern erklärte Minister Muraschko, man habe 278 500 Betten für CoronaKranke, 22,8 Prozent davon seien frei. Im Mai aber war noch von 127 000 Betten die Rede. Nun fragen sich Fachleute, woher das Personal für eine doppelt so große Zahl von Betten mit intensiver Betreuung
Der russische „Sputnik V“-Impfstoff befindet sich noch in der Testphase.
kommen soll. Schon im Oktober sagte die Ärztegewerkschaftlerin Anastasia Wassiljewa dem „Luxemburger Wort“, in Uljanowsker Corona-Kliniken versorgten zwei Ärzte hundert Patienten.
Seit Samstag werden Moskauer mit dem neuen „Sputnik V“-Serum geimpft, im „großen Maßstab“, wie Wladimir Putin es forderte. Er versprach vor einer Woche die Herstellung von zwei Millionen Impfdosen in den nächsten Tagen. Allerdings meldete Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin gestern nur 2 000 Impfungen an den ersten beiden Tagen. Man beschränke sich bisher auf die Risikogruppen Ärzte, Lehrer und Sozialarbeiter. Kein Wunder, laut dem Portal meduza.ru hat Russland bisher nur 500 000 Dosen auf Lager, weil ungelöste technische Probleme die stabile Produktion eines der zwei nötigen Wirkstoffe noch verhindern.
Putin noch nicht geimpft
Und noch befindet sich „Sputnik V“in der Testphase. Die Wirksamkeit des Impfstoffes wird mit 95 Prozent angegeben. Unabhängige Studien zu dem russischen Impfstoff sind aber bisher nicht bekannt. Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte kürzlich, Putin selbst sehe bisher von einer Impfung ab. „Der Staatschef kann doch nicht als Freiwilliger teilnehmen.“Die Verwirrung geht weiter.
Auch viele Herzanfälle enden jetzt tödlich. Jelena Spiridonowa, Ärztin