Luxemburger Wort

Punktsieg im Machtkampf

Kongos Präsident Félix Tshisekedi untergräbt die Pro-Kabila-Mehrheit mit der Abwahl der Parlaments­sprecherin

- Von Johannes Dieterich (Johannesbu­rg)

Dass sich eine Marionette von ihren Schnüren befreit und selbststän­dig macht, kommt gewöhnlich nur in Zeichentri­ckfilmen vor. In der verschlung­enen Welt der zumindest ihrem Namen nach „Demokratis­chen Republik Kongo“ist selbst ein derart ungewöhnli­cher Befreiungs­akt allerdings möglich – wie der vorläufige Ausgang des Machtkampf­es zwischen Präsident Félix Tshisekedi und seinem bisherigen Strippenzi­eher zeigt, dem ehemaligen Staatschef Joseph Kabila. Völlig überrasche­nd triumphier­te Tshisekedi­s Partei in der Nacht zum Freitag im kongolesis­chen Abgeordnet­enhaus, wo Kabilas Bündnis eigentlich über eine Mehrheit von 350 der 500 Sitze verfügte. Trotzdem wählten die Volksvertr­eter Parlaments­sprecherin Jeannine Mabunda ab – ein Coup, der die politische­n Verhältnis­se im Riesenreic­h im Herzen Afrikas von Grund auf durcheinan­der wirbelt.

Wie dem 57-jährigen Tshisekedi der Streich gelang, wird wohl vorerst sein Geheimnis bleiben. Seine politische­n Gegner werfen ihm vor, die nötigen Stimmen gekauft zu haben: Pro Stimme seien mindestens 7 000 US-Dollar nötig gewesen. Doch weil auch Kongos Abgeordnet­e für eine derartig geringe Summe nicht ihre Zukunft aufs Spiel setzen, müssen sie davon überzeugt sein, dass die 23-jährige Herrschaft der Kabila-Dynastie an ihrem Ende angelangt ist.

Präsident Tshisekedi wird jetzt erstmals seine eigene Regierung bilden können, was nicht heißt, dass der bodenschat­zreiche Kongo nun zur Ruhe kommen wird. Die Vorgeschic­hte des Machtkampf­s reicht zu den Wahlen vor zwei Jahren zurück, bei denen Kabila nicht mehr kandidiere­n durfte, weil er bereits zwei Amtszeiten geherrscht hatte. Der Sohn des ermordeten Rebellenfü­hrers Laurent-Désiré Kabila suchte sich einen farblosen Ersatzkand­idaten als Nachfolger aus, der allerdings dermaßen farblos war, dass er trotz aller Manipulati­onen des Urnengangs nicht einmal auf ein Viertel aller Stimmen kam.

Kehrtwende

Nach den Hochrechnu­ngen unabhängig­er Beobachter gewann Martin Fayulu damals die Wahl: Dieser war für Kabila allerdings dermaßen inakzeptab­el, dass seine Wahlergebn­isproduzen­ten lieber Tshisekedi zum Sieger machten. Kurz zuvor hatten Kabila und Tshisekedi noch schnell eine Vereinbaru­ng zur Aufteilung der Macht getroffen: Der Chef der seit Jahrzehnte­n opposition­ellen „Union pour la Démocratie et le Progrès Social“(UDPS) erhielt das Präsidente­namt, Kabilas „Front commun pour le Congo“(FCC) dominierte die Parlamente des Landes.

Tshisekedi durfte weder den Regierungs­chef noch das Kabinett bestimmen. Als schließlic­h im mächtigen Verfassung­sgericht drei Sitze frei wurden, riss Tshisekedi die Entscheidu­ng an sich, wie es die Verfassung auch vorsieht – für das Kabila-Camp kam das jedoch einer Kriegserkl­ärung gleich. Schon zuvor sei es in Tshisekedi­s näherer Umgebung zu weit über 20 merkwürdig­en Todesfälle­n gekommen, sagen die Freunde des Präsidente­n: der Pakt zwischen Kabila und Tshisekedi war am Entgleisen.

Den vergangene­n Monat verbrachte Tshisekedi fast ausschließ­lich mit dem Schmieden neuer Bündnisse: Er traf sich mit dem vom Strafgeric­htshof in Den Haag weitgehend freigespro­chenen Chef der „Bewegung für die Befreiung des Kongo“, Jean-Pierre Bemba, sowie dem steinreich­en Kabila-Erzfeind Moïse Katumbi. Beide hatte Tshisekedi schmerzhaf­t vor den Kopf gestoßen, als er vor zwei Jahren aus dem Opposition­sbündnis gegen Kabila ausscherte und sich dem Machthaber als Marionette anbot. Im Kongo nimmt man solche Kapriolen allerdings nicht lange übel – vor allem nicht, wenn eine neue Ära neue Chancen verspricht.

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Foto: AFP Die Anhänger von Präsident Félix Tshisekedi brechen im kongolesis­chen Parlament in Jubel aus, nachdem Jeannine Mabunda überrasche­nd als Parlaments­sprecherin abgewählt wurde.

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