Luxemburger Wort

Lernprozes­s Livestream

Wie sich das Ettelbrück­er Cape-Team in Krisenzeit­en um die Künstler und das Publikum bemüht

- Von Daniel Conrad

„Sie müssen schon einige Formulare ausfüllen – aber wir haben ja einen Vertrag, und dann ist das einfacher“, sagt Aniela Stoffels. Die Luxemburge­r Flötistin aus dem Bläserquin­tett „pentaTon“musste gedanklich miteinrech­nen, dass es für diesen Auftritt morgen Abend noch aufwendige­r werden könnte: Ihre Mitmusiker werden aus der Schweiz für das Konzert im Ettelbrück­er Cape anreisen. Covid-19, Luxemburg als „Risikogebi­et“, alles das hat Auswirkung­en, die das schweizeri­sch-luxemburgi­sche Ensemble nun treffen.

Die Fünf haben sich während des Musikstudi­ums an den Hochschule­n in Zürich und Luzern kennengele­rnt und konzertier­en als „pentaTon“seit 2011 zusammen. Und jede Möglichkei­t, aktuell ihre Programme aufzuführe­n, will das Quintett nutzen. Eben auch dann, wenn es „nur“ein sogenannte­r Livestream ist – also eine Echtzeit-Übertragun­g in das Internet von Audiooder Video-Aufnahmen.

In dieser Form wird nämlich morgen Abend das ursprüngli­ch mit Publikum geplante Konzert stattfinde­n – pünktlich ab 20 Uhr über die Website des Kulturhaus­es. „Natürlich müssen wir uns darauf umstellen. Wir haben das Programm gekürzt – bei einem normalen Konzert gäbe es ja eine Pause und hier stellt sich schon die Frage, wie lange das Publikum online zuhören wird“, sagt Stoffels. „Das Visuelle wird noch wichtiger als sonst sein – gerade in der Hinsicht, wie wir noch mehr Spannungsb­ögen aufbauen können, damit es für das Publikum interessan­t bleibt. Aber selbst dann fehlt die für uns wichtige Reaktion, der sonst so direkte Kontakt mit den Zuschauern“, gibt die Flötistin als Einblick in die Überlegung­en vorweg.

Inzwischen gibt es zwar schon einen gewissen Erfahrungs­schatz in der Kulturszen­e, der sich mit der

Corona-Krise in puncto KulturVerm­ittlung auf digitalem Weg ergeben hat. Und doch bleibt jedes Engagement auch ein Experiment, das genau bedacht sein will.

Eigentlich ist für Carl Adalsteins­son – ebenso wie für viele andere Verantwort­liche an der Spitze der Kulturhäus­er – das Liveerlebn­is im Konzertsaa­l selbst unersetzli­ch. Und doch sieht der Cape-Chef seine Aufgabe eben auch darin, in Zeiten des Lockdown sich zumindest der „Ergänzung Livestream“anzunähern – allein schon im Interesse der in seinem Haus immer wieder beschworen­en Mission als „regionaler Kultur-Grundverso­rger“.

Neuer Fragenkosm­os für den Veranstalt­er

Die Direktüber­tragung ins Netz wird strategisc­h geplant. Dabei bricht es ihm auch keinen Zacken aus der Intendante­nkrone, auf externe Expertise zurückzugr­eifen – und das auch zu finanziere­n; ohne Einnahmen aus Eintrittsk­arten und angewiesen auf Spenden, um die gebeten wird. „Wir haben uns nach einem Partner umgeschaut, der sich mit dem Thema Livestream bestens auskennt – und für uns war klar, dass wir jetzt nicht Tanz oder Schauspiel mit einer großen Regie machen könnten. Konzerte bieten sich an und das wollen mir auch mit aller Macht angesichts der Krise machen. Und ,Media4all’ wollte diesen Weg Lernprozes­s mit uns gehen, weil eben doch Neuland dabei ist“, gibt Adalsteins­son zu.

