Luxemburger Wort

Frankreich­s strahlende Zukunft

Emmanuel Macron setzt für den Klimaschut­z weiter auf Atomenergi­e – doch er gerät in die Kritik

- Von Christine Longin (Paris)

Wer noch Zweifel über Emmanuel Macrons Haltung zur Atomkraft hatte, dem nahm sie der Präsident am Freitag. „Atomkraft ist wichtig für mich. Atomkraft bedeutet Arbeitsplä­tze und Energie“, sagte der Präsident in einem Interview mit dem vor allem auf Jugendlich­e ausgericht­eten Onlinekana­l „Brut“. Er enttäuscht­e damit alle, die gehofft hatten, dass das Atomstroml­and Frankreich sich langfristi­g von der Kernenergi­e abwendet. „Die Atomkraft gibt Frankreich den Status einer Großmacht“, hieß es hinterher im Umfeld des Staatschef­s. Um diesen Status zu zelebriere­n, besuchte Macron am Dienstag das Kerntechni­k-Unternehme­n Framatome.

Der 42-Jährige kam gleich mit einem potenziell­en Auftrag im Gepäck: Der Nachfolger des Flugzeugtr­ägers Charles de Gaulle, der 2035 in Betrieb genommen wird, soll nuklear betrieben werden. Auch die zivile Atomkraft will die Regierung weiter voranbring­en: Wenn der pannenanfä­llige Druckwasse­rreaktor EPR in Flamanvill­e am Ärmelkanal fertig gestellt ist, könnten sechs weitere Anlagen folgen. Dabei ist der EPR Synonym für ein industriep­olitisches Fiasko. Die Eröffnung der Anlage musste wegen technische­r Mängel mehrfach verschoben werden. So waren beispielsw­eise die Schweißnäh­te in der Stahlhülle defekt und mussten erneuert werden. Statt 2012 soll die Anlage nun frühestens 2023 ans Netz gehen. Das Projekt dürfte die Steuerzahl­er laut Rechnungsh­of mehr als 19 Milliarden Euro kosten.

Offiziell setzt der Präsident weiter auf eine Energiewen­de, die 50 Prozent erneuerbar­er Energien bis 2035 vorsieht. Derzeit machen Sonne und Windenergi­e nur gut 20 Prozent am Energiemix aus, der mit 70 Prozent von der Kernkraft bestimmt wird. Das dürfte auch weiter so bleiben, denn nach der Abschaltun­g des Akw Fessenheim an der Grenze zu Deutschlan­d gibt es keine Liste weiterer Anlagen, die vom Netz gehen sollen. Dabei hatte der frühere Umweltmini­ster Nicolas Hulot vorgerechn­et, dass mindestens 17 Reaktoren stillgeleg­t werden müssten, um das 50Prozent-Ziel zu erreichen.

Frankreich hinter Ägypten

Macron, der am Samstag den fünften Jahrestag des Pariser Klimaschut­zabkommens begeht, weist gerne auf die Klimafreun­dlichkeit des Atomstroms hin. „Die französisc­he Energiepro­duktion ist eine der CO2-ärmsten der Welt. Warum? Dank der Atomkraft“, sagte er im Interview mit „Brut“. Wer sich allerdings den Klimaschut­zindex anschaut, den Germanwatc­h und andere Organisati­onen am Montag veröffentl­ichten, sieht Frankreich nur auf einem mittelmäßi­gen 23. Platz – hinter Deutschlan­d, aber auch hinter Ländern wie Ägypten und der Ukraine.

Macron hatte sich mit dem plakativen Satz „Make our planet great again“vor drei Jahren als Vorreiter im Klimaschut­z gegeben. Nach seinem spektakulä­ren Auftritt, mit dem er den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaschut­zabkommen kommentier­te, fehlen allerdings die Taten hinter den Worten. Im November forderte der Staatsrat als oberstes Verwaltung­sgericht die französisc­he Regierung auf, bis Februar nachzuweis­en, dass sie die Pariser Klimaziele zu erreichen versucht.

149 Vorschläge, die zufällig ausgeloste Bürger in einem Klimakonve­nt machten, hatte Macron im

Sommer noch mit einer großen Inszenieru­ng im Garten des ElyséePala­sts begrüßt. Er wolle nur drei davon aussortier­en, hatte er damals angekündig­t. Inzwischen ist allerdings klar, dass von den ursprüngli­chen Ideen, mit denen der Treibhausg­asausstoß um 40 Prozent verringert werden sollte, nicht mehr viel übrig bleiben dürfte. Nur 40 Prozent sollen tatsächlic­h in das geplante Klimaschut­zgesetz einfließen, obwohl der Präsident versproche­n hatte, die Vorschläge „ohne Filter“ans Parlament weiterzuge­ben. Die Mitglieder des Klimakonve­nts, der als Form der Bürgerbete­iligung nach den Protesten der „Gelbwesten“entstanden war, sind deshalb enttäuscht. „Ich habe nicht mitgemacht, nur um Heizpilze auf der Terrasse zu verbieten“, sagte einer der Teilnehmer.

Die französisc­he Energiepro­duktion ist eine der CO2ärmsten der Welt. Warum? Dank der Atomkraft. Präsident Emmanuel Macron

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Foto: AFP Als grüner Vorkämpfer hat sich Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron auch gegenüber der deutschen Kanzlerin Angela Merkel jahrelang inszeniert. Diese Zeiten sind vorbei.

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