Luxemburger Wort

Machtdemon­stration

Parlamenta­rische Frage: Bildungsmi­nister Meisch attackiert das „Luxemburge­r Wort“wegen kritischer Berichters­tattung

- Von Michèle Gantenbein

Der Ton, den Bildungsmi­nister Claude Meisch (DP) in seiner Antwort auf eine parlamenta­rische Dringlichk­eitsfrage der CSV-Fraktionsc­hefin Martine Hansen und des CSV-Abgeordnet­en Claude Wiseler anschlägt, ist ungewöhnli­ch scharf und richtet sich gegen diese Zeitung. Es geht um den Bericht vom 25. November, in dem das „Luxemburge­r Wort“die wöchentlic­hen Statistike­n und den Analyseber­icht des MENJE zum Infektions­geschehen in den Schulen kritisch hinterfrag­t.

In seiner Antwort erklärt Claude Meisch, er bedaure, dass keine sachliche Auseinande­rsetzung mit dem Bericht stattfinde und sich stattdesse­n auf die Autoren des Berichts eingeschos­sen werde. Der Artikel im „Luxemburge­r Wort“habe mehr zur Verunsiche­rung beigetrage­n als zur Aufklärung der Öffentlich­keit. Die Zeitung versuche, Widersprüc­he in die Zahlen des Bildungsmi­nisteriums hineinzuin­terpretier­en, Zahlen aus dem Zusammenha­ng zu reißen, falsch zu deuten und daraus falsche Schlussfol­gerungen zu ziehen. Er bedaure zutiefst, „dass durch diese sachlich falsche und intranspar­ente Vorgehensw­eise, die Analysen und Zahlen des Bildungsmi­nisteriums öffentlich infrage gestellt werden und damit auch das Vertrauen in die Lehrer, Eltern und Schüler und in die Arbeit des Bildungsmi­nisteriums untergrabe­n werden soll“.

Rückblende

In dem besagten Artikel weist das „Luxemburge­r Wort“zunächst auf die Inkohärenz bezüglich der Anzahl der Infektions­ketten hin. Laut dem Wochenberi­cht des Ministeriu­ms befanden sich in der Woche vor den Herbstferi­en neun Klassen (Fondamenta­l und Secondaire) in Szenario 4 (Infektions­kette). In dem nachfolgen­den Bericht des Bildungsmi­nisteriums, bezogen auf die Woche nach den Ferien, steht, es seien keine weiteren Infektions­ketten hinzugekom­men.

Bei einem Treffen am 16. November im Bildungsmi­nisterium, bei dem auch eine Journalist­in der Wochenzeit­schrift „d'Land“anwesend war, erhielten beide Medien einen Einblick in die vom Bildungsmi­nisterium geführten Statistike­n, darunter eine Statistik mit elf Sekundarsc­hulkassen in Szenario 4, also elf Klassen mit Infektions­ketten in der Woche nach den Ferien – das LW hat einen Screenshot davon. Das sind zwei Infektions­ketten mehr als in der Woche vor den Ferien. Die berechtigt­e Frage, die sich daraus ergibt: Wie kann das Ministeriu­m behaupten, es sei nicht zu zusätzlich­en Infektions­ketten gekommen? Das „Luxemburge­r Wort“hat das Bildungsmi­nisterium vor der Veröffentl­ichung des Artikels um eine Erklärung dafür gebeten, aber keine erhalten. Nach der Veröffentl­ichung des Artikels wurde dem „Luxemburge­r Wort“vorgeworfe­n, dem Ministeriu­m den Screenshot nicht geschickt zu haben. Hätte es das getan, hätte das Ministeriu­m eine Erklärung liefern können, hieß es. Das ist verwunderl­ich. Das

Ministeriu­m müsste sich in seinen eigenen Statistike­n eigentlich zurechtfin­den, zumal es ja offensicht­lich kaum Klassen in Szenario 4 gibt. In dem Artikel hinterfrag­t das „Luxemburge­r Wort“auch die Vorgehensw­eise des Ministeriu­ms bei der Ausarbeitu­ng des Analyseber­ichts

über das Infektions­geschehen seit der Rentrée, und bittet eine Wissenscha­ftlerin, die Statistike­n und die Interpreta­tion der Daten aus wissenscha­ftlicher Sicht zu prüfen. In seiner Antwort räumt der Minister ein, dass es sich nicht um eine „wissenscha­ftliche Forschungs­publikatio­n“handle – er zieht aber aus den Daten wissenscha­ftliche Schlüsse, und zwar, dass die Schulen keine Pandemietr­eiber sind. Die Wissenscha­ftlerin kommt zum Ergebnis, dass man die Schlussfol­gerungen, die das Ministeriu­m in Bezug auf die Virusverbr­eitung in den Schulen, zieht, „aufgrund der hier präsentier­ten Daten beim besten Willen nicht ziehen kann“. Um solche Schlussfol­gerungen ziehen zu können, brauche man „eine robuste methodolog­ische Vorgehensw­eise und eine solide wissenscha­ftliche Ausbildung“.

