Lernprozess Livestream
Wie sich das Ettelbrücker Cape-Team in Krisenzeiten um die Künstler und das Publikum bemüht
„Sie müssen schon einige Formulare ausfüllen – aber wir haben ja einen Vertrag, und dann ist das einfacher“, sagt Aniela Stoffels. Die Luxemburger Flötistin aus dem Bläserquintett „pentaTon“musste gedanklich miteinrechnen, dass es für diesen Auftritt morgen Abend noch aufwendiger werden könnte: Ihre Mitmusiker werden aus der Schweiz für das Konzert im Ettelbrücker Cape anreisen. Covid-19, Luxemburg als „Risikogebiet“, alles das hat Auswirkungen, die das schweizerisch-luxemburgische Ensemble nun treffen.
Die Fünf haben sich während des Musikstudiums an den Hochschulen in Zürich und Luzern kennengelernt und konzertieren als „pentaTon“seit 2011 zusammen. Und jede Möglichkeit, aktuell ihre Programme aufzuführen, will das Quintett nutzen. Eben auch dann, wenn es „nur“ein sogenannter Livestream ist – also eine Echtzeit-Übertragung in das Internet von Audiooder Video-Aufnahmen.
In dieser Form wird nämlich morgen Abend das ursprünglich mit Publikum geplante Konzert stattfinden – pünktlich ab 20 Uhr über die Website des Kulturhauses. „Natürlich müssen wir uns darauf umstellen. Wir haben das Programm gekürzt – bei einem normalen Konzert gäbe es ja eine Pause und hier stellt sich schon die Frage, wie lange das Publikum online zuhören wird“, sagt Stoffels. „Das Visuelle wird noch wichtiger als sonst sein – gerade in der Hinsicht, wie wir noch mehr Spannungsbögen aufbauen können, damit es für das Publikum interessant bleibt. Aber selbst dann fehlt die für uns wichtige Reaktion, der sonst so direkte Kontakt mit den Zuschauern“, gibt die Flötistin als Einblick in die Überlegungen vorweg.
Inzwischen gibt es zwar schon einen gewissen Erfahrungsschatz in der Kulturszene, der sich mit der
Corona-Krise in puncto KulturVermittlung auf digitalem Weg ergeben hat. Und doch bleibt jedes Engagement auch ein Experiment, das genau bedacht sein will.
Eigentlich ist für Carl Adalsteinsson – ebenso wie für viele andere Verantwortliche an der Spitze der Kulturhäuser – das Liveerlebnis im Konzertsaal selbst unersetzlich. Und doch sieht der Cape-Chef seine Aufgabe eben auch darin, in Zeiten des Lockdown sich zumindest der „Ergänzung Livestream“anzunähern – allein schon im Interesse der in seinem Haus immer wieder beschworenen Mission als „regionaler Kultur-Grundversorger“.
Neuer Fragenkosmos für den Veranstalter
Die Direktübertragung ins Netz wird strategisch geplant. Dabei bricht es ihm auch keinen Zacken aus der Intendantenkrone, auf externe Expertise zurückzugreifen – und das auch zu finanzieren; ohne Einnahmen aus Eintrittskarten und angewiesen auf Spenden, um die gebeten wird. „Wir haben uns nach einem Partner umgeschaut, der sich mit dem Thema Livestream bestens auskennt – und für uns war klar, dass wir jetzt nicht Tanz oder Schauspiel mit einer großen Regie machen könnten. Konzerte bieten sich an und das wollen mir auch mit aller Macht angesichts der Krise machen. Und ,Media4all’ wollte diesen Weg Lernprozess mit uns gehen, weil eben doch Neuland dabei ist“, gibt Adalsteinsson zu.
Wie ist das mit den Rechten? Sind die Künstler mit einer solchen Direktaufnahme ohne Korrekturund Schnittmöglichkeit einverstanden? Wird der Mitschnitt später noch verfügbar sein? „Da kommt eben auch ein ganz neuer Kosmos an ungewohnten Fragestellungen zusammen, den auch wir als Veranstalter erst einmal verstehen und uns erarbeiten müssen.“Adalsteinsson hat sich mit unter anderem mit Marc Nickts von der Luxemburger Musikrechtsagentur Sacem beraten, wie die Übertragungen rechtlich sicher so gut wie möglich abgeklärt werden können. Denn unter anderem wird eine Uraufführung zu hören sein: Marco Pütz’ „Woodwind Quintett, No. 2“; eingebettet in ein „farbenreiches Programm“– darunter eine Beethoven-Bearbeitung für das Quintett, so Stoffels. Daher auch die Entscheidung: Der
Stream ist nur innerhalb des normalen Konzertzeitraums kostenlos aufrufbar – es findet keine Archivierung oder der Aufbau einer Cape-Mediathek statt. „Das ist rechtlich einfacher; alles andere würde sehr komplex. Zentraler Anker bleibt immer unsere eigene Website und wir haben für die Umsetzung über die Plattform Vimeo entschieden, weil dort zum Beispiel die Tonqualität des Livestreams besser ist“, sagt Adalsteinsson.
Es wird ein Lernprozess für alle Beteiligten. Das Ensemble sucht nach Möglichkeiten, die Musik noch besser dazustellen; das Kulturhaus stellt die Infrastruktur und die externe Firma. Auch das Team der Firma Media4all müsse dazulernen. „Ihre Kompetenzen lagen bisher eher im Sport. Und eben eine Bühne und Musik gut abzubilden und vor allem auch klanglich sauber zu übertragen, ist eine Herausforderung“, sagt Adalsteinsson. Daher wird heute viel getestet werden müssen, wie die drei geplanten Kameras das Geschehen um Aniela Stoffels (Flöte), Marita Kohler (Oboe), Nicolas Katz (Klarinette), Ramon Imlig (Horn) und Philipp Hösli (Fagott) einfangen werden.
Erste Erfahrungen aber aus dem ersten Cape-Livestream mit dem Konzert„The Klezmer Tunes“am 28. November gibt es schon. „Und wir sind sehr zufrieden, aber wir brauchen schon klar die Hilfe in der Technik. Fehler sind uns aufgefallen, wie das Licht zum Beispiel, das stärker sein muss. Insgesamt bleibt so Livestream aber nur ein Pflaster. Unsere Mission ist nicht, das Internet zu bespielen. Aber die Statistik halten wir genau im Auge. Das Feedback war gut und wir hatten mehr dauerhafte Zuschauer als im Saal unter Coronabedingungen Platz gehabt hätten.“
Der Livestream mit dem Ensemble „pentaTon“ist morgen ab 20 Uhr über die Website des Cape kostenfrei abrufbar. Mehr unter:
www.cape.lu