„Das Vertrauen ist wichtig“
Parlament diskutiert über die Impfstrategie der Regierung: Es bleiben noch viele offene Fragen
Am Freitag hatte der Ministerals rat die Impfstrategie angenommen, gestern Morgen stand sie auf der Tagesordnung der Gesundheitskommission und wurde mit Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) diskutiert. Nachmittags nahm sich das ganze Parlament im Rahmen einer Aktualitätsstunde der Impfplanung der Regierung an. Soweit sie feststeht, denn es gibt noch viele unbekannte Faktoren. Fest steht: Sie ist gratis und freiwillig, angefangen wird zunächst mit dem Gesundheitsund Pflegepersonal, vor den Bewohnern der Alten- und Pflegeheime, und wenn die Impfung der breiten Bevölkerung möglich ist, wird in Abhängigkeit der verfügbaren Impfstoffe neu überlegt, wie strategisch vorgegangen wird. Die Vorbereitungen der Massenimpfung in Impfzentren laufen. Und auch die Nationale Ethikkommission hat die Strategie positiv begutachtet (siehe Kasten).
Der Präsident der Gesundheitskommission Mars Di Bartolomeo (LSAP) betonte: „Es gibt noch keine Entwarnung, es sind noch ganz kritische Momente zu erwarten und wir müssen alle gerade über die Feiertage aufpassen.“Bis jetzt seien in den Studien keine nennenswerten Nebenwirkungen aufgetreten, er mahnte aber eine „breit angelegte Kommunikationskampagne für verschiedene Gruppen“an. Auch Jean-Marie Halsdorf (CSV) unterstrich, wie wichtig die Kommunikation wird: „Der Mensch stellt seine Interessen nur hinten an, wenn er überzeugt ist und vertrauen kann. Wir müssen Überzeugungsarbeit leisten, denn wir brauchen 70 Prozent der Bevölkerung, die sich impfen lässt.“
Die Impfstrategie von heute ist nicht die von morgen. Marc Hansen (Déi Gréng)
Wenn bei der Effizienz oder Sicherheit Probleme auftauchen, wird es kommuniziert. Paulette Lenert (LSAP)
CSV will Priorität für alte Menschen Er begrüßte verschiedene Aspekte der Impfstrategie durchaus, meldete aber auch Bedenken an. So sollte, wie in Frankreich, die Basis zunächst da geimpft werden, wo die meisten Menschen krank werden und sterben – in den Altenheimen. Als Schwachpunkt der Impfstrategie sah er, dass noch keine fertige Chronologie des Impfablaufs vorliegt. „In Spanien weiß jeder, wann er dran ist. Auch wir brauchen Klarheit, wann die Polizei, die Feuerwehr und Rettungsdienste, die Lehrer geimpft werden.“Fragen würden auch die Einladungen zur Impfung aufwerfen: „Was passiert, wenn wie beim Large Scale Testing weniger als 50 Prozent reagieren, werden sie nochmals gerufen und wann?“
Für Gilles Baum (DP) ist die Priorität für das Gesundheits- und Pflegepersonal die richtige Wahl: „Sie haben den engsten Kontakt mit Alten und Vulnerablen und es fällt viel Personal in den Krankenhäusern wegen Infektionen aus.“Die Verteilung danach sei deswegen unsicher, weil man noch nicht wisse, welcher Impfstoff bei welcher Gruppe am besten wirkt.
Marc Hansen (Déi Gréng) unterstrich die schwierige Aufgabe der Regierung, eine Strategie auszuarbeiten, obwohl noch nicht alles über die Impfstoffe bekannt sei. Er begrüßte die Entscheidung, einen Schutzgürtel um Vulnerable und Alte zu ziehen, indem das Personal als erstes geimpft werde. „Jeder beschäftigt sich mit der Frage impfen oder nicht. Es ist eine Aufgabe für uns alle, 70 Prozent Geimpfte zu erreichen“, appellierte er. Aber auch er sah noch offene Fragen: Sollen die Vulnerablen gezielt angeschrieben werden, wie erreicht man die ohne festen Wohnsitz, werden die Geimpften eng auf Reaktionen hin überwacht? „Die Impfstrategie von heute ist nicht die von morgen, sie muss angepasst werden“, lautete sein Fazit.
ADR-Motion wird abgebügelt
Kritische Töne kamen von Jeff Engelen (ADR), der eine Motion vorlegte, die aber wegen ihrer tendenziösen Formulierung von allen anderen Abgeordneten abgelehnt wurde. Er verwies unter anderem darauf, dass es eine solch kurze Zulassungsprozedur noch nie gab, dass nicht an allen Altersgruppen getestet worden sei, sondern nur an den 20- bis 60-Jährigen und die neuen mRNA-Impfstoffe bis heute noch nie eingesetzt wurden. „Wir sind nicht prinzipiell dagegen, verlangen aber, dass die Impfstoffe alle Stadien durchlaufen und eine zuverlässige Wirkung haben.“Er kritisierte, dass bislang „nur ein Logistikplan vorliegt und keine Strategie – das reicht uns hinten und vorne nicht“.
Die Regierung müsse dafür sorgen, dass kein Arbeitgeber oder Dienstleister eine Impfung vorschreiben kann oder ökonomischen Druck ausübt. Sie müsse auch transparent alle internationalen Informationen über Nebenwirkungen mitteilen und entsprechend reagieren. Marc Baum (Déi Lénk) zeigte sich dagegen „angenehm überrascht von der ersten Impfstrategie, die sinnvoll ist“. Das Impfen müsse ein kollektiver Aufwand sein. „Das braucht Vertrauen – wir müssen alle Leute davon überzeugen.“
Auch die Piraten teilten die Impfpriorität der Regierung, fragten aber auch, was der nächste Schritt sei, was passiere, wenn eine Person einen bestimmten Impfstoff haben möchte und ob über einen Hausarzt eine Impfung beantragt werden kann. Man müsse auch aufpassen, dass sich keine versteckte Impfpflicht einschleicht, indem ein Impfpass für den Zutritt zu Aktivitäten verlangt werde. „Das Datenschutzgesetz verbietet, dass Gesundheitsdaten erhoben werden“, betonte Sven Clement.
Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) machte dann klar, dass man der Europäischen Arzneimittelagentur EMA vertrauen könne. „Die Standards der Zulassung waren nie infrage gestellt, die Zulassungskriterien sind exakt dieselben wie immer. Die Prozedur konnte beschleunigt ablaufen, weil Phasen parallel liefen und mehr Mittel eingesetzt wurden“, unterstrich sie. „Luxemburg ist in den Arbeitsgruppen der EMA vertreten. Wenn bei der Effizienz und Sicherheit Probleme auftauchen, wird es ehrlich kommuniziert werden. Wir werden transparent bleiben über das, was wir wissen und nicht wissen.“Ziel sei es, Vertrauen in die neuen Impfstoffe aufzubauen. Man habe sich deswegen bewusst gegen eine Impfpflicht entschieden.
Derzeit habe man einen Zuschlag für fünf Impfstoffe, die für 800 000 Personen reichen, aber auch noch nicht genug Details, um weiter zu planen. „Sobald wir wissen, was wir wann bekommen, werden wir schnell handeln und die Impfstrategie anpassen“, versprach sie. Informationen werden zudem online und die sozialen Medien verbreitet. Für Leute mit spezieller Vulnerabilität stellte sie in Aussicht, dass deren Arzt eine Impfung beantragen können wird.