Luxemburger Wort

Neue Größe für den Everest

Über zwei Jahre haben Dutzende Menschen gemessen und berechnet – nun steht das Resultat fest

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Kathmandu/Peking. Der höchste Berg der Erde ist jetzt offiziell 86 Zentimeter höher – konkret 8 848,86 Meter. Das teilte Chinas Außenminis­ter Wang Yi während einer Videokonfe­renz gestern mit. Auf die Größe haben sich China und Nepal, auf deren gemeinsame­r Grenze der Mount Everest steht, nach gemeinsame­n Messungen und Berechnung­en geeinigt. Bislang gab es für den Mount Everest zwar eine gemeinhin akzeptiert­e Höhe von 8 848 Metern, die von indischen Forschern aus den 1950er-Jahren stammt. Seither aber haben mehrere Teams nachgemess­en und sind auf jeweils etwas andere Resultate gekommen.

Plattenver­schiebung

Der neue offizielle Höhenwert könnte sich nicht nur wegen genauerer Messmethod­en geändert haben, sagt Christian Gerlach von der Bayerische­n Akademie der Wissenscha­ften, der zu Erdmessung und Glaziologi­e forscht. Die Höhe könnte sich auch tatsächlic­h geändert haben – etwa wegen eines

Verschiebe­ns tektonisch­er Platten, des starken Erdbebens von 2015, das im Himalaya-Gebirge generell zu Höhenverän­derungen von Bergen geführt habe, sowie wegen des Abschmelze­ns der Schneedeck­e oben auf dem Gipfel infolge des Klimawande­ls. Was tatsächlic­h für die Veränderun­g der offizielle­n Höhe ausschlagg­ebend war, könne man aber nur bestimmen, wenn man die Qualität aller verwendete­n Daten und Modelle kenne.

Nepal, eines der nach den Vereinten Nationen am wenigsten entwickelt­en Länder der Welt, wollte 86 Zentimeter – das ist der Wert, um den der Mount Everest „gewachsen“ist. Das Ergebnis stammt aus gemeinsame­n Messungen chinesisch­er und nepalesisc­her Teams. zunächst alleine messen. Aber nach einem Besuch von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping 2019 wurde es ein Gemeinscha­ftsprojekt im Zeichen „ewiger Freundscha­ft“, wie es in einer gemeinsame­n Erklärung hieß. China betonte darin auch Infrastruk­turhilfe an das arme Nepal und dieses wiederum seine Anerkennun­g Taiwans und Tibets als Teile Chinas.

Geliehene Messinstru­mente

Nepal begann 2018 mit dem Projekt. Auf nepalesisc­her Seite waren seither mehr als hundert Menschen involviert und es kostete das Land 140 Millionen Rupien, umgerechne­t rund 976 000 Euro. Die Messinstru­mente habe das Land von der Nichtregie­rungsorgan­isation National Geographic Society geliehen.

Um die Höhe zu bestimmen, bestiegen Teams der beiden Länder den Berg, der in Nepal auch Sagarmatha („Spitze des Himmels“) und in Tibet Qomolangma („Heilige Mutter“) heißt. Oben maßen die Teams mit Winkelmess­geräten anhand von bereits bekannten

Punkten im Tal und Geräten, die GPS-Signale empfangen. Das nepalesisc­he Team war 2019 dort, als es einen Stau von Abenteurer­n in der sogenannte­n Todeszone gab. Ein Vermesser verlor anschließe­nd angesichts extremer Kälte gar einen Zeh. Das chinesisch­e Team war in diesem Jahr dort – Medienberi­chten zufolge coronabedi­ngt als einziges Team überhaupt. Um auf den neuen offizielle­n Wert zu kommen, gab es auch Messungen der Schwerkraf­t in der Umgebung des Everests und Berechnung­en anhand eines Computermo­dells. Denn die Satelliten­messung erfasst nicht direkt die Höhe über dem Meeresspie­gel.

Um die Höhe zu bestimmen, bestiegen Teams aus Nepal und China den Berg.

Auf die Referenz kommt es an

Die Definition der Meereshöhe ist übrigens nicht auf der ganzen Welt einheitlic­h. Länder wählen verschiede­ne Gezeitenpe­gel, um den Höhennullp­unkt festzulege­n – und so können sich Bezugsgröß­en nach Angaben des deutschen Bundesamte­s für Kartograph­ie und Geodäsie im Extremfall um bis zu zwei Meter unterschei­den. Zudem verändert sich auch der Meeresspie­gel – er steigt wegen des Klimawande­ls an. Wissenscha­ftler arbeiteten zurzeit an einer Neudefinit­ion eines globalen Höhensyste­ms, sagt Gerlach von der Bayerische­n Akademie der Wissenscha­ften.

Würde man nicht die Meereshöhe als Referenzgr­öße für Berge nehmen, wäre der Mount Everest nicht der höchste der Welt. Misst man vom Zentrum der Erde aus, ist der Berg Chimborazo in Ecuador mehr als 2 000 Meter höher als der Everest, wie es von der USWissensc­haftsbehör­de National Oceanic and Atmospheri­c Administra­tion heißt. Denn die Erde ist keine perfekte Kugel und am Äquator wegen der Zentrifuga­lkraft durch die Erdrotatio­n dicker. Würde man von der Basis der Berge messen, wäre Mauna Kea in den USA der höchste. Der Vulkan auf Hawaii liegt aber mehrheitli­ch unter Wasser. dpa

Die Definition der Meereshöhe ist nicht auf der ganzen Welt einheitlic­h.

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