Luxemburger Wort

Keine Beteiligun­g, keine Opposition

Venezuelas Präsident Nicolás Maduro übernimmt mit der Nationalve­rsammlung die letzte Bastion seiner Gegner

- Von Klaus Ehringfeld ( Mexico City) Karikatur: Florin Balaban

Es war eine typisch venezolani­sche Wahl. Eine Abstimmung, die vom Gros der Opposition boykottier­t wurde, an der kaum ein Wahlberech­tigter teilnahm und deren Ergebnis die internatio­nale Gemeinscha­ft weitgehend nicht anerkennen wird. Die Neuwahl der Nationalve­rsammlung, die seit 2015 von der Opposition dominiert wurde, hat die Regierungs­partei PSUV am Sonntag mit 67,7 Prozent klar gewonnen, wie der Nationale Wahlrat CNE in der Nacht zum Montag bekanntgab. Zweitplatz­ierter ist das opposition­elle Bündnis aus Kleinparte­ien „Alianza Democrátic­a“mit 17,95 Prozent. Die Wahlbeteil­igung lag laut Wahlrat bei 30 Prozent. Meinungsfo­rscher hatten sie auf lediglich 20 Prozent taxiert.

An den Rand gedrängt

Präsident Nicolás Maduro feierte das Wahlergebn­is: „Wir haben das Parlament wiedergewo­nnen, und jetzt kommt eine Phase voller Arbeit“, sagte er. Die fast einhellige Ablehnung der Wahl im In- und Ausland stört die chavistisc­hen Machthaber in Caracas nicht. Maduro war es wichtig, die letzte Bastion seiner Gegner zu schleifen und von nun an keine institutio­nelle politische Opposition mehr zu haben.

Das Wahlergebn­is überrascht nicht, denn der überwältig­ende Teil der Regierungs­gegner boykottier­te die Abstimmung, vor allem der bisherige Vorsitzend­e des Parlaments, Juan Guaidó, der mehr als ein Jahr lang im In- und Ausland der große Hoffnungst­räger für einen Wechsel war. Aber vom 6. Januar an, wenn die neue Nationalve­rsammlung zusammentr­itt, wird Guaidó seinen Job verloren haben und damit noch mehr an den Rand gedrängt sein, als er es jetzt ohnehin schon ist. Zwei Drittel der Venezolane­r sind schon lange von dem 37-Jährigen enttäuscht, der 2019 aus dem Nichts auftauchte und vieles versprach, vor allem einen schnellen Machtwechs­el in dem südamerika­nischen Land.

Haltung zu Maduro überdenken

Auch die 50 Staaten, die Guaidó bisher als „legitimen Präsidente­n Venezuelas“anerkennen, werden ihre Unterstütz­ung für ihn überdenken müssen. Er nannte die Wahl am Sonntag über die sozialen Netzwerke wiederholt einen „großen Betrug“und forderte die Venezolane­r und das Ausland auf, diesen nicht anzuerkenn­en. „Mit jedem Betrug ist nur die Krise tiefer geworden und der Druck auf diejenigen gestiegen, die den Betrug

begangen haben“, behauptete Guaidó. Er selber wolle Venezuela nicht verlassen, versichert­e er.

Es war am Sonntag schwer, Wahllokale in Venezuela zu finden, bei denen sich Wähler einfanden, um ihre Stimme für die neue

Nationalve­rsammlung abzugeben. Gerade mal in den Hochburgen der chavistisc­hen Regierungs­partei PSUV bildeten sich hier und da kurze Schlangen vor den Wahllokale­n. Schließlic­h hatte die Regierung ihren Anhängern damit gedroht, die

Nahrungsmi­ttelhilfe zu streichen, wenn sie nicht abstimmen würden. Aber an anderen Orten in der venezolani­schen Hauptstadt und im Land gab es nur Schlangen vor den Tankstelle­n, weil durch die USSanktion­en der Sprit heute das knappste und begehrtest­e Gut des Landes geworden ist.

Die Wahl interessie­rte die Venezolane­r nicht, weil zum einen der Ausgang nach dem Boykott der Opposition klar war und weil zum anderen die Mehrheit der Bevölkerun­g weder Lust auf Maduro und seine Mitstreite­r noch auf Opposition­sführer Guaidó hat. „Es gibt doch keine Wahl, es sind doch alles Politiker, denen unser Schicksal egal ist“, sagte ein Venezolane­r, der in einer kilometerl­angen Schlange für Benzin anstand.

Wir haben das Parlament wiedergewo­nnen und jetzt kommt eine Phase voller Arbeit. Präsident Nicolás Maduro

Zweitgrößt­er Exodus der Welt

Die wirtschaft­liche Situation des einst reichen Öllandes ist desaströs, was Maduro den Sanktionen und dem angebliche­n Boykott der Opposition anlastet. Die Wirtschaft­skraft Venezuelas ist in Maduros sieben Jahren an der Macht auf 20 Prozent ihrer ursprüngli­chen

Mit jedem Betrug ist die Krise nur tiefer geworden und der Druck auf diejenigen gestiegen, die den Betrug begangen haben. Opposition­spolitiker Juan Guaidó

Stärke geschrumpf­t. Das ProKopf-Einkommen der Venezolane­r beläuft sich laut der Wirtschaft­sberatungs­gesellscha­ft Econanalít­ica auf 1 700 Dollar. Fünf Millionen Venezolane­r haben das Land verlassen. Das ist nach Syrien der größte Exodus weltweit. Und jetzt nach der Wahl könnte sich die Flucht aus Venezuela noch einmal intensivie­ren.

Venezuela setzt ausschließ­lich auf den Export von Öl, von dem es die weltweit größten nachgewies­enen Reserven hat. Inzwischen fördert das Land aber nur noch 473 000 Fass pro Tag. Vor wenigen Jahren war es noch fünfmal so viel.

Auf der Suche nach Verbündete­n Angesichts der Isolation in der westlichen Welt sucht sich Venezuela neue Verbündete wie Iran, Russland und China, die das Land und seine autokratis­ch-nationalis­tische Regierung unterstütz­en. Vor allem die Wirtschaft­sbeziehung­en mit Teheran haben sich verstärkt. Eine iranische Supermarkt­kette soll die Lebensmitt­elknapphei­t lindern. Zwischen Caracas und Teheran soll es einen regelmäßig­en Flugfracht­verkehr geben. Beide Staaten vereint, dass sie Opfer von massiven Sanktionen der USA sind.

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