Schluss mit „Ja, aber ...“
Unser Planet ist kaputt: Mit einem für einen Diplomaten ungewohnt deutlichen Satz skizziert UN-Generalsekretär Antonio Guterres den Zustand der Erde. Und er hat Recht mit seiner Diagnose: An den Polen schmilzt das Eis, dem Regenwald werden mit atemberaubendem Eifer unheilbare Wunden zugefügt, Fauna und Flora erleiden ein nie dagewesenes Artensterben, Wetterextreme treten häufiger und heftiger auf – selbst in hiesigen Breitengraden.
Doch wird die Guterres-Diagnose auch als Weckruf wahrgenommen? Zweifel sind angebracht. Seit Jahren liegen die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Erderwärmung mit deren vielen, fatalen Folgen vor. Seit Jahren sind die technischen Voraussetzungen gegeben, um den Klimawandel zu drosseln und dessen Konsequenzen zu lindern. Fehlen tut einzig und allein die Bereitschaft zum Handeln – seit Jahren. Wäre die Erde ein Mensch in Not, seine Mitmenschen hätten sich wegen Mittäterschaft und unterlassener Hilfeleistung vor Gericht zu verantworten – besonders viele Protagonisten aus Politik und Wirtschaft würden auf der Anklagebank landen und müssten mit Höchststrafen rechnen. Beispielsweise Automobilindustrie und Energieversorger, die, politisch geduldet und gefördert, davon abgesehen haben, in emissionsarme und -freie Fahrzeuge sowie in regenerative Ressourcen zu investieren.
Gemein ist allen jedoch der Reflex, die Schuld bei anderen zu suchen und denen den Stempel des Sündenbocks aufzudrücken: Klimawandel-Leugner wie Donald Trump in den USA oder Jair Bolsonaro in Brasilien, die Bergbau-Befürworter in Polen oder die Billiglohn-Betriebe in China als willkommene Ausrede, um von eigenen Hausaufgaben abzulenken und diese erst gar nicht anzugehen.
Auch Luxemburg tut sich mit seinen Hausaufgaben im Kapitel Klimaschutz nach wie vor schwer, vor allem mit der Mammutmission Mobilität, die über zwei Drittel der CO2-Emissionen verursacht. Ja, es gibt mittlerweile einen ehrgeizigen Klima- und Energieplan, ein Klimagesetz und es soll einen Klimapakt 2.0 geben. Sie existieren auf dem Papier. Damit sie in der Praxis ihre Wirkung erzielen, braucht es Kompromisslosigkeit. Politiker aller Couleur müssen sich ein für allemal bewusst werden, dass der Kampf gegen den Klimawandel nicht mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu gewinnen ist. Unter die halbherzige Taktik, „Klimapolitik ja, aber ...“, mit der klimapolitische Maßnahmen immerzu durch soziale und wirtschaftliche Argumente abgeschwächt und verwässert werden, gehört ein Schlussstrich. Diese Taktik offenbart bloß, dass andere Hausaufgaben unerledigt sind; das Klima ist nicht verantwortlich für ein inakzeptabel hohes Armutsrisiko oder eine inexistente Industrie- und Standortpolitik.
An den Bürgern/Wählern sollte konkrete Klimapolitik nicht scheitern: Zum einen gehört der Klimawandel laut Politmonitor zu deren größten Sorgen und sie erwarten sich folglich politisches Gegensteuern. Zum anderen erweist sich der initiale Klimapakt als Erfolgsgeschichte, die alle Gemeinden des Landes mitschreiben und die das so wesentliche Prinzip der Partizipation beherzigt.
Klimapolitik des kleinsten gemeinsamen Nenners kann nicht erfolgreich sein.
Kontakt: marc.schlammes@wort.lu