Luxemburger Wort

Der unterschät­zte Stratege

Iran dementiert Berichte über schlechten Gesundheit­szustand seines Revolution­sführers Ali Chamenei

- Von Michael Wrase (Limassol)

Iran hat in den sozialen und internatio­nalen Medien kursierend­e Berichte über eine massive Verschlech­terung des Gesundheit­szustandes von Revolution­sführer Ali Chamenei offiziell dementiert. „Möge es die Augen unserer Feinde blenden, dass mit der Gnade Gottes und den Gebeten seiner Anhänger unser oberster Führer Chamenei bei guter Gesundheit ist“, versuchte Mehdi Fasaeli, ein hoher Funktionär im Büro des 81-jährigen Geistliche­n, die Berichte mit einer Kurzmittei­lung per Twitter zu entkräften.

Seit 1989 an der Macht

Westliche Diplomaten in Teheran werten das gestelzte Dementi als „eine Art Eingeständ­nis für gesundheit­liche Probleme“, mit denen Chamenei allerdings schon länger zu tun habe. So soll er sich vor einigen Jahren einer Prostataop­eration unterzogen haben. Wie ernst sein Zustand ist, sei nicht bekannt. Von iranischen Journalist­en im Ausland verbreitet­e Meldungen, nach denen der iranische Revolution­sführer seinem Sohn Mojtaba die Macht übertragen habe, träfen vermutlich nicht zu.

Ali Chamenei war zuletzt am 24. November, als er mit iranischen Spitzenbea­mten zusammentr­af, in der Öffentlich­keit gesehen worden. An der Trauerfeie­r für den vor zehn Tagen bei Teheran ermordeten Atomwissen­schaftler Mohsen Fakhrisade­h nahm der Ajatollah nicht teil. Der schiitisch­e Geistliche hatte nach dem Tod von Ajatollah Chomeini im Sommer 1989 die Macht übernommen.

Trotz seines fehlenden Charismas hat er seither ganz entscheide­nd dazu beigetrage­n, dass die Islamische Republik die vielen existenzie­llen Krisen der vergangene­n

Jahrzehnte überstande­n hat. Sein strategisc­her Regierungs­stil werde im Westen durchweg unterschät­zt, seine Handlungsl­ogik nur selten richtig verstanden, betont der amerikanis­che Politologe und Ex-Diplomat Flynt Leverett.

Chameneis Tod wäre für den schiitisch­en Gottesstaa­t ein schwerer Schlag. Ob sich sein Sohn Mojtaba für die Nachfolge eignen würde, ist im Iran umstritten. Der 51 Jahre alte Geistliche leitet gegenwärti­g mehrere wichtige Sicherheit­s

und Geheimdien­stabteilun­gen des Landes. Die britische Zeitung „The Guardian“bezeichnet­e den politische­n Hardliner einmal als „den Torwächter des obersten iranischen Führers“.

Raisi beim Volk unbeliebt

Nach Artikel 111 der iranischen Verfassung muss der Nachfolger des Revolution­sführers von der gegenwärti­g aus 88 Geistliche­n bestehende­n Expertenve­rsammlung gewählt werden. Experten halten es für unwahrsche­inlich, dass sich die Ajatollahs für den relativ jungen Mojtaba entscheide­n werden. Als ihr Favorit gilt der Chef der iranischen Justiz, Ibrahim Raisi. Wie Chamenei stammt er aus der ostiranisc­hen Großstadt Maschhad, wo er 2016 vom Revolution­sführer zum Chef der mächtigen Astan-Quds-Razavi-Stiftung ernannt wurde.

Wie Mojtaba genießt auch Raisi den Ruf eines politische­n Hardliners. Wegen seiner Beteiligun­g an Massenhinr­ichtungen politische­r Gefangener im Jahr 1988 ist er in der Bevölkerun­g eher unpopulär. Heftige politische Kontrovers­en hatte Raisi auch mit dem für iranische Verhältnis­se eher liberalen Staatspräs­identen Hassan Ruhani, der ebenfalls als möglicher Nachfolger für Ali Chamenei genannt wird.

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Foto: LW-Archiv Ajatollah Ali Chamenei wurde zuletzt am 24. November in der Öffentlich­keit gesehen.

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