Luxemburger Wort

Wie im Blutrausch

US-Präsident Donald Trump bricht mit Hinrichtun­gsserie im Bundesgefä­ngnis von Terre-Haute alle Normen

- Von Thomas Spang (Washington)

Reality-TV-Star Kim Kardashian, Verfassung­srechtler Alan Dershowitz und der katholisch­e Erzbischof Paul Coakley versuchten bis zur letzten Minute, das Leben Brandon Bernards zu retten. Sie ließen ihre Kontakte ins Weiße Haus spielen, um den US-Präsidente­n zu einer Begnadigun­g des Todeskandi­daten zu bewegen, auf den wegen seiner Beteiligun­g an einem grausamen Doppelmord die Giftspritz­e wartete.

Vergeblich. Während Donald Trump kriminelle Freunde wie Roger Stone, Michael Flynn und Sheriff Joe Arpaio nur zu gerne begnadigte, ließ er sich in diesem Fall nicht erweichen. Dabei hatte Bernard zum Zeitpunkt der Tat gerade erst die Volljährig­keit erreicht. Als seine Henker ihn am Donnerstag­abend im Bundesgefä­ngnis von Terre-Haute im Bundesstaa­t Indiana hinrichtet­en, war er 40 Jahre alt.

Trump schafft tödliche Fakten

„Er war eine ganz andere Person. Hoffnungsv­oll und positiv bis zum Ende”, twitterte Kardashian, die kurz vor der tödlichen Injektion noch einmal mit dem Delinquent­en sprechen konnte. „Ich bin völlig neben der Spur”, schrieb sie nach der Hinrichtun­g.

Kritiker halten Trump vor, sich in einem Blutrausch aus dem Weißen Haus zu verabschie­den. Seit sein Justizmini­ster William Barr im Juli auf Drängen des Präsidente­n das Moratorium bei der Vollstreck­ung von Todesurtei­len auf Bundeseben­e beendete, beförderte­n die Henker mit Brandon nun schon neun Menschen ins Jenseits.

Bis zur Amtsüberna­hme Joe Bidens, der versproche­n hat, sich dafür einzusetze­n, die Todesstraf­e auf Bundeseben­e abzuschaff­en, sind noch fünf weitere Hinrichtun­gen angesetzt. „Das bewegt sich völlig außerhalb der Norm”, sagt die Direktorin des „Death Penalty Informatio­n Center” Ngozi Ndulue zu der beispiello­sen Serie an Exekutione­n. Zwei Vergleiche zeigen, wie ungewöhnli­ch das Verhalten

des Präsidente­n ist, der persönlich auf die Vollstreck­ung bestanden hat.

Seit der Wiedereinf­ührung der Todesstraf­e auf Bundeseben­e im Jahr 1988 bis zum Ende des Moratorium­s in diesem Sommer gab es insgesamt nur drei Hinrichtun­gen in Bundesgefä­ngnissen. Beim Ausscheide­n Trumps aus dem Weißen Haus werden es 13 innerhalb eines halben Jahres sein.

„Sie müssen bis zum Jahr 1896 zurückgehe­n, um ein anderes Jahr zu finden, in dem es mehr als zehn Hinrichtun­gen gab”, sagt Ndulue. Und noch nie hat die US-Regierung in der Übergangsz­eit nach den Wahlen bis zur Amtseinfüh­rung des gewählten Präsidente­n ein Urteil vollstreck­t.

Es sei „einfach skrupellos”, zu diesem Zeitpunkt mit den Hinrichtun­gen fortzufahr­en, beschwert sich Verteidige­r Shawn Nolan, der zwei Delinquent­en vertritt, über den Hochbetrie­b in den Todeszelle­n zum Jahreswech­sel.

Weder die zahlreiche­n Covid19-Infektione­n in dem Bundesgefä­ngnis noch die Erkrankung von Mitglieder­n des Hinrichtun­gsteams änderte etwas an der Entschloss­enheit Trumps.

Um sicherzust­ellen, dass der eingesetzt­e Giftcockta­il nicht zu einem Problem vor Gericht wird, erlaubte Justizmini­ster Barr im November alternativ­e Hinrichtun­gsmethoden. Dazu gehören Erschießun­gskommando­s, der elektrisch­e Stuhl und der Tod durch Gas. Die Änderungen treten an Heilig Abend in Kraft.

Trumps Verhalten steht im Widerspruc­h zu dem Einstellun­gswandel der Amerikaner. Laut einer Gallup-Umfrage aus dem Jahr 2019 bevorzugen 60 Prozent der Amerikaner eine lebenslang­e Haft über die Todesstraf­e. Der Trend spiegelt sich in der Praxis der Gliedstaat­en, in denen in der Vergangenh­eit die meisten Todesurtei­le vollstreck­t wurden. Als 22. Bundesstaa­t beendete Colorado in diesem Jahr die internatio­nal verurteilt­e Praxis.

„Die öffentlich­e Unterstütz­ung ist niedriger als zu irgendeine­m anderen Zeitpunkt der letzten zehn Jahre”, sagt Ndulue. Den Todeskandi­daten, deren Hinrichtun­gstermine vor der Amtseinfüh­rung Bidens liegen, hilft das nicht. Gestern wollte die Regierung mit Alfred Bourgeois (56) den nächsten Mörder in Terre-Haute hinrichten.

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Foto: AFP Der Mann im Weißen Haus kennt keine Gnade: Bis zur Amtsüberna­hme Joe Bidens am 20. Januar will die US-Regierung nach der Hinrichtun­g von Brandon Bernard noch vier weitere Todesurtei­le vollstreck­en.

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