Zurück zur Leichtigkeit
„Alle sind so ernst geworden“, Gesprächsband von Suter und Stuckrad-Barre
Berlin. Zwei weiße, vergleichsweise reiche Männer setzen sich in einem Luxushotel zusammen und plaudern über dies und das. Das Ganze veröffentlichen sie auch noch als Buch: Damit das in heutigen Zeiten funktioniert, muss schon einiges stimmen. Bei „Alle sind so ernst geworden“von Martin Suter und Benjamin von Stuckrad-Barre ist das glücklicherweise der Fall. Es ist ein Gesprächsband mit viel Situationskomik, kurzweiligen Dialogen und Einblicken in das Schriftsteller-Dasein geworden.
Erst einmal handelt es sich hier um zwei Bestseller-Autoren, die abgesehen von ihrem Promi-Bonus schlagfertig, witzig und schlau sind. Sie sind zudem sehr unterschiedlich. Auf der einen Seite das hyperaktive, selbst ernannte „Drogenwrack“Stuckrad-Barre (45), auf der anderen Seite der eher gemütliche Suter (72). Da einer, der von sich selbst sagt, er könne „nicht wohnen“, und deswegen in Hotels lebt. Und einer, der seit 1975 in keiner „Disco“mehr war.
Weil Stuckrad-Barre auch ein guter Journalist ist, gelingt es ihm, abseitige Infos aus Suters Leben herauszufinden. Etwa, dass Suter eine Zeit in Österreich zur Fahndung ausgeschrieben war. Und weil Stuckrad-Barre auch gerne über sich selbst spricht, muss Suter es ihm nicht gleich tun, und die Leser erfahren dennoch einiges über sein Leben. Zum Beispiel,
Martin Suter und Benjamin von Stuckrad-Barre: „Alle sind so ernst geworden“, Diogenes Verlag, 272 Seiten, 22 Euro. warum er (vermutlich nicht nur) einmal von einem Kreuzfahrtschiff geschmissen wurde.
Es gibt auch Einblicke in das Gefühlsleben. Etwa in einem Kapitel, in dem Stuckrad-Barre vehement versucht, Suter (der seit 45 Jahren mit seiner Frau zusammen ist) dazu zu bringen, den Unterschied zwischen Verliebt-Sein und Liebe zu ergründen.
Erst einmal reden die beiden nur über Belanglosigkeiten, aber dahinter steckt natürlich ein poetologisches Programm. Zum einen die Idee, aus den banalsten Alltagsdingen eine philosophische Einsicht herauszuschälen. Zum anderen wollen sich die beiden in schweren Zeiten eine Leichtigkeit zurückerobern. Die Unbeschwertheit verteidigen, wie Stuckrad-Barre es ausdrückt: „eine temporäre Realitätsverweigerung“, bevor man zurück ins „SM-Studio Wirklichkeit“muss. dpa