Lloyd Austin, der große Unbekannte
Joe Biden will pensionierten Vier-Sterne-General zum ersten schwarzen US-Verteidigungsminister machen
Im Vorfeld seiner historischen Berufung als erster schwarzer Verteidigungsminister der USA tat Lloyd Austin, was ihn in seiner Militärkarriere ausgezeichnet hatte: Er flog unerkannt unter dem Radar der Öffentlichkeit. Als das Politik-Portal „Politico” zuerst über Joe Bidens Entscheidung berichtete, erwischte die Nachricht nicht wenige Insider auf dem falschen Fuß.
Galt doch als ausgemachte Sache, dass die ehemalige Staatssekretärin im Pentagon, Michèle Flournoy, als erste Frau in dem Top-Job Geschichte schreiben würde. Der Name des pensionierten Vier-Sterne-Generals tauchte bei den Spekulationen über das Personaltableau des gewählten Präsidenten dagegen nur unter „ferner liefen“auf.
Dass er die erste Wahl des designierten US-Präsidenten ist, verdankt der 1953 im Südstaat Alabama
zur Zeit der Rassentrennung zur Welt gekommene Austin neben seiner unbestrittenen Qualifikation für das Amt einer komplexen Gemengelage. Einerseits besteht bei den afroamerikanischen Führern die Erwartung, mehr Schwarze in Schlüsselpositionen der neuen Regierung zu sehen.
Andererseits verlangt der starke progressive Flügel der Demokraten
ein Tableau, das Prioritäten der Parteilinken reflektiert. Den Ausschlag für Austin dürfte aber vor allem seine persönlicher Beziehung zu Biden gemacht haben. „Es gibt mit ihm weniger Spannungen”, sagt ein Berater aus dem Umfeld Bidens, der als Vizepräsident Barack Obamas wiederholt mit Flournoy zusammengestoßen war.
Biden schätzt Austins Loyalität
Die beiden Männer lernten sich persönlich kennen, als Austin die US-Streitkräfte im Irak kommandierte. Sie entwickelten eine vertrauensvolle Beziehung, die nach der Berufung des Absolventen der renommierten „West Point Academy” an die Spitze der US-Army (2012-2013) und dann als erster schwarzer Befehlshaber des für den Mittleren Osten zuständigen „Central Command” zu einer problemlosen Zusammenarbeit führte. Biden schätzt an dem schüchternen General, der in seiner Karriere
nur selten vor die Kameras trat, dessen Loyalität. Seine Kritiker beanstanden Austins Rolle im Aufsichtsrat des Rüstungshersteller Raytheon, die er 2016 nach seiner Pensionierung übernahm.
Der größte Widerstand gegen seinen Aufstieg an die Spitze des Pentagon hat mit dem Gesetz zu tun, das Militärs für sieben Jahre von der Übernahme eines Regierungsjobs ausschließt – es sei denn, der Kongress beschließt eine Ausnahme. Das gab es bisher nur zwei Mal in der Geschichte. 1950 erlaubte der Kongress der Weltkriegs-Ikone George Marshall, das Pentagon zu führen, 2017 dem pensionierten Marine-General James Mattis.
Derzeit wagt kaum jemand eine Prognose, ob der Kongress ein drittes Mal eine Ausnahme erlauben wird. Um als erster schwarzer Verteidigungsminister der USA Geschichte schreiben zu können, muss Austin vom Senat bestätigt werden.