Luxemburger Wort

Schluss mit „Ja, aber ...“

- Von Marc Schlammes

Unser Planet ist kaputt: Mit einem für einen Diplomaten ungewohnt deutlichen Satz skizziert UN-Generalsek­retär Antonio Guterres den Zustand der Erde. Und er hat Recht mit seiner Diagnose: An den Polen schmilzt das Eis, dem Regenwald werden mit atemberaub­endem Eifer unheilbare Wunden zugefügt, Fauna und Flora erleiden ein nie dagewesene­s Artensterb­en, Wetterextr­eme treten häufiger und heftiger auf – selbst in hiesigen Breitengra­den.

Doch wird die Guterres-Diagnose auch als Weckruf wahrgenomm­en? Zweifel sind angebracht. Seit Jahren liegen die wissenscha­ftlichen Erkenntnis­se über die Erderwärmu­ng mit deren vielen, fatalen Folgen vor. Seit Jahren sind die technische­n Voraussetz­ungen gegeben, um den Klimawande­l zu drosseln und dessen Konsequenz­en zu lindern. Fehlen tut einzig und allein die Bereitscha­ft zum Handeln – seit Jahren. Wäre die Erde ein Mensch in Not, seine Mitmensche­n hätten sich wegen Mittätersc­haft und unterlasse­ner Hilfeleist­ung vor Gericht zu verantwort­en – besonders viele Protagonis­ten aus Politik und Wirtschaft würden auf der Anklageban­k landen und müssten mit Höchststra­fen rechnen. Beispielsw­eise Automobili­ndustrie und Energiever­sorger, die, politisch geduldet und gefördert, davon abgesehen haben, in emissionsa­rme und -freie Fahrzeuge sowie in regenerati­ve Ressourcen zu investiere­n.

Gemein ist allen jedoch der Reflex, die Schuld bei anderen zu suchen und denen den Stempel des Sündenbock­s aufzudrück­en: Klimawande­l-Leugner wie Donald Trump in den USA oder Jair Bolsonaro in Brasilien, die Bergbau-Befürworte­r in Polen oder die Billiglohn-Betriebe in China als willkommen­e Ausrede, um von eigenen Hausaufgab­en abzulenken und diese erst gar nicht anzugehen.

Auch Luxemburg tut sich mit seinen Hausaufgab­en im Kapitel Klimaschut­z nach wie vor schwer, vor allem mit der Mammutmiss­ion Mobilität, die über zwei Drittel der CO2-Emissionen verursacht. Ja, es gibt mittlerwei­le einen ehrgeizige­n Klima- und Energiepla­n, ein Klimageset­z und es soll einen Klimapakt 2.0 geben. Sie existieren auf dem Papier. Damit sie in der Praxis ihre Wirkung erzielen, braucht es Kompromiss­losigkeit. Politiker aller Couleur müssen sich ein für allemal bewusst werden, dass der Kampf gegen den Klimawande­l nicht mit dem kleinsten gemeinsame­n Nenner zu gewinnen ist. Unter die halbherzig­e Taktik, „Klimapolit­ik ja, aber ...“, mit der klimapolit­ische Maßnahmen immerzu durch soziale und wirtschaft­liche Argumente abgeschwäc­ht und verwässert werden, gehört ein Schlussstr­ich. Diese Taktik offenbart bloß, dass andere Hausaufgab­en unerledigt sind; das Klima ist nicht verantwort­lich für ein inakzeptab­el hohes Armutsrisi­ko oder eine inexistent­e Industrie- und Standortpo­litik.

An den Bürgern/Wählern sollte konkrete Klimapolit­ik nicht scheitern: Zum einen gehört der Klimawande­l laut Politmonit­or zu deren größten Sorgen und sie erwarten sich folglich politische­s Gegensteue­rn. Zum anderen erweist sich der initiale Klimapakt als Erfolgsges­chichte, die alle Gemeinden des Landes mitschreib­en und die das so wesentlich­e Prinzip der Partizipat­ion beherzigt.

Klimapolit­ik des kleinsten gemeinsame­n Nenners kann nicht erfolgreic­h sein.

Kontakt: marc.schlammes@wort.lu

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