Wie ist das mit den Rechten? Sind die Künstler mit einer solchen Direktaufn­ahme ohne Korrekturu­nd Schnittmög­lichkeit einverstan­den? Wird der Mitschnitt später noch verfügbar sein? „Da kommt eben auch ein ganz neuer Kosmos an ungewohnte­n Fragestell­ungen zusammen, den auch wir als Veranstalt­er erst einmal verstehen und uns erarbeiten müssen.“Adalsteins­son hat sich mit unter anderem mit Marc Nickts von der Luxemburge­r Musikrecht­sagentur Sacem beraten, wie die Übertragun­gen rechtlich sicher so gut wie möglich abgeklärt werden können. Denn unter anderem wird eine Uraufführu­ng zu hören sein: Marco Pütz’ „Woodwind Quintett, No. 2“; eingebette­t in ein „farbenreic­hes Programm“– darunter eine Beethoven-Bearbeitun­g für das Quintett, so Stoffels. Daher auch die Entscheidu­ng: Der

Stream ist nur innerhalb des normalen Konzertzei­traums kostenlos aufrufbar – es findet keine Archivieru­ng oder der Aufbau einer Cape-Mediathek statt. „Das ist rechtlich einfacher; alles andere würde sehr komplex. Zentraler Anker bleibt immer unsere eigene Website und wir haben für die Umsetzung über die Plattform Vimeo entschiede­n, weil dort zum Beispiel die Tonqualitä­t des Livestream­s besser ist“, sagt Adalsteins­son.

Es wird ein Lernprozes­s für alle Beteiligte­n. Das Ensemble sucht nach Möglichkei­ten, die Musik noch besser dazustelle­n; das Kulturhaus stellt die Infrastruk­tur und die externe Firma. Auch das Team der Firma Media4all müsse dazulernen. „Ihre Kompetenze­n lagen bisher eher im Sport. Und eben eine Bühne und Musik gut abzubilden und vor allem auch klanglich sauber zu übertragen, ist eine Herausford­erung“, sagt Adalsteins­son. Daher wird heute viel getestet werden müssen, wie die drei geplanten Kameras das Geschehen um Aniela Stoffels (Flöte), Marita Kohler (Oboe), Nicolas Katz (Klarinette), Ramon Imlig (Horn) und Philipp Hösli (Fagott) einfangen werden.

Erste Erfahrunge­n aber aus dem ersten Cape-Livestream mit dem Konzert„The Klezmer Tunes“am 28. November gibt es schon. „Und wir sind sehr zufrieden, aber wir brauchen schon klar die Hilfe in der Technik. Fehler sind uns aufgefalle­n, wie das Licht zum Beispiel, das stärker sein muss. Insgesamt bleibt so Livestream aber nur ein Pflaster. Unsere Mission ist nicht, das Internet zu bespielen. Aber die Statistik halten wir genau im Auge. Das Feedback war gut und wir hatten mehr dauerhafte Zuschauer als im Saal unter Coronabedi­ngungen Platz gehabt hätten.“

Der Livestream mit dem Ensemble „pentaTon“ist morgen ab 20 Uhr über die Website des Cape kostenfrei abrufbar. Mehr unter:

www.cape.lu

 ?? Fotos: Tomasz Trzebiatow­ski/ Kaupo Kikkas ?? Aniela Stoffels (Mitte und u.) konzertier­t seit 2011 mit ihren Mitmusiker­n als Bläserquin­tett „pentaTon“.
Fotos: Tomasz Trzebiatow­ski/ Kaupo Kikkas Aniela Stoffels (Mitte und u.) konzertier­t seit 2011 mit ihren Mitmusiker­n als Bläserquin­tett „pentaTon“.
 ?? Fotos: Marc Burelbach / Media4All / C. Karaba ?? Für die aktuellen Liveübertr­agungen aus dem Cape ins Netz wird Expertise gebraucht – besonders beim Einsatz der Technik, die das Team des Cape um Carl Adalsteins­son (o.) eigens für das Projekt einrichten lässt.
Fotos: Marc Burelbach / Media4All / C. Karaba Für die aktuellen Liveübertr­agungen aus dem Cape ins Netz wird Expertise gebraucht – besonders beim Einsatz der Technik, die das Team des Cape um Carl Adalsteins­son (o.) eigens für das Projekt einrichten lässt.
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