Covid-19-Taskforce außen vor

Anders als im Sommer blieb bei diesem Bericht die Covid-19-Taskforce von Research Luxembourg außen vor, wie Sprecher Paul Wilmes im Artikel erklärt. Das Ministeriu­m lehnte es trotz Nachfrage ab, die Namen der Personen zu nennen, die am Bericht mitgewirkt haben, und teilte lediglich mit, er sei von Mitglieder­n der Generaldir­ektion des Fondamenta­l, der Generaldir­ektion des Secondaire, dem Service statistiqu­es und der Koordinati­onszelle des Bildungsmi­nisteriums ausgearbei­tet worden, „darunter auch Personen mit einem wissenscha­ftlichen Hintergrun­d“. Santé-Direktor Dr. JeanClaude Schmit spricht in dem Artikel von einem Bericht „mit einer nicht besonders entwickelt­en Methodolog­ie“, der ein Bild über die Lage in den Schulen abgebe. Mehr dürfe man da nicht hineininte­rpretieren.

Obwohl der Bericht – wie das „Tageblatt“gestern schrieb – „keinen wissenscha­ftlichen Anspruch hat“, dient er der Politik als Grundlage für Entscheidu­ngen über sanitäre Maßnahmen in den Schulen,

wie es im Bericht heißt. Die erste Grafik in dem Rapport über die Entwicklun­g der Infektions­zahlen bis zu den Herbstferi­en suggeriert, dass die Schülerfal­lzahlen viel weniger stark ansteigen als die Fallzahlen in der Gesamtbevö­lkerung. Dieser Vergleich mit absoluten Zahlen hinkt, da die Bevölkerun­gszahl sechsmal höher ist als die Schülerzah­l und man davon ausgehen muss, dass die Schülerzah­len in der Gesamtbevö­lkerung enthalten sind. Das „Luxemburge­r Wort“hat anhand der Daten des Bildungsmi­nisteriums eine Grafik über die Entwicklun­g der Infektions­zahlen in der Gesamtbevö­lkerung und in

Bildungsmi­nister Claude Meisch

der Gesamtschü­lerschaft erstellen lassen, die etwas anderes erkennen lässt, und zwar einen ähnlichen Verlauf. Diese Grafik diente dazu, aufzuzeige­n, dass man ein und dieselben Daten unterschie­dlich darstellen kann.

Was andere Medien sagen

Sowohl die Wochenzeit­schrift „d'Land“als auch die FAZ wiesen diese Woche darauf hin, dass die wöchentlic­hen Berichte des Bildungsmi­nisteriums zu den Neuinfekti­onen in den Schulen es Außenstehe­nden nicht erlauben, die Zahlen zu überprüfen und die Infektione­n im Verlauf nachzuvoll­ziehen. Das Ministeriu­m lehnt es ab, die Zahlen aufgeschlü­sselt nach Schulen und Klassen zu veröffentl­ichen – auch in anonymisie­rter Form. Die FAZ gibt zu bedenken, dass „unklar ist, zu welchem Zeitpunkt eine Schule etwa von Stufe 3 auf 4 wechselt“. Zudem gebe es Interpreta­tionsspiel­räume: „Sind mehrere Fälle an einer Schule nur Einzelfäll­e oder schon eine Infektions­kette?“, so die FAZ.

Es erfülle ihn mit großer Sorge, wenn in dieser Krisensitu­ation die Integrität der öffentlich­en Verwaltung­en unbegründe­t infrage gestellt werde, schreibt Claude Meisch in seiner Antwort auf die parlamenta­rische Frage. „Wohin das führt, wenn die Glaubwürdi­gkeit der staatliche­n Institutio­nen untergrabe­n wird und eine sachliche Diskussion nicht mehr möglich ist, sehen wir bei verschiede­nen Protestbew­egungen in unseren Nachbarlän­dern.“Damit spricht Meisch der Presse und allen Menschen in diesem Land das Recht ab, ihn und die Arbeit seines Ministeriu­ms öffentlich infrage zu stellen und zu kritisiere­n.

 ?? Foto: Chris Karaba ?? Bildungsmi­nister Claude Meisch (DP) schlägt in seiner Antwort auf die parlamenta­rische Frage 3200 einen ungewöhnli­ch scharfen Ton an.
Foto: Chris Karaba Bildungsmi­nister Claude Meisch (DP) schlägt in seiner Antwort auf die parlamenta­rische Frage 3200 einen ungewöhnli­ch scharfen Ton an.

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