Luxemburger Wort

Ein genialer Schachzug

„The Queen’s Gambit“auf Netflix lässt Fans auf eine, unwahrsche­inliche, zweite Season hoffen

- Von Mireille Meyer

Wer vom Internet erfahren will, wie die Schacheröf­fnung „The Queen’s Gambit“(das Damengambi­t) verläuft, braucht Geduld. Man muss dafür zuerst durch eine ganze Reihe von Artikeln scrollen, die sich mit dem Netflix-Phänomen gleichen Namens befassen und mit dem Schachboom, den die siebenteil­ige Serie ausgelöst hat. Ob nun das Damengambi­t eine gute Eröffnung imaginären Schachbret­t an der Decke des Schlafsaal­s die Könige schachmatt zu setzen.

Ihr einzigarti­ges Talent wird offensicht­lich und von der Heimleitun­g hervorgeho­ben, als sich das Ehepaar Wheatley im Hinblick auf eine Adoption für Beth interessie­rt. In ihrem neuen Zuhause sieht Beth, wie Alma Wheatley (Marielle Heller) sich den Alltag ihrer unglücklic­hen Ehe schöntrink­t, experiment­iert selber mit Alkohol und Beruhigung­spillen, um ihr emotionale­s Trauma und ihr Gefühl der Unzulängli­chkeit zu beseitigen. Die beiden Frauen entwickeln eine Beziehung zueinander, in deren Mittelpunk­t die Teilnahme an Schachturn­ieren und das zu gewinnende Geld steht.

„The Queen’s Gambit“basiert auf dem gleichnami­gen Roman von

Walter Tevis aus dem Jahr 1983. Man muss kein Schachenth­usiast sein, um dem von Scott Frank und Allan Scott verfilmten Weg von Beth an die Spitze dieser Männerdomä­ne mit Spannung zu folgen. Sie macht sich dabei einen Ratschlag ihrer Mutter zu Nutze: „Du wirst in deinem Leben Männern begegnen, die dir Dinge beibringen möchten. Das macht sie nicht schlauer. Du lässt sie einfach an dir vorbeizieh­en, gehst weiter und machst genau das, was du willst.“

Schach, ein strategisc­hes Brettspiel, ist weiß Gott kein visuelles Drama. Doch Steven Meizler (Kinematogr­aphie) und Michelle Tesoro (Editing) schaffen es, den Spielszene­n eine Intensität zu verleihen, der sich sogar der absolute Laie nicht entziehen kann. Was besonders zur Attraktivi­tät der Serie beträgt, ist das Design der Produktion. Die 1960er Jahre spiegeln sich auf wundervoll­e Weise in den fantastisc­hen Kleidern, dem extravagan­ten Make-Up, den aufdringli­chen Tapeten, alles ist einfach nur schön anzuschaue­n.

Die Geschichte hat genug emotionell­en Tiefgang, um den Zuschauer bis zur letzten Episode bei der Stange zu halten. Die schauspiel­erischen Darbietung­en sind allesamt erster Klasse. Anya Taylor-Joy ist so überzeugen­d in ihrer Hingabe an das Spiel, aber eben auch an ihre Sucht, dass man sie in manchen Szenen am liebsten rütteln möchte vor Verzweiflu­ng und Angst, sie könne ihr Talent ungenutzt wegschmeiß­en. Eine kunstvoll gefertigte Show, an deren Ende die weiße Königin gewinnt.

 ?? Foto: Phil Bray/Netflix 2020 ?? Zug um Zug erobert sich Beth Harmon (Anya Taylor-Joy), hier bei einer Partie gegen Vasily Borgov (Marcin Dorocinski) ihren Platz in der von Männern dominierte­n Schachwelt.
Foto: Phil Bray/Netflix 2020 Zug um Zug erobert sich Beth Harmon (Anya Taylor-Joy), hier bei einer Partie gegen Vasily Borgov (Marcin Dorocinski) ihren Platz in der von Männern dominierte­n Schachwelt.

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