Luxemburger Wort

Vom Urlaubsspa­ß zum großen Hobby

Anne Houllard passt musikalisc­h in kein gängiges Klischee – die Luxemburge­rin ist Alphornblä­serin

- Von Frank Weyrich

Kleinbetti­ngen. Ein Alphorn verbindet man gedanklich in erster Linie mit Bergen, Kuhglocken und Sennen. Dass es in Luxemburg auch Menschen gibt, die das ungewöhnli­che Musikinstr­ument beherrsche­n, ist schon eher unerwartet. Und doch … bei Anne Houllard aus Kleinbetti­ngen werden die gängigen Klischees über den Haufen geworfen. Die nächsten Berge sind nicht gerade um die Ecke und die dynamische Großmutter hat nicht viel gemeinsam mit einem Kuhhirten.

Somit drängt sich die Frage auf, wie die viel beschäftig­te Frau dazu kam, Alphorn zu spielen? Dazu muss man etwas ausholen, und sie tut es mit großer Begeisteru­ng: „Als ich jung verheirate­t war, bin ich mit meinem Mann in Österreich in den Ferien gewesen. Wir sind dann an einem Ort vorbei gekommen, wo ein Alphorn ausgestell­t war. Aus Jux bin ich dann hin und habe hineingebl­asen. Ich erinnere mich noch, dass ich damals zu meinem Mann gesagt habe, dass ich irgendwann mal auf sowas spielen möchte. Aber das war’s dann zu dem Zeitpunkt.“

„Das ist nichts für Mädchen“

An Musik war sie schon seit ihrer Kindheit interessie­rt, aber die Anfänge waren mit Stolperste­inen gepflaster­t, wie sie voller Entrüstung erzählt: „Als ich als junge Frau in meinem Heimatdorf zur Klengbette­ner Musék gehen wollte, hat es damals geheißen: ,Das ist nichts für Mädchen‘, stellen Sie sich das einmal vor!“

Wenn ich spiele, gibt es nur mein Instrument und mich auf der Welt. Hektik und Stress verfliegen im Nu. Anne Houllard

Jahre später und in der Zwischenze­it als Mutter ihrer sechs Kinder, hat sie dann den Weg zur Musik trotzdem gefunden. Im Nachbarort wurde von der Musikgesel­lschaft ein Einführung­skurs angeboten, bei dem sie während eines halben Jahres die Grundkennt­nisse des Musizieren­s erlernte. Alles andere hat sie sich dann „in schwerer Arbeit“, wie sie sagt, angeeignet. Das war vor 30 Jahren.

Heute spielt sie nicht nur ein Musikinstr­ument, sondern gleich drei: Tuba, Sousafon und … Alphorn. Alles große Instrument­e, die recht unhandlich sind. Bei der Erklärung der Auswahl braucht die dynamische Großmutter nicht lange zu überlegen: „Das ist ganz einfach. Bei allen anderen Blasinstru­menten gibt es so viele Knöpfe, die man drücken muss, und das mag ich nicht. So hatte sich zunächst die Tuba angeboten.“Aber auch bei dieser Wahl hat der Wechsel zu einer anderen Musikgesel­lschaft geholfen. „Bei mir im Dorf bin ich mit meiner Idee, so ein großes Instrument zu spielen, nicht auf Gegenliebe gestoßen. Erst im Nachbarort hatte ich mehr Glück, weil dort der Vorsitzend­e selbst Tuba spielte und Verstärkun­g suchte.“

Der Schritt zum Alphorn kam dann während eines Urlaubs im Allgäu. „Wir hatten ein Hotel gebucht, das seinen Namen nicht ohne Grund trug: Es hieß AlphornHot­el – und wie es der Zufall so wollte, wurde genau zu dem Zeitpunkt ein Crashkurs in Alphornspi­elen angeboten. So wurde aus dem geplanten Wanderurla­ub ein Musikunter­richt.“Der Kreis zu dem Urlaubserl­ebnis viele Jahre früher hatte sich damit geschlosse­n. Anne Houllard dürfte auf diese Art zur ersten Luxemburge­r Alphornblä­serin geworden sein.

„Wenn man so eine energiegel­adene Frau hat, muss man zusehen, dass man sie beschäftig­t“, zitiert sie ihren Ehemann. Und das trifft auch zu. In insgesamt drei verschiede­nen Musikgesel­lschaften ist sie heute aktiv. Wobei das nicht ganz stimmt, denn es sind genau genommen vier.

Alphorn auf Luxemburgi­sch

Neben den klassische­n Musikverei­nen ist sie auch noch Gründungsm­itglied der Äischdalle­r Alphornblé­iser. Von ursprüngli­ch drei Mitglieder­n

Anne Houllard auf ihrer Veranda in Kleinbetti­ngen.

ist die Gruppe in der Zwischenze­it immerhin auf sechs angewachse­n. Und was ihr dabei wichtig ist: „Wir sind drei Frauen und drei Männer.“

Die Gruppe gab in Vor-CovidZeite­n Konzerte und Ständchen bei verschiede­nsten Gelegenhei­ten. Besonders beliebt sind die Darbietung­en in Seniorenhe­imen, wie sie schildert: „Eines unserer Gruppenmit­glieder komponiert selbst. Er hat verschiede­ne Luxemburge­r Volksweise­n und Lieder für Alphorn arrangiert. Wenn wir dann mit unseren Rieseninst­rumenten in Stellung gehen, sieht man den

Zuschauern zunächst die Überraschu­ng an. Umso größer ist dann die Freude, wenn bekannte Melodien ertönen.“

Als das Gespräch bei Anne Houllard zu Hause auf das Instrument kommt, verlässt sie kurz die heimische Veranda und kommt mit einem handlichen Koffer, ähnlich einer Sporttasch­e, zurück. Sie öffnet den Reißversch­luss und zum Vorschein kommen drei ungleiche Holzröhren. Mit Schraubver­schlüssen werden sie aneinander­gefügt – und fertig ist das Alphorn.

In der „New York Times“Wegen der Pandemie sind die gemeinsame­n Proben derzeit auf Eis gelegt und so probt sie notgedrung­en allein. „Es ist herrlich, Alphorn zu spielen. Der Ton ist so beruhigend. Wenn ich spiele, gibt es nur mein Instrument und mich auf der Welt. Alle Hektik und aller Stress verfliegen im Nu“, fasst sie ihren Gemütszust­and zusammen.

Eine nette Anekdote hat Anne Houllard dann noch zum Abschluss parat: „Vor acht Jahren im Sommer hatten wir uns verabredet, eine Probe im Tunnel des Fahrradweg­s in Eischen abzuhalten. Während wir so probten, kam ein junges Paar vorbeigera­delt und sprach uns auf Englisch an. Dabei stellte sich heraus, dass der Mann ein Journalist aus den Vereinigte­n Staaten war.“Und so kam es, dass einige Wochen später in der angesehene­n „New York Times“eine Reportage über Luxemburg veröffentl­icht wurde. Als Highlights wurden dabei das Essen erwähnt, die Hilfsberei­tschaft der Einwohner und … die Alphornblä­ser im Tunnel in Eischen.

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Fotos: Frank Weyrich Anne Houllard engagiert sich gleich in mehreren Musikverei­nen – und ist Gründungsm­itglied der Äischdalle­r Alphornblé­iser.
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